TikTok kündigt Rückzug aus Hongkong an: Internetriesen fürchten drakonisches Sicherheitsgesetz in Hongkong
Aus Angst vor dem neuen Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong gehen große Internetkonzerne auf Distanz zu Strafverfolgern in Chinas Sonderverwaltungsregion.
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Die populäre internationale Videoplattform TikTok kündigte am Dienstag an, sich ganz vom Hongkonger Markt zurückzuziehen. Das chinesische Mutterhaus ByteDance bestätigte nach Medienberichten, dass der internationale TikTok-Dienst "angesichts der jüngsten Ereignisse" in Hongkong eingestellt werde. Die zensierte und in der kommunistischen Volksrepublik verfügbare chinesische Plattform-Version "Douyin" werde in der asiatischen Wirtschaftsmetropole aber weiter betrieben.
Internetkonzerne und Plattformen wie Facebook, WhatsApp, Google, Twitter, Telegram, Zoom und Linkedin kündigten an, mögliche Anfragen Hongkonger Behörden nach Daten von Nutzern vorerst nicht zu beantworten. Facebook will vorher Menschenrechtsexperten zu den Auswirkungen des neuen Gesetzes konsultieren. Die Videoplattform Zoom will die Lage prüfen, einschließlich "potenzieller Vorgaben der US-Regierung", wie die Zeitung "Hong Kong Free Press" zitierte. Wenn die Unternehmen nicht kooperieren, könnten ihre Dienste in Hongkong wie auch heute schon in der Volksrepublik geblockt werden.
Das Gesetz sieht vor, dass Dienste-Anbieter auf Anfrage "Identifikationsnachweise oder Hilfe bei der Entschlüsselung zur Verfügung stellen" müssten. Das weitgehende, drakonische Gesetz richtet sich gegen Aktivitäten, die aus Pekinger Sicht als separatistisch, subversiv und terroristisch betrachtet werden. Es gibt chinesischen Sicherheitsorganen weitreichende und unkontrollierte Vollmachten in Hongkong, ermöglicht eine Auslieferung nach China und sieht als Höchststrafe lebenslange Haft vor.
Seit der Rückgabe an China 1997 wurde die ehemals britische Kronkolonie nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium autonom regiert. Mit dem Gesetz und dem eigenmächtigen Einsatz der chinesischen Staatssicherheit in Hongkong werden die bisher gewährten Freiheiten und Rechte der sieben Millionen Hongkonger nach Einschätzung von unabhängigen Juristen aber stark beschnitten. Kritiker sehen heute nur noch "ein Land, ein System".
Die Geheimhaltung um das Gesetz und seine Umsetzung dauert weiter an. Regierungschefin Carrie Lam betonte, dass die dafür neu geschaffene Sicherheitskommission in Hongkong geheim arbeiten werde. Auch beantwortete sie besorgte Fragen von Journalisten über die Zukunft der Pressefreiheit nur ausweichend. Sie wolle keine Garantie geben, weil die Journalisten ihr auch keine 100-prozentige Garantie geben würden, dass sie nicht gegen das Gesetz verstoßen würden.
"Die Hongkonger Sicherheitsbehörden nutzen ihr selbst geschaffenes rechtsstaatliches Vakuum durch die noch immer unveröffentlichten Einzelheiten des Sicherheitsgesetzes, um mit völlig unberechenbarer Willkür vorzugehen", kritisierte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP). "Die ist natürlich kalkuliert, um maximale Angst in der Bevölkerung zu streuen und das freiheitliche Erbe der Stadt zu vernichten."
Jensen kritisierte Untätigkeit seitens der Bundesregierung und der EU. Die USA, Großbritannien und Australien hätten Konsequenzen gezogen. Jetzt seien sogar Konzerne wie Facebook und Telegram "weiter als die deutsche Bundesregierung und die EU", hob die Menschenrechtspolitikerin hervor. Berlin betreibe eine "beschämende Konfrontationsvermeidung" gegenüber Peking.
Mit dem Rückzug von TikTok aus Hongkong demonstriert der chinesische Internetkonzern ByteDance einmal mehr seine schon länger laufenden Bemühungen, die internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. Das chinesische Unternehmen wird im Ausland wegen einer möglichen Nähe zu Chinas Behörden und dem Umgang mit persönlichen Daten mit Argwohn betrachtet. In den Spannungen um den Grenzstreit mit China hatte Indien sogar TikTok und 58 andere chinesische Apps verboten, was zu Milliardenverlusten für ByteDance führen dürfte.
US-Außenminister Mike Pompeo schließt eine Sperre von Apps aus China - insbesondere der populären internationalen Videoplattform TikTok - nicht aus. "Wir nehmen das sehr ernst. Wir sehen es uns auf jeden Fall an", sagte Pompeo am Montagabend (Ortszeit) bei Fox News. Er war danach gefragt worden, ob die US-Regierung nicht in Erwägung ziehen sollte, soziale Medien aus China und speziell TikTok zu verbieten.
TikTok mit der chinesischen Firma ByteDance als Besitzer spürt schon länger politischen Gegenwind in den USA. So wurde Ende vergangenes Jahres US-Militärangehörigen wegen Sicherheitsbedenken untersagt, die App auf ihren Dienst-Smartphones zu nutzen. Pompeo sagte am Dienstag, man solle sich die App nur auf sein Smartphone laden, "wenn Sie wollen, dass Ihre privaten Informationen in die Hände der chinesischen Kommunistischen Partei gelangen".
Ein Sprecher von TikTok erklärte auf Anfrage, das Unternehmen werde von einem amerikanischen CEO geleitet und habe Hunderte Mitarbeiter und wichtige Führungskräfte unter anderem im Bereich Sicherheit in den USA. "Wir haben niemals Nutzerdaten an die chinesische Regierung weitergegeben und würden dies auch nicht tun, wenn wir darum gebeten würden", hieß es.
ByteDance wird im Ausland wegen einer möglichen Nähe zu Chinas Behörden und dem Umgang mit persönlichen Daten mit Argwohn betrachtet. Deswegen bemüht sich das Unternehmen seit langem, seine internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. TikTok hatte am Dienstag angekündigt, sich wegen des chinesischen Gesetzes zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong aus dem Markt der Sonderverwaltungsregion zurückzuziehen - und die Bemühungen damit unterstrichen.
HONGKONG (dpa-AFX)
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