Alibaba greift europäischen E-Commerce-Markt an - Amazon in einer Region bereits verdrängt
Amazon gilt als der Versandhändler schlechthin. Nun will sich auch der chinesische Konkurrent Alibaba auf dem umkämpften europäischen Markt breitmachen. In einer Region liegt der Tech-Gigant sogar bereits vor Amazon.
Werte in diesem Artikel
• Alibaba unter drei größten Online-Händlern in Osteuropa
• Europäischer Markt Ziel von Expansion
• Shopping-Event soll europäische Kunden anlocken
Alibaba liegt in Osteuropa vor Amazon
Der US-amerikanische Versandhändler Amazon ist der mit Abstand größte Online-Shop in Westeuropa, wie aus einer Analyse des Marktforschungsunternehmens Euromonitor International hervorgeht. Im Untersuchungszeitraum konnte sich das Unternehmen den ersten Platz aufgrund seines Engagements in den Bereichen technologische Entwicklung, Logistik und Kundenbindung sichern, so die Studie. Bemerkenswert sei außerdem, dass der Löwenanteil des Umsatzes aus Verkäufen von Drittanbietern stammt, die über den Webshop abgewickelt werden und an denen Amazon mitverdient. Deutlich differenzierter ist das Bild jedoch in Osteuropa, wie "CNBC" berichtet. So befindet sich der chinesische Händler Alibaba unter den drei größten Online-Händlern in der Region, die unter anderem Polen und die Tschechische Republik umfasst. 2019 belegte Alibaba hier sogar den ersten Platz, wurde im vergangenen Jahr aber durch den polnischen Versandhändler Allegro und dem russischen Mitbewerber Wildberries abgelöst. Amazon habe es auf dem osteuropäischen Markt derweil nicht in die Top 10 geschafft.
Expansionspläne für Europa
Nun will der chinesische E-Commerce-Gigant aber wieder aufholen, wie das Consumer-Intelligence-Unternehmen NielsenIQ gegenüber dem Sender betont. So habe der Sektor stark von der Pandemie profitieren können, da zahlreiche Geschäfte zur Eindämmung des Virus zeitweise geschlossen waren. "Es ist Zeit für die nächste Stufe des E-Commerce-Wachstums in Europa", schreibt NielsenIQ in einem Bericht. Besonders Produkte mit hoher Warenrotation wie Lebensmittel, Getränke, Hygieneartikel und Haushaltswaren seien im Online-Handel gefragter denn je. In Italien und Spanien habe sich das E-Commerce-Wachstum in diesem Bereich im ersten Quartal des aktuellen Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt.
Fokus auf Märkte in Spanien, Russland und Brasilien
Um in diesem Geschäft weiter Fuß zu fassen, will Alibaba sein Engagement auf dem europäischen Markt nun ausbauen. Konkret soll dafür die E-Commerce-Plattform AliExpress eingesetzt werden, die CNBC zufolge den Kontakt zwischen Händlern aus dem Ausland - meist China - und Kunden herstellt. Auch könnten Unternehmen so direkt bei chinesischen Fabriken einkaufen, ohne den Zwischenschritt eines Vermittlers zu benötigen. Li Dawei, Leiter des Bereichs Beschaffung bei AliExpress, erklärte gegenüber dem Fernsehsender kürzlich, dass Spanien, Russland und Brasilien bei Alibabas Expansionsstragie für AliExpress eine besonders tragende Rolle spielen sollen. Auch Konzerngründer Jack Ma soll im Oktober nach Europa gereist sein, um sich einen Überblick über den wirtschaftlichen und technologischen Stand vor Ort zu verschaffen.
