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Immobilienexperte Klaus Hirt: "Wir müssen das Bauen wieder attraktiv gestalten"

15.11.24 09:00 Uhr

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Immobilienexperte Klaus Hirt: "Wir müssen das Bauen wieder attraktiv gestalten" | finanzen.net

Klaus Hirt ist Partner beim auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE. Vom Frankfurter Standort aus betreut er regionale, nationale und auch internationale Kunden rund um Immobilien, Portfolien, Quartiere und Organisationen. Er startete im Unternehmen im Jahr 2007 nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Darmstadt.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage am Immobilienmarkt ein?

Die Situation am Immobilienmarkt zeigt sich nach wie vor angespannt. Zwar steigen die Zinsen nicht weiter, es ist sogar ein Hauch von Optimismus spürbar, doch ein nennenswerter Effekt auf die Marktdaten bleibt bisher aus. Verkäufer sind in vielen Fällen noch nicht bereit, die von Kaufinteressenten aufgerufenen Preise zu akzeptieren, die teilweise auch unter den Buchwerten liegen. Unsere Kunden besichtigen zwar viele Objekte, kaufen aber wenig. Auch das Neubauvolumen ist niedrig, es werden derzeit kaum neue Projekte angestoßen. Viele Akteure sind also in Lauerstellung und warten weiter ab, wie sich der Markt entwickelt.

Wie haben sich die Immobilienpreise zuletzt entwickelt?

Büroimmobilien stehen nach wie vor unter Druck. Viele Unternehmen, darunter große Konzerne, reagieren auf den Trend zur Remote-Arbeit und reduzieren ihre Flächen, um Kosten zu sparen. Steigende Leerstände und sinkende Immobilienwerte sind vielerorts die Folge. Eine schwache Konjunktur und hohe Baukosten verstärken die Entwicklung. Beim Wohnraum bleibt die Nachfrage ungebrochen hoch, während der Neubau zurückgeht, weswegen wir hier absehbar wieder von steigenden Preisen ausgehen.

Es gab in den vergangenen Monaten diverse Insolvenzen bei Projektentwicklern. Wie bewerten Sie das? Ist das ein Problem für die Branche oder eher eine Art Marktbereinigung?

Sicher handelt es sich bei einigen Insolvenzen um Marktkorrekturen und es trennt sich die Spreu vom Weizen. Solides Unternehmertum setzt sich immer durch, zu riskante Geschäftsmodelle wurden knallhart abgestraft. Schmerzhaft getroffen hat es aber auch renommierte, im Kern eigentlich gesunde Familienunternehmen, die leider nicht mehr in der Lage waren, ihre Finanzierungen zu bedienen.

Wie sehen Lösungen für die Branche aus?

Sicher ist ein günstiges Finanzierungsumfeld eine wichtige Rahmenbedingung, sie darf aber eben nicht die einzig ausschlaggebende sein. Als Branche müssen wir uns insgesamt kritischer hinterfragen. Es muss uns viel besser gelingen, ein negatives Finanzierungsumfeld abzufedern, die Geschäftsfelder besser zu diversifizieren und vor allem auch hochqualifizierte Arbeitskräfte in der Branche zu halten. Für Projektentwickler ist beispielsweise ein Plan B, sich auch zum Asset Manager weiterzuentwickeln oder sich auf die Revitalisierung von Bestandsobjekten zu spezialisieren. Vielen fehlt dafür aber derzeit schlicht das notwendige Know-How. Wir müssen das Bauen insgesamt wieder attraktiv gestalten. Mit etwa 20 Prozent ist der Anteil der Bau- und Immobilienbranche am gesamten Bruttoinlandsprodukt in Deutschland signifikant. Ein zu geringeres Bauvolumen ist nicht nur für die Branche an sich ein Problem, sondern für den gesamten Standort.

Welche politischen Weichenstellungen sind notwendig?

Ein Dickicht an Bauvorschriften und Genehmigungsprozessen ist oft mehr hinderlich als hilfreich und lässt wenig Freiraum für innovative Ansätze beim bezahlbaren und klimafreundlichen Bauen. Ob Wanddicke, Steckdosenanzahl oder Handlaufhöhe - diese und zahlreiche weitere Aspekte sind in Deutschland minutiös geregelt. Aktuell existieren rund 20.000 baurelevante Normen, 16 Landesbauordnungen und ebenso viele Landesbauämter, ergänzt durch zahlreiche kommunale Behörden, die über Bauvorhaben entscheiden. Aktuell stellen Ausnahmegenehmigungen für neue, klimaschonende Konstruktionen noch einen zeitaufwendigen Prozess dar. Das birgt Risiken und kostet in der Regel Zeit und Geld. Regularien müssen gelockert und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Viele halten dabei den Ansatz des Gebäudetyps E für einen Befreiungsschlag für innovatives, vor allem zügiges Bauen. Wie bewerten Sie das?

Sehr positiv. Die Bundesregierung hat ja bereits einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Bauvertragsrechts erarbeitet, um den Gebäudetyp E zu fördern. Er soll 2025 in Kraft treten. Im Kern geht es darum, auf unnötige Baunormen zu verzichten, ohne mit Klagen rechnen zu müssen. Der Buchstabe E steht für einfach, effizient und experimentell. Projekte, die nach Gebäudetyp E gebaut werden, sollen künftig von unnötigen Normen und Standards abweichen dürfen. Gleichzeitig halten sie aber die wesentlichen Schutzziele wie Standsicherheit, Brandschutz und Umweltschutz kompromisslos ein. So können weniger relevante Anforderungen in den Hintergrund und schnelle Genehmigungsverfahren in den Vordergrund treten. Erfolgreiche Innovationen aus dem Gebäudetyp E könnten schnell in den Standard überführt werden.

Beschleunigt das den Wohnungsbau?

Den Gebäudetyp E einzuführen, könnte insbesondere auch den sozialen Wohnungsbau voranbringen, indem er bürokratische Hürden abbaut und den Bauprozess beschleunigt. Derzeit sind angesichts gestiegener Baupreise, höherer Anforderungen an Nachhaltigkeit und steigender Finanzierungskosten die geforderten Maximalmieten kaum umsetzbar. Um dennoch bezahlbaren Wohnraum trotz der schwierigen Marktbedingungen zu schaffen, ist zudem eine starke Förderung unerlässlich.

Bildquellen: Drees & Sommer