Die „finanzielle Repression“ lässt grüßen
Internationale Notenbanken fluten weiterhin die Kapitalmärkte mit billiger Liquidität: Umfangreiche Anleihekaufprogrammeder G-4-Notenbanken, niedrige oder sogar weiter sinkendeLeitzinsen – allen voran der Zentralbanken der Wachstumsländer …
Es ist ein regelrechter Wettlauf um die expansivste Geldpolitik. Geldpolitik und Fiskalpolitik sind dabei aber aufs engste verknüpft.
In den USA läuft Ende des Jahres „Operation Twist“ – der Aufkauf langlaufender Staatsanleihen – aus, wenngleich „QE3“, die dritte Generation der Geldmengenausweitung, bereits von US-Notenbankchef Ben Bernanke ausgerufen wurde. Gleichzeitig steigt aber der Finanzierungsbedarf der USA. „Fiscal Cliff“ hin oder her – demnächst dürfte die US-Staatsverschuldung die gesetzliche Schuldenobergrenze von 16,4 Bio. US-Dollar erreicht haben. Bleibt abzuwarten, ob die fiskalischen Sparmaßnahmen dann tatsächlich in der Größenordnung von über 600 Mrd. US-Dollar bzw. knapp 4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) umgesetzt werden.
Nach den USA selbst dürften die zwei wichtigsten Gläubiger Amerikas – China und Japan – immer weniger bereit sein, US-Treasuries zu kaufen. Chinas stark exportorientiertes Wirtschaftsmodell scheint sich in Richtung Stärkung des Binnenkonsums zu verschieben. Wie das National Bureau of Statistics kürzlich bekannt gab, steuert zum ersten Mal seit über einer Dekade der inländische Konsum bereits etwa 55 % zum Wirtschaftswachstum bei. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, ist es eine Frage der Zeit, dass die dann entstehenden Leistungsbilanzdefizite China von einem Kapitalexporteur zum Kapitalimporteur werden lassen.
Zusätzlich sorgt in Japan die demografische Entwicklung dafür, dass die Japaner immer mehr entsparen. Auch hier dürften Kapitalimporte die Folge sein.
Wer kauft dann noch (US-)Staatsanleihen, wenn nicht die Zentralbanken?
Investoren sollten sich daher die Frage stellen, wo die überschüssige Liquidität investiert wird bzw. wer in Zukunft die Käufer am (US-)Staatsanleihemarkt sein könnten. Für die Notenbanken ist es klar: Sie werden weiterhin die größten Käufer von Staatsanleihen sein müssen. Künstlich niedrig gehaltene Zinsen – im „Idealfall“ eine negative Realrendite – sind gut für die Entschuldung, aber nicht für die Anleger. Die „finanzielle Repression“ lässt grüßen.
Autor: Stefan Scheurer, Vice President, Global Capital Markets & Thematic Research
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