Milliarden verbrannt

Facebook-Aktie bricht zweistellig ein - Facebook enttäuscht beim Umsatz

26.07.18 22:28 Uhr

Facebook-Aktie bricht zweistellig ein - Facebook enttäuscht beim Umsatz | finanzen.net

Facebook hat am Mittwochabend seine Zahlen für das abgelaufene Quartal präsentiert.

Facebook ist doch verwundbar, wie die EU-Datenschutzverordnung und der Skandal um Cambridge Analytica demonstriert haben. In Europa ging die Zahl der täglich und monatlich aktiven Nutzer nach Greifen der neuen Datenschutz-Regeln zurück. Nachdem Facebook im vergangenen Quartal die Analysten-Erwartungen auch beim Umsatz verpasste und die Führungsriege nur eine sehr vorsichtige Prognose abgab, stürzte die Aktie um rund ein Fünftel ab. Damit sank der Börsenwert von Facebook innerhalb weniger Stunden um rund 120 Milliarden Dollar (103 Mrd Euro). Das ist etwas mehr als das im US-Leitindex Dow Jones Industrial gelistete Computer-Urgestein IBM derzeit an der Börse wert ist.

Durch die Massenflucht der Facebook-Anleger schmilzt das Vermögen von Konzernchef Mark Zuckerberg um fast 16 Milliarden Dollar.

Zum Handelsende verloren die Papiere 18,96 Prozent auf 176,26 US-Dollar.

Das kann zunächst einmal als Überreaktion wirken - denn Facebook ist weiterhin eine Geldmaschine. Der Quartalsumsatz stieg dank des boomenden Geschäfts mit Online-Werbung im Jahresvergleich um 42 Prozent auf 13,23 Milliarden Dollar (11,31 Mrd Euro). Der Gewinn wuchs um 31 Prozent auf 5,1 Milliarden Dollar. Die Aktie war bisher auf Rekordjagd und hatte erst vor der Präsentation der Quartalszahlen den nächsten Höchststand markiert.

Facebook betonte, dass die europäische Datenschutz-Grundverordnung zumindest bisher den Umsatz nicht beeinträchtigt habe. Zugleich fiel die Zahl mindestens einmal im Monat aktiver Nutzer in Europa aber von 377 auf 376 Millionen. Bei den täglich zurückkehrenden Mitgliedern gab es sogar einen Rückgang von 282 auf 279 Millionen. Facebook-Manager gaben keine Prognose dazu ab, wie sich diese Zahlen entwickeln werden. Firmenchef Mark Zuckerberg sagte zugleich, es sei ermutigend, dass die große Mehrheit der Nutzer in Europa der weiteren Datenauswertung für personalisierte Werbung zugestimmt habe.

Insgesamt legte die Zahl monatlich aktiver Facebook-Nutzer weltweit von knapp 2,2 auf 2,234 Milliarden zu. Das Wachstum verlangsamte sich damit. In dieser Situation führte der Konzern eine neue Rechenart ein. Auf mindestens eine App aus dem Facebook-Konzern - dazu gehören unter anderem auch die Fotoplattform Instagram und der Chatdienst WhatsApp - griffen im Juni rund 2,5 Milliarden Nutzer zu, hieß es.

Bei den Anlegern kamen die Nutzerzahlen schlecht an, weil die Reichweite entscheidend für Facebooks Werbegeschäft ist. Starke Zweifel am Facebook-Geschäft hatten sie zuletzt beim Börsengang im Jahr 2012 als es schien, dass Facebok das Geschäft auf Smartphones verpassen könnte. Doch das Online-Netzwerk fand schnell einen Weg, Anzeigen auch auf dem Handy in den Newsfeed der Nutzer zu integrieren - sogar noch erfolgreicher als ursprünglich auf dem PC.

Inwieweit der beispiellose Sturm der Kritik nach dem Datenskandal um Cambridge Analytica ebenfalls das Wachstum gebremst haben könnte, blieb unklar. Im wirtschaftlich wichtigsten Heimatmarkt gibt es schon seit mehreren Quartalen keinen Zuwachs der Mitgliederzahlen. Dabei machte Facebook in Nordamerika im vergangenen Quartal mehr als 25 Dollar Umsatz pro Nutzer. In Europa waren es nur 8,6 Dollar.

Facebook selbst hatte zuvor gewarnt, dass die Zahl der monatlich und täglich aktiven Nutzer in Europa im zweiten Quartal voraussichtlich stagnieren oder leicht zurückgehen werde. Auslöser sei die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU, die ab dem 25. Mai befolgt werden muss.

