Solange ich lebe
Diese Aussage unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel, getroffen im Juni auf einer Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion, ist inzwischen so nicht mehr nachvollziehbar.
Damals sollte damit einer gesamtschuldnerischen Haftung – zum Beispiel über Euro-Bonds – eine Absage erteilt werden. Doch durch die - bisher lediglich angedachten - unbegrenzten Käufe der Anleihen von Eurostaaten seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) wird die gesamtschuldnerische Haftung über die Hintertür initiiert. Dass diese Käufe bei genauerer Betrachtung der Urteilsbegründung aus Karlsruhe sogar verboten sind, scheint allerdings in Deutschland nur wenige Volksvertreter zu stören. Zu den 190 Mrd. € würde Deutschland ansonsten noch, über ihre Beteiligung an der EZB im Falle eines Zahlungsausfalls oder Schuldenschnitts, eine zusätzliche Zahlungsverpflichtung übernehmen. Somit hat Frau Merkel bereits zu Lebzeiten das Zepter des Handelns aus der Hand gegeben. „In Brüssel wird’s erdacht, in Deutschland wird’s gemacht, in Italien wird gelacht“, sagte Rainer Brüderle von der FDP jüngst in einem Interview. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
In diesem Zusammenhang stellt sich immer wieder die Frage: "Ist ein Vertrag noch ein Vertrag"? Rechtssicherheit und Staatsschuldenkrise passen anscheinend nicht zusammen. Denn der Maastrichter Vertrag enthält die Bestimmungen zur Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Diese Maßgaben scheinen allerdings für verschiedene Politiker nicht mehr die Leitplanken für Interpretationen darzustellen und somit wird fleißig dagegen verstoßen. Dass zum Beispiel die Gesamtverschuldung nicht mehr als 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen und das jährliche Haushaltsdefizit nicht höher als 3% des BIP's sein darf (Art. 126 AEUV), ist anscheinend nicht so starr zu handhaben, wie es auf den ersten Blick erscheint. Sonst wäre bei einer deutschen Gesamtverschuldung von über 2 Billionen € eine Schuldenquote von über 80% des BIP's nicht vertretbar. Darüber hinaus bleiben sogar die Schattenhaushalte unberücksichtigt!
Was macht man nicht alles zum Wohle Europas? Wohl dem, der einen „deutschen Michel“ hat.
Corporates: Frischer Wind am Primärmarkt
Investoren legen vorerst Bedenken ad acta
In punkto Neuemissionen gab es in den vergangenen Wochen einen wahren Ansturm am Kapitalmarkt. Nach den Beschlüssen der Europäischen Zentralbank und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den ESM, konnten sich auch Anleihen von Emittenten der Peripherieländer einer gestiegenen Nachfrage erfreuen.
In der vergangenen Berichtswoche sorgten vor allem die neuen Anleihen des Energiedienstleisters Techem für Aufsehen. Das Unternehmen emittierte 2 Tranchen mit Laufzeiten von sieben und acht Jahren und Kupons von 6,125% bzw. 7,875% im Gesamtvolumen von ca. 750 Mio. €. Beide Anleihen waren mehrfach überzeichnet und konnten im Schnitt 3 Punkte bzw. 3% zulegen. Techem ist mit Ba3/B+ benotet.
Aber auch die französische Unternehmensgruppe Bouygues SA konnte 700 Mio. € am Kapitalmarkt einsammeln. Der Bond des mit A3/BBB+ gerateten Unternehmens ist mit einem Kupon von 3,625% ausgestattet und im Jahre 2023 endfällig.
Darüber hinaus konnte das spanische Petrochemieunternehmen Repsol 750 Mio. € zu 4,375% refinanzieren. Die Schuldverschreibung wird in 2018 zurückbezahlt und ist mit Baa3/BBB- benotet.
Nicht zuletzt wurde mit Energias de Portugal ein weiterer Emittent aus der Peripherie am Primärmarkt aktiv. Der Energieversorger bietet den Investoren einen jährlichen Kupon von 5,75%. Das Gesamtvolumen der 2018 endfälligen Anleihe beträgt 750 Mio. €. Die Benotung liegt mit Ba1/BB+ allerdings im Ramschbereich.
