Profiteur der Euro-Krise?

Dank der anhaltend günstigen Zinsen soll Deutschland 2014 und 2015 insgesamt bis zu 50 Milliarden Euro einsparen.
In diesem Zusammenhang wird die Bundesrepublik in Medien und selbst von einigen Wirtschaftswissenschaftlern als Hauptprofiteur der Euro-Krise dargestellt. Diese Argumentation hält allerdings einer genauen Prüfung nicht stand.
Allgemeiner Abwärtstrend
Bis zum Ausbruch der Finanzkrise gingen die Anleiherenditen in den westlichen Industrieländern allgemein zurück. Den größten Profit beim Zusammenwachsen Europas machten die heutigen Wackelkandidaten. Italien, Spanien und Portugal mussten Anlegern 1995 noch rund 13 Prozent Zinsen bieten, damit diese in zehnjährige Staatspapiere investierten. Der Abstand zum deutschen Zinsniveau betrug fünf Prozent. Im Zuge der Währungsunion wurde die Differenz nahezu komplett eingedampft. Erst mit Beginn der Finanzkrise weiteten sich die Spreads wieder aus. Selbst das faktisch insolvente Griechenland zahlt aktuell mit leicht über zehn Prozent weniger Zinsen auf die Anleihen als 1995. Auch in den Krisenländern Spanien, Italien (je rund 4,4 Prozent) und Portgual (6,6 Prozent) liegen die Renditen weit unter dem Niveau früherer Tage. Die Zinsvorteile betreffen also nicht nur Deutschland (Zinsen knapp zwei Prozent), sondern in weit stärkerem Ausmaß die anderen Euro-Länder.
Euro als Risikofaktor
Auch Deutschland hat einige Probleme. So liegt die Gesamtschuldenquote des Staates bei über 80 Prozent und damit weit über dem Maastricht-Kriterium. Dazu stellt die demographische Entwicklung das Land vor enorme Herausforderungen. Dank richtiger politischer Weichenstellungen (Agenda 2010), mit denen die Wettbewerbsfähigkeit erhöht wurde, läuft die deutsche Wirtschaft aber stabil, die Arbeitslosigkeit liegt im europäischen Vergleich auf einem sehr niedrigen Niveau. Die gute wirtschaftliche Entwicklung hat der deutschen Staatskasse im ersten Halbjahr sogar einen kleinen Überschuss beschert.
In Anbetracht dessen könnten die Zinsen durchaus tiefer sinken. Das Zinsniveau in der Schweiz beträgt derzeit nur 1,1 Prozent. Der hohe Spread zu den Nachbarn liegt wohl an der Vielzahl an Risiken, denen Deutschland im Zuge der Euro-Krise ausgesetzt ist. Ausfälle von Garantien für die Währungspartner könnten die Verschuldung zusätzlich in die Höhe treiben. Von Profit aus der Krise kann also keine Rede sein. Vielmehr stellt sich die Frage, wie viel besser es Deutschland gehen könnte, wenn es den Euro nie eingeführt hätte.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur der „Aktien-Strategie“ (früher Global
Performance). Der seit 1999 erscheinende Börsenbrief hat sich auf
deutsche Wachstums-Aktien spezialisiert. Dank einer ausgefeilten und
bewährten Anlagestrategie schlägt das Musterdepot die Vergleichsindizes
deutlich. So schaffte das Depot seit seiner Auflegung im März 1999 eine durchschnittliche jährliche Performance von rund 15 Prozent - obwohl in diesen Zeitraum der dramatische Niedergang des Neuen Marktes sowie die Finanzkrise 2008 fällt. Weitere Informationen unter
www.aktien-strategie.de
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