Börsen-Crash? Ex-Top-Diplomat sieht "gefährlichsten Moment seit Zweitem Weltkrieg"
Bislang nahmen die Investoren die zahlreichen Konfliktherde - allen voran jene im Nahen Osten - recht gelassen zur Kenntnis. Der ehemalige US-Top-Diplomat Richard Haass warnt allerdings vor allzu großem Stoizismus - er sieht in der aktuellen Situation ein gewaltiges Pulverfass.
• Ex-Diplomat Haass sieht große Risiken bei US-Wahlen
• Haass warnt Anleger: "Sicherheitsgurt geschlossen lassen"
• Anleger sollten sich vor Comeback von Donald Trump fürchten
Die Euphorie an den Aktienmärkten ist verflogen, die internationalen Börsenindizes haben ihre Rekordjagd vorerst beendet: DAX, Dow Jones, S&P 500 und Co. notieren mittlerweile wieder ein paar Prozentpunkte unter ihren jeweiligen Allzeithochs. Ebenfalls deuten Marktindikatoren auf eine abnehmende Risikolaune der Anleger hin.
Neben höher als erwartet ausgefallenen US-Inflationsdaten, welche die Hoffnungen auf Zinssenkungen vonseiten der Fed reduzierten, ist es auch die angespannte geopolitische Situation, die Anleger Sorgen bereitet. Allerdings fiel die Kursreaktion summa summarum noch recht gemäßigt aus. Das könnte sich aber bald ändern, meint US-Top-Diplomat Richard Haass. Der Experte für internationale Beziehungen sieht derzeit aber die größte Gefahr in den USA selbst.
Haass rät Anlegern zu "Sicherheitsgurt"
Haass ermahnte Anleger angesichts der für den 5. November terminierten US-Präsidentschaftswahlen zur Vorsicht. "Sie müssen einen Sicherheitsgurt haben und ihn geschlossen halten", warnte Haass in einem Interview mit Bloomberg TV. Haass sieht besonders viele "hausgemachte" Probleme für die USA. So würden sowohl Demokraten als auch Republikaner darum wetteifern, wie protektionistisch sie in Bezug auf China sein können, was inflationäre Folgen haben könnte. Ebenfalls versuchten US-Politiker auch, die Grenze zwischen den USA und Mexiko zu verschärfen, was ebenfalls zur Inflation beitragen könnte, da dadurch das Angebot an Arbeitskräften eingeschränkt werde.
Der ehemalige US-Top-Diplomat sei auch besorgt über die Zeit zwischen den US-Wahlen und der Amtseinführung des Präsidenten, vor allem, wenn es einen weiteren heftigen Wahlkampf gegeben habe, der zu politischer Gewalt führt. "Viele Menschen auf der Welt könnten verunsichert werden. Viele Feinde [der USA, Anm. d. Red.] auf der ganzen Welt könnten dies als eine Gelegenheit sehen", warnte Haass.
Trump als Präsident: Interner Konflikt in der NATO?
Eine besonders große Gefahr, so Haass, liege in einem Comeback von Donald Trump in das Weiße Haus. Die Funktionsfähigkeit der US-Regierung sei dann fragliche. Sollte der ehemalige Präsident Donald Trump wiedergewählt werden, stelle sich Haass zufolge eine zentrale Frage: Wird der 77-Jährige versuchen, zentrale Komponenten der globalen Ordnung zu demontieren, die die Interessen der USA seit über sieben Jahrzehnten geschützt haben? Besonders feindselig hatte sich Trump kürzlich gegenüber NATO-Mitgliedern geäußert, die seiner Meinung nach nicht genug Geld für den Militärbereich ausgeben würden. Im Februar sagte er, er würde Russland ermutigen, mit Verbündeten, die "säumig" seien, "zu tun, was immer sie wollen". Einige Tage später legte er noch einen drauf und sagte: "Wenn sie nicht zahlen, werden wir sie nicht schützen."
"Gefährlichster Moment seit Ende des Zweiten Weltkrieges"
All diese Risiken im Vorfeld des US-Wahlkampfes dürften Investoren nicht ignorieren. "Wenn Sie also ein Investor sind, gibt es eine gewisse Unsicherheit, diese Kombination von Geopolitik in der Welt vor dem Hintergrund eines Amerikas, das sich seiner Rolle nicht mehr sicher oder einig ist", so Haass. "Ich würde sagen, dass dies der gefährlichste Moment ist, nicht nur seit dem Ende des Kalten Krieges, sondern in vielerlei Hinsicht seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges," lautete seine unheilvolle Einordnung der gegenwärtigen Lage.
Haass sieht trotz der schwelenden Kriege im Nahen Osten und der Ukraine zwar auch positive Entwicklungen, wie die verstärkte Partnerschaft zwischen den USA und Japan, die verbesserten Beziehungen zwischen Japan und Südkorea, den wirtschaftlichen Aufschwung Indiens und die Solidarität des Westens bei der Unterstützung der Ukraine gegenüber Russland. Allerdings könnten gravierende Turbulenzen in der US-Politik diese erfreulichen Entwicklungen unterminieren, was "Corporate America" schaden würde. "Die Rechtsstaatlichkeit hier zu Hause, eine stabile Welt - das ist der Kontext für alles, was die amerikanische Wirtschaft tut", sagte Haass und wies darauf hin, dass CEOs eine demokratiefreundliche Politik im Inland und eine "pro-internationale" Politik im Ausland unterstützen sollten. Das sei auch im Interesse der Aktionäre.
Redaktion finanzen.net
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