Die Investoren legten vorerst ihre Bedenken ad acta und es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend nicht schon bald wieder umkehren wird.
Egan-Jones senkt Bonität der USA
Ist das erst der Anfang, werden andere nachziehen?
Die US-Notenbank hat das dritte Quantitative Easing angekündigt, um der amerikanischen Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Kritiker sehen die Aktion auch als eine indirekte Unterstützung für den US-Präsidenten im amerikanischen Wahlkampf. Denn dadurch werden wieder Milliarden US-Dollar in den Markt gepumpt und es wird eine künstliche Nachfrage erzeugt. Mit dem vorerst unbegrenzten Kaufprogramm will man die Konjunktur ankurbeln und zusätzlich den Leitzins auf tiefem Niveau einfrieren.
Bei der Verschuldung der USA hängt das Wohl einer ganzen Nation und ihrer Partner von der Höhe der Finanzierungskosten ab. Ein großer Schuldenberg und die daraus resultierende Gefahr von steigenden Zinsen sind eine tickende Zeitbombe. Dieses Problem hat die kleine, aber feine Ratingagentur Egan-Jones wiederum als erste erkannt und die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten von AA auf AA- herabgesetzt. Der Beschluss der Fed werde der Wirtschaft mehr schaden als helfen, schätzt Egan-Jones die Folgen ein. Sie verweist auf die Auswirkungen, wie den sinkenden Dollar und den Anstieg der Energiepreise sowie den Import von Waren. Bereits im April hatte die Agentur die Kreditwürdigkeit des Landes von AA+ auf AA herabgestuft. Man darf gespannt sein, ob die großen Ratingagenturen folgen oder ob der politische Druck auf die Bonitätswächter so hoch ist, dass weitere Herabstufungen nicht stattfinden.
Die Folgen der Krise
Anleihen guter Schuldner sind ein knappes Gut
Noch vor wenigen Wochen standen alle Zeichen auf einem „erkauften“ Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Aber inzwischen mehren sich die Zeichen, dass das Konstrukt unter allen Umständen am Leben gehalten werden soll. Koste es, was es wolle! Das kann aber für die Bundesrepublik Deutschland in zweierlei Hinsicht teuer werden. Einerseits wenn der Haftungsfall eintritt, aber auch andererseits wenn sich die Investitionen in Krisenländern wieder als „relativ sicher“ einstufen lassen. Dann würde nichts gegen einen Switch von „gut“ in „weniger gut“ sprechen und die Refinanzierungskosten würden für Deutschland merklich und nachhaltig steigen. Dennoch besteht auch in einem solchen Falle kein Grund zur Panik, denn die Schuldenkrise hat auch deutlich gemacht, dass Anleihen guter Schuldner ein immer knapper werdendes Gut werden. Somit besteht nicht die Gefahr eines Ausverkaufs von deutschen Staatsanleihen. Diese werden weiterhin zur Beimischung in den Depots der Investoren benötigt.
Auch die Gefahr eines einheitlichen Renditegefüges ist vorerst vom Tisch. Aus der Vergangenheit wurden Lehren gezogen und die zu zahlenden Zinsen werden sich wieder an den Fundamentaldaten und der Bonität des einzelnen Schuldners orientieren.
Die japanische Geldpolitik
Die japanische Notenbank ist immer wieder für eine Überraschung gut. Trotz jahrelanger Nullzinspolitik und drohender Zahlungsunfähigkeit wurde auch in dieser Woche eine weitere Lockerung der Geldpolitik beschlossen. Das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen wurde um 10 Billionen Yen auf nunmehr 80 Billionen Yen ausgeweitet. Japan kämpft wirtschaftlich weiterhin mit den Folgen der Naturkatastrophen und auch die Spannungen mit China machen der exportabhängigen Wirtschaft zu schaffen.
Die japanische Zinspolitik war bereits vor vielen Jahren Anlass vieler Diskussionen und viele Experten zeigten schon damals düstere Zukunftsperspektiven auf. Japan ist zwar in vielerlei Hinsicht nicht mit anderen Staaten zu vergleichen, aber es zeigt uns auf, wie lange uns die Schuldenkrisen noch begleiten können. Es wird in diesem Zusammenhang zwar oft nur auf die europäische Krise verwiesen, aber auch in Amerika und Japan ist die Welt nicht in Ordnung!
