Wirecard-Aktie in Rot: Gläubiger wollen knapp 12,5 Milliarden Euro von Wirecard - Aussagen von Ex-Wirecard-Chef zu politischen Kontakten erwartet
Die Wirecard-Gläubiger erheben gegen die Kerngesellschaft des insolventen Zahlungsabwicklers Forderungen in einer Höhe von knapp 12,5 Milliarden Euro.
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Diese seien bei der Gläubigerversammlung über das Vermögen der in einem Bilanzskandal zusammengebrochenen Wirecard AG am Mittwoch im Münchener Löwenbräukeller geltend gemacht worden, teilte das Amtsgericht München mit. Weitere Ansprüche bestehen aber auch gegen andere Wirecard-Gesellschaften. Für diese sind am Mittwoch und Donnerstag ebenfalls Treffen der Gläubiger angesetzt.
Allein die Fondsgesellschaft DWS macht im Insolvenzverfahren nach eigenen Angaben Ansprüche von mehr als 600 Millionen Euro geltend. Die Gläubiger dürften allerdings nur einen Bruchteil ihrer Forderungen wiedersehen.
Insolvenzverwalter Michael Jaffe berichtete auf der Versammlung über den bisherigen Verlauf des Verfahrens, das Ende August eröffnet worden war. Die Versammlung muss innerhalb von drei Monaten nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Einige Auslandstöchter hat Jaffe bereits zugunsten der Gläubiger verkauft. Zuletzt schlug er das europäische Kerngeschäft los, den Zuschlag erhielt die spanische Bank Santander.
Die Wirecard-Aktie verliert am Mittwoch im XETRA-Handel zeitweise 6,88 Prozent auf 0,5831 Euro.
Aussagen von Ex-Wirecard-Chef zu politischen Kontakten erwartet
Ex-Wirecard-Chef Markus Braun wird der FDP zufolge am Donnerstag vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zumindest teilweise zum Bilanzbetrug bei dem Zahlungsabwickler aussagen.
Sein Anwalt habe angekündigt, er werde sich zu Kontakten zur Politik und den Behörden äußern, sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar am Mittwoch. "Dazu ist er auch verpflichtet. Meines Erachtens hat er da keine Wahl." Zu den konkreten Vorwürfen der Münchner Staatsanwaltschaft werde er sich dagegen wohl nicht äußern. Vor dem Ausschuss werden demnächst auch Wirtschaftsprüfer ohne Auflagen aussagen können. Der frühere Dax-Konzern ist nach dem milliardenschweren Bilanzskandal in die Pleite geschlittert. Gläubiger machen in der Folge gegen die Wirecard AG Forderungen von mehr als zwölf Milliarden Euro geltend.
Der Untersuchungsausschuss soll Versäumnisse der Regierung und ihrer Behörden im Fall Wirecard aufzeigen. Deswegen ist die Kommunikation Brauns und des Konzerns mit der Politik und der Finanzaufsicht relevant. Notfalls werde der Ausschuss auch Zwangsmittel einsetzen, um Aussagen Brauns zu diesen Bereichen zu bekommen, sagte Toncar.
Hilfe bei der Aufklärung erhofft sich der Ausschuss auch von Wirtschaftsprüfern. Experten der Gesellschaften Ernst & Young (EY) sowie KPMG dürfen nun ohne Auflagen vor dem Gremium aussagen. Insolvenzverwalter Michael Jaffe entband fünf namentlich genannte Vertreter der Beratungsunternehmen von ihrer Verschwiegenheitspflicht, wie aus einem Reuters vorliegenden Schreiben hervorging. SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe begrüßte dies: "Insbesondere EY muss darlegen, warum sie 1,9 Milliarden Euro nicht existierendes Cash bestätigt haben. Das große Schweigen muss jetzt enden." Braun, der momentan in Augsburg in Untersuchungshaft sitzt, muss persönlich in Berlin vor dem Bundestags-Sondergremium erscheinen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte am Dienstag den Antrag seiner Anwälte abgewiesen, nur per Videoübertragung auszusagen. Zwei weitere Zeugen - der einstige Chef-Buchhalter Stephan von Erffa sowie der früher für die Dubai-Tochter zuständige Oliver Bellenhaus - werden dagegen Toncar zufolge per Video zugeschaltet. Sie würden am Donnerstag weitgehend von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Sie hätten aber zugesagt, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal umfangreicher auszusagen.
"MILITÄRISCH-KAMERADSCHAFTLICHER KORPSGEIST"
Braun prägte Wirecard 18 Jahre lang. Nach der Aufdeckung eines 1,9 Milliarden Euro großen Bilanzlochs trat er im Juni zurück. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und weiteren Wirecard-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Wirecard soll sich jahrelang mit systematischen Luftbuchungen schöngerechnet und damit Anlegern und Banken Milliardenschäden zugefügt haben. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt hatte Braun das damalige Dax-Unternehmen als Opfer eines großangelegten Betrugs bezeichnet.
Die Staatsanwaltschaft sieht ihn dagegen als zentrale Figur in dem Fall. "Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen fungierte Dr. Braun innerhalb der Bande als Kontroll- und Steuerungsinstanz", heißt es in einer E-Mail der Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl an den U-Ausschuss. Das Schreiben liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor. Das streng hierarchische System bei dem Zahlungsabwickler sei geprägt gewesen von einem militärisch-kameradschaftlichem Korpsgeist sowie Treueschwüren untereinander. "Braun gab strategische Weisungen und konkrete Geschäftsaktionen vor."
Gegen die Wirecard AG machten Gläubiger bei ihrer ersten Versammlung im München Forderungen von knapp 12,5 Milliarden Euro geltend. Ansprüche bestehen zudem gegen weitere Wirecard-Gesellschaften.
Wirecard-Wirtschaftsprüfer von Verschwiegenheitspflicht entbunden
Vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss können die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young wie auch von KPMG ohne Auflagen aussagen.
Insolvenzverwalter Michael Jaffe entband fünf namentlich genannte Vertreter der Beratungsunternehmen von ihrer Verschwiegenheitspflicht, wie aus einem Reuters am Mittwoch vorliegenden Schreiben an den Bundestagsausschuss hervorgeht. Der inhaftierte Ex-Wirecard-Chef Markus Braun, der am Donnerstag persönlich vor dem Ausschuss aussagen soll, unterliege keiner Verschwiegenheitspflicht. SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe begrüßte dies. Die Wirtschaftsprüfer müssten zur Aufklärung des Skandals beitragen, sagte Kiziltepe zu Reuters: "Insbesondere EY muss darlegen, warum sie 1,9 Milliarden Euro nicht existierendes Cash bestätigt haben. Das große Schweigen muss jetzt enden."
Braun war im Juni zurückgetreten, nachdem ein 1,9 Milliarden großes Loch in der Bilanz aufgedeckt worden war. Der Konzern rutschte in die Pleite. Die Staatsanwaltschaft München wirft Braun und weiteren Wirecard-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor.
Düsseldorf (Reuters)
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Bildquellen: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images
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