Schattenseiten der monetären Lockerungspolitik
Europäische Pensionsverpflichtungen erhöhen sich um 92 Milliarden Euro
Die monetäre Lockerungspolitik (Quantitative Easing/QE) der EZB soll das Wachstum in der Eurozone ankurbeln. Aber es gibt auch eine zweite Seite der Medaille, nicht alle (Kapital-)Marktteilnehmer profitieren von dieser Geldpolitik. So scheinen unterfinanzierte leistungsorientierte Pensionspläne in Europa (sogenannte Defined Benefit Pensions Plans) besonders anfällig zu sein, denn aufgrund des Quantitative Easing haben sich die europäischen Pensionsverpflichtungen um 92 Milliarden Euro erhöht.
Standard & Poor’s hat die Finanzierungsposition von 50 europäischen Unternehmen, die von S&P geratet werden, analysiert. Ausgewählt wurden die Firmen, deren leistungsorientierte Pensionspläne Defizite von mehr als 10 Prozent der adjustierten Schulden ausweisen und deren ausstehende adjustierte Schulden mehr als 1 Milliarde Euro betragen. Am Jahresende 2013 betrugen die Pensionsverpflichtungen dieser Unternehmen insgesamt 527 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Fondsvermögen in Höhe von 356 Milliarden Euro bedeutet dies, dass sie im Durchschnitt ein Finanzierungsdefizit von knapp über 30 Prozent aufwiesen. Die Ergebnisse der Untersuchung hat Standard & Poor’s erst kürzlich in dem Bericht "Quantitative Easing Benefits Few European Corporate Defined Benefit Pension Plans" veröffentlicht.
Leistungsorientierte Pensionsverpflichtungen steigen um 11 bis 18 Prozent
Ohne sorgfältiges Risikomanagement werden die Defizite der leistungsorientierten Pensionspläne ein materieller negativer Kreditfaktor in den nächsten zwei Jahren sein. Die Analyse zeigt weiter, dass leistungsorientierte Pensionsverpflichtungen 2014 um 11 bis 18 Prozent ansteigen werden. Dies wird durch den starken Rückgang der Unternehmensanleihenrendite und nur teilweise durch den Rückgang der langfristigen Inflationserwartungen angetrieben. Darüber hinaus erwarten wir, dass die Verbindlichkeiten im Jahr 2015 sogar weiter steigen werden, unter der Annahme, dass die jüngste Senkung der Unternehmensanleihenrendite unter 1,5 Prozent das ganze Jahr über anhält.
Niedriges Zinsumfeld drückt auf Defizite
Die Unternehmen werden in den kommenden Jahren also vor die Herausforderung gestellt werden, wie die Defizite in dem neuen niedrigen Zinsumfeld nach QE in Europa gezügelt werden können. Dies wird noch ein wesentlicheres Kreditrisiko für die Unternehmen mit signifikanten leistungsorientierten Pensionsverpflichtungen darstellen, da wir gemäß unserer Kriterien bestehende Plandefizite steuerbereinigt in unsere Berechung der adjustierten Schulden einbeziehen. Seit der Finanzkrise haben Pensionsdefizite zu einer Steigerung von 30 bis 40 Prozent der adjustierten Schulden für die 50 größten der von Standard & Poor’s gerateten Unternehmen beigetragen.
Risiko der Stagflation bleibt
Effektives Risikomanagement bleibt - sehr wichtig, damit die Firmen ihr Pensionsrisiko langfristig managen und möglicherweise nachteilige Auswirkungen auf ihre Kreditkennzahlen abmildern können. Mittelfristig bleibt das Risiko, dass QE nicht mehr als eine Stagflation im Euroraum bewirken wird. Eine tückische Kombination für leistungsorientierte Pensionspläne sehen wir hier im Zusammenwirken eines schwachen Wachstums, das die EZB dazu veranlasst, ihre aggressive Geldpolitik fortzusetzen, sowie einer weiter steigenden Inflation.
Von Paul Watters, Senior Director im Bereich Corporate Research bei Standard & Poor’s Ratings Services in London
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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