Euro-Bund-Future: Goldene Zeiten für Bonds vorbei?
Waren zu Wochenmitte vergangener Woche noch alle Blicke auf Karlsruhe gerichtet, so hat sich in dieser Handelswoche wieder Normalität eingestellt. Nach der juristischen Entscheidung liegt das Augenmerk nun auf der politischen Umsetzung verschiedener Vorgaben. Aber auch die jüngsten Gerüchte bezüglich benötigter Hilfsgelder für Spanien und nicht zuletzt für Griechenland bestimmen weiterhin die Märkte. Bis zu diesen wichtigen Entscheidungen werden sich die Rentenmärkte in einer Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau einpendeln. Die aktuelle Tradingrange liegt zwischen 138,26% (Tief vom 29.06.12) und 140,50% (Hoch vom 12.09.12). Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Goldenen Zeiten für Bonds vorerst vorüber sind und sich die Anpassung der Renditeniveaus zwischen den Euroländern fortsetzen wird. Das bedeutet aber keineswegs einen Kursverfall bei deutschen Anleihen und den entsprechenden Futures. Qualität wird auch weiterhin ihren Stellenwert behalten. Grundvoraussetzung für eine sanfte Spreadanpassung ist allerdings, dass es keinerlei Störfeuer seitens der Politik geben wird.
Staatsanleihen und sonstige Neuemissionen
Bund zahlt den Investoren für 2 Jahre 0,06% p.a.
Nach der Ankündigung der Europäischen Zentralbank bezüglich des Rückkaufprogramms für Anleihen ist zwar noch nichts Konkretes passiert, aber die Lippenbekenntnisse reichten aus, um die Phantasie der Anleger anzuregen und die Renditen für die Sorgenkinder deutlich zu verringern. Die Gunst der Stunde nutzten die Regierungen in Spanien und Italien, um sich ein finanzielles Polster zu verschaffen. Ein gesondertes Dankesschreiben an Herrn Draghi ist sicherlich zugestellt worden.
Dennoch sind weiterhin Renditeunterschiede innerhalb der Eurozone auszumachen und von den deutschen Refinanzierungskonditionen können die meisten Regierungen nur träumen. So erfolgte die Aufstockung der zweijährigen Bundesschatzanweisungen bei einer 2,1-fachen Überzeichnung zu einer Durchschnittsrendite von 0,06%.
Euro: Die Wiederauferstehung eines Totgesagten
Chance für Spätentschlossene?
Lang, lang ist es her, dass wir in der Eurozone so viel Optimismus und Zuversicht verspüren durften. Und das alles Dank der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Federal Reserve (FED). Die Ankündigung der EZB Staatsanleihen von den Krisenstaaten zu kaufen, sowie die Aussicht auf ein neues QE3 seitens der FED haben beim Euro ein wahres Kursfeuerwerk ausgelöst.
Die europäische Gemeinschaftswährung nahm in der ersten Euphorie die Hürde bei 1,30 USD mit Leichtigkeit und markierte bei 1,3169 USD sogar ein neues 4-Monats-Hoch. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich der Euro nachhaltig über der Marke von 1,30 USD etablieren kann.
Aber nicht nur gegenüber dem Greenback, sondern auch im Vergleich zu den Alternativwährungen konnte deutlich zugelegt werden. Besonders hervor zu heben ist hier die Entwicklung zum australischen Dollar. Anfang August wurde dieser noch bei 1,16 AUD gehandelt und notiert aktuell wieder bei 1,2501.
Trotz der Stabilisierung des Euros sind die Anleger weiterhin daran interessiert ihr Vermögen zu diversifizieren. Somit beobachten wir ein unverändert großes Interesse an Fremdwährungsanleihen. Zu „Anleger’s Lieblingen“ gehören nach wie vor Anleihen auf norwegische Kronen und australische Dollar.
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Der Autor dieses Artikels ist Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de
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