Windkrafttochter-Problem

Siemens Energy-Aktie dreht ins Plus: Siemens Energy wegen Windkrafttochter Siemens Gamesa mit Gewinnwarnung

20.01.23 17:58 Uhr

Siemens Energy-Aktie dreht ins Plus: Siemens Energy wegen Windkrafttochter Siemens Gamesa mit Gewinnwarnung | finanzen.net

Die Probleme der spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa reißen nicht ab und machen dem Energietechnikkonzern Siemens Energy weiter schwer zu schaffen.

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Nun hat Siemens Gamesa erneut Qualitätsmängel bei bestimmten Komponenten festgestellt, was zu millionenschweren Belastungen im ersten Geschäftsquartal (per Ende Dezember) führt. Siemens Gamesa Renewable Energy SA schreibt damit weiter rote Zahlen - als Konsequenz muss Siemens Energy seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2022/23 senken.

Wegen der zahlreichen Probleme waren die Siemens-Energy-Aktien 2022 mit einem Minus von rund 22 Prozent fast doppelt so schwach wie der Leitindex. Dabei hatten sie aber nach einem Rekordtief Mitte Oktober bei 10,25 Euro kräftig aufgeholt. Mit 18,53 Euro kosten die Papiere inzwischen gut 80 Prozent mehr als Mitte Oktober.

Gamesa habe in einer Überprüfung der installierten Windkraftanlagen "eine negative Entwicklung der Ausfallraten bei bestimmten Komponenten festgestellt, die zu höheren Garantie- und Wartungskosten führen als zuvor geschätzt", teilte der spanische Konzern am Donnerstagabend mit. Die finanzielle Belastung bezifferte Gamesa dabei auf 472 Millionen Euro, was zu einem Verlust des operativen Ergebnisses (Ebit) vor bestimmten Kaufpreisallokationen von rund 760 Millionen Euro im Quartal führte.

Worin die Probleme genau liegen, wollte Chef Jochen Eickholt in einer Telefonkonferenz mit Analysten nur vage spezifizieren. Der Schwerpunkt liege im Service-Geschäft und nur in kleinerem Ausmaß bei den Turbinen, sagte der Manager. Es sei ein Mix aus verschiedenen Problemen, bei unterschiedlichen Komponenten und Plattformen, die mancherlei Effekte nach sich ziehen würden. Auch die betroffenen Länder und Regionen seien nur schwer abzugrenzen. Finanzchefin Beatriz Puente erwartet, dass der Barmittelzufluss in den kommenden acht Jahre beeinflusst sein wird. Für das Geschäftsjahr 2023 erwartet sie Auswirkungen im mittleren zweistelligen Bereich.

Als Folge von Gamesas Problemen musste Siemens Energy bei der Prognose für 2022/23 zurückrudern. So soll die operative Ergebnis-Marge vor Sondereffekten nun nur noch bei 1 bis 3 Prozent liegen, nach zuvor in Aussicht gestellten 2 bis 4 Prozent. Der Nettoverlust dürfte zudem auf Vorjahresniveau liegen und nicht wie bisher angepeilt stark sinken, hieß es weiter.

Im vergangenen Geschäftsjahr (per Ende September) hatten die Windkrafttochter Siemens Gamesa sowie Belastungen im Zusammenhang mit dem Rückzug aus Russland beim Energietechnikkonzern den Verlust nach Steuern um 15,5 Prozent auf 647 Millionen Euro anschwellen lassen. So hatten hohe Kosten, Lieferkettenengpässe, Projektverschiebungen, Qualitätsmängel bei älteren Anlagen sowie hausgemachte Probleme mit der neuen Landturbine 5.X Gamesa die Bilanz verhagelt.

"Insbesondere die Neubewertung von Kosten für bestehende Serviceverträge hat im abgelaufenen Quartal zu einer Ergebnisbelastung geführt", sagte ein Siemens-Energy-Sprecher zur aktuellen Entwicklung. In den operativen Bereichen sehe man eine Verbesserung der Situation bei Gamesa. Allerdings erforderten insbesondere die Altverträge unter den nach wie vor schwierigen Bedingungen im Beschaffungsmarkt "uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Managements".

Das Tagesgeschäft von Siemens Energy lief im ersten Quartal derweil mit Blick auf Umsatz und Auftragseingang besser als von Analysten erwartet. Die Umsatzprognose blieb daher unverändert: Das vergleichbare Umsatzwachstum - also ohne Wechselkurs- und Portfolioeffekte - soll im bis Ende September laufenden Geschäftsjahr weiter 3 bis 7 Prozent erreichen.

Gamesa steht vor der Komplettübernahme durch Energy, die nach Ende des Angebots mehr als 90 Prozent halten. Eine außerordentliche Hauptversammlung des an der spanischen Börse notierten Unternehmens muss in der kommenden Woche dem Unterfangen noch zustimmen, was aber als Formsache gilt. Danach will Energy Gamesa von der Börse nehmen.

