WAHL 2025/ROUNDUP/SPD: Merz bricht Absprache zum Umgang mit AfD

28.01.25 06:34 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Im Ringen um die Migrationspolitik und den Umgang mit der AfD wirft die SPD Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) den Bruch einer Absprache vor. "Wir hatten nach dem Ende der Ampel-Koalition vereinbart, dass es keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD geben soll. Jetzt ist ihm das wieder egal", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag). Anlass ist Merz' Ankündigung, im Bundestag in dieser Woche Anträge für eine scharfe Migrationspolitik einzubringen - ohne Rücksicht darauf, ob womöglich auch die AfD zustimmt.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf der Union vor, mit der Forderung nach Zurückweisung aller Menschen ohne Einreiseerlaubnis einschließlich Asylsuchender "die faktische Abschaffung" des Grundrechts auf Asyl vorzuschlagen. "Das ist verfassungswidrig und lässt sich auch nicht einfach per Dekret verfügen", sagte er der "Saarbrücker Zeitung" (Dienstag).

Taktik der SPD: Drängen auf Zustimmung zu eigenen Vorhaben

Mützenich rief Merz auf, noch in dieser Woche vorliegenden Regierungsentwürfen zu einer Mehrheit im Bundestag zu verhelfen, die sofort Verbesserungen bringen könnten. Konkret geht es um:

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* die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) - SPD und Grüne bräuchten für eine Mehrheit die Union. Vorgesehen ist etwa, dass über einen wesentlichen Teil der Asylanträge bereits an den EU-Außengrenzen entschieden wird. In Deutschland könnten die Verfahren direkt an den Flughäfen abgewickelt werden.

* Auch ein Sicherheitspaket mit mehr Befugnissen für das BKA und

* ein Reformpaket für die Bundespolizei mit einer Ausweitung der Kompetenzen könnten laut Mützenich noch diese Woche beschlossen werden.

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"Damit können wir in dieser Woche ein deutliches Zeichen setzen. Und ich fordere alle demokratischen Fraktionen auf, einen europarechtskonformen Weg einzuschlagen", sagte Mützenich.

Taktik der SPD, Teil 2: Thematisieren des AfD-Votums

Die SPD-Ministerpräsidenten rufen ihre Kollegen in den übrigen Ländern zu einer klaren Abgrenzung von der AfD auf. "Die Brandmauer zwischen demokratischen und undemokratischen Parteien darf nicht ins Wanken geraten", schreiben die sieben Länderchefinnen und -chefs in einem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Auf kommunaler Ebene sei das leider längst passiert. "Weder auf Landes- noch auf Bundesebene darf sich diese Entwicklung fortsetzen", fordern die SPD-Politiker.

Taktik der Union: Drängen auf Zustimmung zu eigenen Vorhaben

Die Union drängt ihrerseits SPD und Grüne, ihren Anträgen zuzustimmen - dann wäre auch das Abstimmungsverhalten der AfD irrelevant. Ihr Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) erinnerte an die jüngsten Tötungsfälle, bei denen Ausländer unter Tatverdacht stehen. "Nach Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg ist für uns klar, dass die Grenze des Zumutbaren längst überschritten ist", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Kompromisse sind nicht länger tragbar. Jetzt liegt es an der SPD, klar Stellung zu beziehen."

Die Fraktionsvizevorsitzende Andrea Lindholz (CSU) rief SPD und Grüne auf, sich mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen - statt sich auf eine mögliche Zustimmung der AfD zu fokussieren. "Die Brandmauer-Debatte ist ein reines Ablenkungsmanöver", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Die Union hat sich in den letzten Jahren Vorhaben von übergeordneter Bedeutung nicht verschlossen." Auch die SPD habe einst der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten - von März 2016 bis Juli 2018 - zugestimmt.

Was sind ihre Punkte?

Die Union fordert in ihren Anträgen:

* dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche einer illegalen Einreise - unabhängig von einem Asylgesuch

* Abschiebehaft für nachvollziehbar ausreisepflichtige Personen

* mehr Unterstützung für die Bundesländer beim Vollzug der Ausreisepflicht

* ein schärferes Aufenthaltsrecht für Straftäter und sogenannte Gefährder

* nationales Recht vorrangig anzuwenden, wenn EU-Regelungen nicht funktionierten - wie es für "außergewöhnliche Notlagen" vorgesehen ist

Außerdem will die Union eine Bundestagsabstimmung über das von ihr bereits eingebrachte sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz erreichen, was aber schwer durchzusetzen sein dürfte.

Sind Kompromisse möglich?

Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul schlug kooperative Töne an. In der Sonder-Innenministerkonferenz vom Montag seien sich Unions- und SPD-Länder einig gewesen, dass es einer Begrenzung der Migration bedürfe - nur nicht über die konkreten Methoden, sagte er dem ZDF-"Heute Journal update" und warb dafür, "dass die bürgerlichen Kräfte zeigen, sie können es, und dass wir damit beweisen, die AfD brauchen wir nicht". "Über die Details" müsse man sich unterhalten. Aber: "Bis Mittwoch ist ja noch ein bisschen Zeit."

Was der Anlass der Debatte war

Ausgangspunkt war die Messerattacke von Aschaffenburg. Dort hatte am Mittwoch ein ausreisepflichtiger Afghane mit möglicherweise psychischer Beeinträchtigung einen zweijährigen Jungen und einen eingreifenden Mann erstochen und zwei weitere Menschen verletzt. Der Tat ging eine Reihe anderer Attacken voraus, bei denen ebenfalls Ausländer unter Tatverdacht stehen. Danach preschte Merz vor. Im laufenden Bundestagswahlkampf wird die Debatte nun mit besonderer Härte geführt./and/DP/zb