Klimawandel wird Staatenratings unter Druck setzen
Auf dem UN-Klimagipfel in New York diskutieren über 120 Staats- und Regierungschef mit Experten darüber, wie die globale Erderwärmung aufgehalten werden kann.
Der Klimawandel und seine Folgen - insbesondere die Erderwärmung und extreme Wetterereignisse - sind globale Mega-Trends, die die öffentlichen Finanzen der Staaten und damit auch ihr Kreditrisiko beeinflussen. Entsprechend muss dieser Umstand auch bei den Sovereign Ratings von Standard & Poor’s Ratings Services berücksichtigt werden. In einem aktuellen Bericht stellt Standard & Poor’s Ratings Services fest, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Kreditwürdigkeit von Staaten sowohl beim Wirtschaftswachstum, aber auch in der Entwicklung der Außenhandelsbilanzen (external performance) und in den öffentlichen Finanzen spürbar sein werden - das heißt, dass der Klimawandel auch die Bonitätsratings der Staaten unter Druck setzen wird.
Verschiedene Ratingkriterien zur Bewertung
Die Anfälligkeit von Staaten gegenüber dem Klimawandel kann auf unterschiedliche Weise eingeschätzt werden. Dabei geht es weniger um die Herabstufung eines Staatenratings als direkte Folge von extremen Unwettern und wetterbedingten Zerstörungen - so schlimm diese auch für die betroffenen Staaten sind. Bisher hat Standard & Poor’s keine Ratingherabstufung eines Staates als direkte Folge eines extremen Wetterereignisses vorgenommen. Angesichts immer häufigerer und zerstörerischer Wetterereignisse bleibt jedoch zu beobachten, wie sich dieser Trend mit der Zeit auf Länderratings auswirken könnte Momentan verwendet Standard & Poor’s für die Bewertung von möglicher Anfälligkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels drei Variablen, nämlich erstens den Anteil der in Küstenregionen unterhalb von fünf Metern über dem Meeresspiegel lebenden Bevölkerung, zweitens den Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt, und drittens den Global Adaptation Index (ND-GAIN) der von der Notre Dame-Universität in Indiana (USA) zusammengestellt wird.
Staaten mit niedrigen Ratings besonders betroffen
Da gerade bei Schwellenländern ein hoher Anteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitet und damit von der landwirtschaftlich geprägten Produktion abhängig ist, und es diesen Staaten zudem meist schwerer fällt, die finanziellen Kosten zu absorbieren, werden gerade ärmere Länder mit bisher bereits niedrigeren Ratings typischerweise am stärksten betroffen sein.
In der von Standard & Poor’s geführten Liste von insgesamt 130 gerateten Ländern sind alle der 20 am meisten gefährdeten Staaten Schwellenländer; fast alle von ihnen befinden sich in Afrika oder Asien. Die Liste der am wenigsten anfälligen Staaten wird von entwickelten Volkswirtschaften mit bisher bereits sehr guten Ratings angeführt, mit Luxemburg, der Schweiz und Österreich an der Spitze und Deutschland auf Rang 8. Somit könnte der Klimawandel auch zu einem weiteren Auseinanderdriften der Staatenratings beitragen.
Von Moritz KRAEMER, Managing Director und Chief Rating Officer Sovereign Ratings, Standard & Poor’s Ratings Services Frankfurt
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Rating Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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