Analyst Nicholas Green vom US-Analysehaus Bernstein Research sprach von einem "großen finanziellen Schlag" für die Investitionsentscheidung von Energy. Seinem Verständnis nach sollte Gamesas Service-Geschäft das stabile Fundament für die Zukunft des Unternehmens sein, nun weist es aber auch Schwächen auf. Und auch ganz allgemein glaubt er nicht an eine solide kommerzielle Grundlage der Windindustrie.

Siemens Energy erhofft sich nach der Übernahme einen besseren Durchgriff bei dem Windkraftbauer, der in den letzten Jahren nach dem Auftauchen immer neuer Probleme mehrfach seine Ziele verfehlte. Der von Energy entsandte Gamesa-Chef Eickholt hat dem Konzern ein weitreichendes Sanierungsprogramm verpasst. Grundsätzlich hatte Siemens Energy 2022/23 denn auch als Übergangsjahr gesehen. Konzernchef Christian Bruch peilte bei der Vorstellung der Ziele im Herbst eine Verbesserung der Geschäftsentwicklung an, auch wenn unter dem Strich ein Verlust stehen dürfte. Schwarze Zahlen sieht Bruch erst im nächsten Geschäftsjahr.

Abseits von Gamesa lief es aber zuletzt. Das Unternehmen spricht von einer starken Verbesserung des zugrundeliegenden operativen Ergebnisses in den Bereichen Gas Services, Grid Technologies und Transformation of Industry.

Der Konzernauftragseingang wuchs den Angaben zufolge im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte auf 12,7 Milliarden Euro und der Umsatz stieg um rund 19 Prozent auf knapp 7,1 Milliarden Euro. Beide Werte übertreffen damit die mittlere Analystenschätzung deutlich. Das operative Ergebnis von minus 384 Millionen Euro blieb indes deutlich unter der Markterwartung, ebenso wie das operative Ergebnis vor Sondereffekten von minus 282 Millionen Euro.

So reagiert die Siemens Energy-Aktie

Die Aktien von Siemens Energy haben am Freitag nach einer weiteren Gewinnwarnung der Windkrafttochter Siemens Gamesa zeitweise kräftig nachgegeben. Doch dann setzte eine leichte Erholungsbewegung ein. Im XETRA-Handel ging es für die Siemens Energy-Aktie schlussendlich um 0,75 Prozent auf 18,88 Euro nach oben.

Die Analysten von Goldman Sachs, Bernstein und Jefferies hoben einhellig hervor, dass die gesenkten Margenziele des Mutterkonzerns für das neue Geschäftsjahr 2022/23 sowie der Verlust im ersten Geschäftsquartal lediglich auf die Schwäche von Gamesa zurückzuführen sei. Alle anderen Bereiche hätten sich stark entwickelt. Mit Blick auf Gamesa herrschte zugleich aber Einigkeit, dass deren zweite Gewinnwarnung - dieses Mal für den Bereich Business Services - ein "schwerer finanzieller Schlag" für den Energietechnikkonzern sei. Der hält seit Oktober inzwischen rund 93 Prozent an der spanischen Gamesa und will diese alsbald von der Börse nehmen.

Das Quartal von Siemens Energy selbst sei stark gewesen, schrieb etwa Jefferies-Analyst Simon Toennessen. Dabei verwies er unter anderem auf die überraschend sehr starken Auftragseingänge in der Sparte Grid Technologies sowie die ebenfalls sehr starken Auftragseingänge und die besser als erwartet ausgefallene Marge in der Sparte Gas Services. Auch der freie Barmittelfluss (Cashflow) sei im ersten Quartal stark gewesen. Zwar sei er leicht negativ ausgefallen, liege aber trotz der Schwäche bei Gamesa auf Vorjahresniveau.

Für das Gesamtgeschäftsjahr 2022/23 erwarte Siemens Energy trotz der Gamesa-Probleme sogar nun einen positiven freien Cashflow vor Steuern, da nach dem Auftragserfolg von einer besseren Entwicklung des Betriebskapitals ausgegangen werde, hob zudem Citigroup-Analyst Vivek Midha hervor. Zugleich habe sich mit den schwachen Zahlen von Gamesa die Wahrscheinlichkeit einer größeren Kapitalerhöhung als gedacht zur Finanzierung der Übernahme der restlichen Gamesa-Aktien weiter verringert.

Bernstein belässt Siemens Energy-Rating auf "Underperform"

Das US-Analysehaus Bernstein Research hat die Einstufung für Siemens Energy auf "Underperform" mit einem Kursziel von 14 Euro belassen. Erneut habe die Windkrafttochter Siemens Gamesa eine Gewinnwarnung veröffentlicht, dieses Mal für den Bereich Business Services, schrieb Analyst Nicholas Green in einer am Freitag vorliegenden Studie. Green sprach von einem "großen finanziellen Schlag" und wundert sich, dass Siemens Energy "seltsamerweise seine Prognose für den freien Barmittelzufluss" im angelaufenen Geschäftsjahr angehoben habe.

ZAMUDIO/MÜNCHEN (dpa-AFX)

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Bildquellen: Siemens Energy AG

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