Es war auch das erste komplette Quartal seit dem Ausbruch des Datenskandals um Cambridge Analytica Mitte März. Das Online-Netzwerk war unter massive Kritik geraten, weil einst Daten von Millionen Nutzern an die Datenanalyse-Firma abgeflossen waren. Zugleich hatte Facebook bisher erklärt, dass die Kontroverse die Nutzung nicht beeinträchtigt habe.

"Insgesamt ist es ein entscheidendes Jahr für Facebook", sagte Zuckerberg. Das Online-Netzwerk kommt nicht aus Stürmen der Kritik heraus. Erst ging es um die Rolle von Facebook im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016, in dem soziale Medien für mutmaßlich von Russland aus geführte Propaganda-Kampagnen und die Verbreitung gefälschter Nachrichten benutzt wurden. Facebook reagierte unter anderem damit, dass der Newsfeed der Nutzer stärker auf Beiträge von Freunden und Familie ausgerichtet wurde. Mögliche negative Auswirkungen auf das Geschäft nehme Facebook mit Blick auf eine positivere Zukunft in Kauf, hieß es damals.

Unterdessen hat der US-Konzern weiter Probleme in China. Nachdem das im Reich der Mitte von der Zensur blockierte soziale Netzwerk in der ostchinesischen Stadt Hangzhou eine Firma für eine Innovationsplattform gegründet hatte, wurde die Zulassung einfach wieder entzogen. Die Entscheidung habe die Cyber-Verwaltung in Peking gefällt, berichtete die "New York Times" am Donnerstag unter Berufung auf eine Person, die mit dem Fall vertraut sei.

Es habe Differenzen zwischen der nationalen Internetaufsicht und den lokalen Stellen in der Provinz Zhejiang gegeben, wo Hangzhou liegt. Die zentrale Cyber-Verwaltung sei "verärgert" gewesen, weil sie nicht genügend einbezogen worden sei. Die Wende bedeute nicht zwingend das Ende der Chancen für Facebook, ein Unternehmen in China zu gründen, aber mache einen Erfolg weniger wahrscheinlich, wurde die Person zitiert, die nicht namentlich genannt werden wollte.

Analysten senkten in Reaktion auf die Zahlen reihenweise ihre Kursziele für Facebook oder stuften die Papiere sogar ab. So betonte Heather Bellini von der US-Investmentbank Goldman Sachs, dass Facebook erstmals seit dem Börsengang die Gewinnerwartungen verfehlt habe. Das Werbegeschäft sei deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Analyst Lloyd Walmsley von der Deutschen Bank ergänzte, die schwächere Wachstumsprognose des Online-Netzwerkes habe beträchtliche Unsicherheiten losgetreten. Die Papiere könnten dementsprechend in naher Zukunft erst einmal auf ihrem nun reduzierten Niveau stagnieren.

Andere Experten blickten aber schon optimistisch in die Zukunft. Schließlich habe Facebook die Wachstumsprognose für 2018 nicht nur wegen der negativen Währungseffekte gekürzt, schrieb Analyst Brian Nowak von der US-Investmentbank Morgan Stanley. Vielmehr investiere das Unternehmen auch in die Zukunft, um das neue Feature "Stories" zur Erstellung von Bilder- und Videosammlungen zu bewerben.

Und laut Analyst Christian Koch von der DZ Bank habe Facebook seine Prognosen in der Vergangenheit in der Regel immer übertroffen. Für die Entwicklung der Profitabilität sei nun unter anderem von zentraler Bedeutung, dass das Unternehmen die "Stories" und die Videoplattform in bares Geld ummünzen könne. Angesichts des aktuellen Kursrückschlags sowie der hohen Nettoliquidität und der auch in Zukunft hohen Wachstumsraten empfehle er die Aktien weiter zum Kauf.

Mit Blick auf die Kursentwicklung seit dem Börsenstart von Facebook im Mai 2012 erscheint der Kurssturz an diesem Dienstag gleichwohl eher wie ein Ausrutscher. Schließlich haben sich die Anteilscheine seit ihrem Tief bei 17,55 Dollar im September 2012 innerhalb von rund fünf Jahren verzehnfacht. Ihr Rekordhoch erreichten sie am Mittwoch bei 218,62 Dollar.

/so/lw/DP/zb

MENLO PARK (dpa-AFX) / Dow Jones Newswires / Reuters

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