Sortierzentren in Europa und Russland sollen Lieferverzögerungen vorbeugen
Gerade in Zeiten von Amazons Premiumlieferdienst "Prime", der Mitgliedern oftmals eine Lieferung am nächsten Werktag - in einigen deutschen Städten sogar noch im Tagesverlauf - ohne Aufpreis verspricht, sind Lieferzeiten und -gebühren für Verbraucher ein Thema. Besonders zu Beginn der Corona-Krise wurden Lieferungen nicht nur durch ein generelles, erhöhtes Paketaufkommen verzögert, aufgrund von Eindämmungsmaßnahmen wurden teilweise auch logistische Transporte zwischen China und Europa blockiert. Laut CNBC hat AliExpress aber angegeben, zu dieser Zeit weder die Lieferkosten erhöht zu haben, noch gab es Verzögerungen in größeren Umfang. Die meisten Produkte, die der Händler über seinen Webshop verkauft, seien außerdem kleine Konsumgüter, die nicht per Containerschiff das Land wechseln. Stattdessen werden die Lieferungen in Sortierzentren des Logistikunternehmens Cainiao verteilt. Neben einer Niederlassung in Russland gibt es sechs Standorte in Europa.
Kooperation mit lokalen Händlern geplant
Ähnlich wie es Amazon und eBay bereits mit ihren internen Marktplätzen tun, will aber auch AliExpress nicht nur die eigenen Produkte an europäische Kunden verkaufen, sondern auch lokale Händler mit einbeziehen. Wenn die Verkäufer ihre Artikel auf die Plattform von AliExpress bringen, winken ihnen eventuell Subventionen, wie Li gegenüber CNBC betonte. Dennoch sei es bei vielen Unternehmen der Fall, dass sie ihre Produkte nicht nur auf einer Plattform zum Kauf anbieten, sondern mit mehreren Anbietern zusammenarbeiten. Für kleine und mittelgroße Händler, die ihre Produkte auf mehreren externen Online-Shops sowie der eigenen Webseite anbieten, könne AliExpress aber Logistik- und Ladenverwaltungsdienste übernehmen. "Generell denke ich, dass man viel von China lernen kann, wenn es darum geht, wie man über E-Commerce denkt", erklärte Jonathan Cheng, Partner bei Bain & Company laut CNBC. "Wir sind der Meinung, dass China in Bezug auf die Kundenbetreuung, das Marketing, die Effektivität und all das absolut führend ist."
Laut "Benzinga" könnten Alibabas Avancen in Europa aber auch damit zusammenhängen, dass für den Tech-Giganten auf dem Heimatmarkt eine Verlangsamung zu vernehmen ist. So haben sich Verbraucherausgaben in China zuletzt schwächer entwickelt, wie das Portal schreibt.
Große Hoffnungen in Shopping-Event
Besonders zum nahenden Singles' Day, einem Verkaufsevent, das der Konzern in China initiiert hat und das mit dem Black Friday oder Amazons Prime Day vergleichbar ist, will Alibaba den europäischen Markt erobern. Der Aktionstag, der auch als "Double 11" bekannt ist, fällt auf den 11. Tag des 11. Monats - also den 11. November. Für das Shopping-Event will AliExpress seine Lieferungen deutlich aufstocken. So soll die Anzahl der wöchentlichen Charterflüge zwischen dem 11. und 30. November von 80 auf 100 pro Woche erhöht werden, schreibt CNBC. Auch habe man im Vorfeld des Single Days in Paketschließfächer investiert, die Kurieren die Auslieferung vieler Pakete gleichzeitig an die Bewohner eines Viertels ermöglichen sollen. Cainiao erklärte Anfang September, in Madrid und Barcelona 170 und in Paris mehr als 80 Schließfächer installiert zu haben. Bis zum Singles' Day wolle man weltweit insgesamt 5.000 Schließfächer montieren, wobei der Fokus hier auf Russland, Polen, Spanien und Frankreich liege.
"Double 11 wird für viele dieser Unternehmen ein großartiger Weg sein, wenn sie anfangen zu wachsen. Es ist ein großartiger Weg, um Kunden zu gewinnen", so auch Cheng zu Alibabas Bemühungen vor dem Event. "Amazon hat im Grunde genommen etwas ganz Ähnliches gemacht". Dennoch sei es mit raschem Kundenwachstum alleine nicht getan. Stattdessen müssen Unternehmen auch zukünftig daran arbeiten, ihre Kunden zu halten und weitere Gewinne zu erzielen.
Redaktion finanzen.net
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Bildquellen: testing / Shutterstock.com, ChinaFotoPress/ChinaFotoPress via Getty Images
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