Pleite oder Kursrakete? Die Wirecard-Aktie hat Anlegern 2019 keine Freude gemacht - So könnte es 2020 weitergehen
Wohl kaum ein DAX-Unternehmen stand 2019 so sehr unter Beobachtung wie Wirecard. Betrugsvorwürfe und Leerverkäufe setzten die Aktie unter Druck und sorgten für kräftige Ausschläge an der Börse - zum Leid der Anleger meist nach unten. Wird sich die Achterbahnfahrt auch 2020 fortsetzen?
Werte in diesem Artikel
• Anschuldigungen setzten Wirecard 2019 kräftig zu
• Ergebnis der Sonderprüfung ausschlaggebend für weiteren Kursverlauf
• Analysten für Wirecard überwiegend zuversichtlich
Die Aktie des Zahlungsdienstleisters Wirecard hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Während das Papier 2018 mit einem Plus von knapp 43 Prozent noch der Performancesieger im DAX war, konnte es 2019 einen anderen, nicht ganz so positiven Titel einfahren: Mit einer Volatilität von rund 67 Prozent war die Wirecard-Aktie mit großem Abstand der schwankungsreichste Titel im deutschen Leitindex - und damit auch der risikoreichste für eine Investition. Selbst die Papiere der Deutschen Bank, die 2019 ebenfalls eine Achterbahnfahrt hinter sich haben und damit bei den schwankungsreichsten DAX-Werten auf Platz zwei landeten, weisen im Jahresrückblick "nur" eine Volatilität von rund 38 Prozent auf.
Doch die Wirecard-Aktie musste nicht nur starke Ausschläge hinnehmen, sie kam im Jahresverlauf auch kräftig unter die Räder. Verglichen mit dem Kurs vom Jahresstart lag das Minus zuletzt zwar nur noch bei rund elf Prozent. Ausgehend vom Jahreshoch, das am 25. Januar 2019 bei 170,70 Euro markiert wurde, beträgt der Abschlag zum letzten Kurs 2019 allerdings rund 37 Prozent. Da es sich jedoch um die "volatilste DAX-Aktie des Jahres" handelt, ging es zwischenzeitlich natürlich noch tiefer nach unten: Das Jahrestief wurde am 8. Februar 2019 bei 86,00 Euro markiert. Dieser Kurs lag rund 50 Prozent unter dem Jahreshoch, das nur etwa zwei Wochen zuvor erreicht worden war.
Vorwürfe der "Financial Times" und Shortseller setzten Wirecard zu
Ausgelöst wurden sowohl der gewaltige Kursrutsch zu Jahresbeginn als auch die Kursachterbahn im weiteren Verlauf hauptsächlich durch Berichte der "Financial Times", die den Konzern beschuldigte, es sei zu Rechnungsfälschungen und Bilanzierungstricks gekommen. Darüber hinaus wurde die Aktie gleichzeitig von Leerverkäufern attackiert.
Die Wirtschaftszeitung berichtete erstmals Anfang des Jahres 2019 über angebliche Unregelmäßigkeiten und Scheinbuchungen bei einer Singapur-Tochter von Wirecard. Der Aktienkurs des Unternehmens aus Aschheim bei München brach daraufhin um rund die Hälfte ein, obwohl die Singapur-Tochter nur einen kleinen Bruchteil der Wirecard-Bilanz ausmacht und der Zahlungsabwickler systematische Falschbuchungen und Betrug bestritt - was eine externe Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei später bestätigte. Bei Anlegern war jedoch offenbar Skepsis geweckt, denn ähnliche Vorwürfe gegen Wirecard gab es seit 2008 immer wieder. Daneben wurden auch Shortseller aktiv und trieben das Papier weiter in den Keller, so dass die BaFin Leerverkäufe der Wirecard-Aktie zeitweise untersagte. Die Staatsanwaltschaft München leitete zudem Ermittlungen gegen den zuständigen Journalisten der "Financial Times" ein. Dieser soll womöglich "Aktienkaufinteressenten" über den bevorstehenden Bericht informiert und ihnen so einen Vorteil verschafft haben.
Im Oktober legte die "Financial Times" noch einmal nach, berichtete über Scheinbuchungen bei den Wirecard-Töchtern in Dubai und Irland und sorgte damit erneut für einen Kursrutsch. Der DAX-Konzern reagierte und beauftragte die Wirtschaftsprüfer von KPMG mit einer Sonderprüfung der Bilanzen, die jedoch noch bis ins erste Quartal 2020 andauern dürfte. "Wir gehen davon aus, dass die erneute unabhängige Prüfung dazu führt, alle weiteren Spekulationen endgültig zu beenden", zeigte sich Aufsichtsratschef Wulf Matthias optimistisch. Die Ergebnisse sollen nach Abschluss der Prüfung öffentlich gemacht werden.
Doch nicht nur über Konzerntöchter geriet Wirecard 2019 ins Visier der "Financial Times" - auch Geschäftspartner lieferten dem Blatt eine Angriffsfläche. Denn der Zahlungsdienstleister arbeitet mit unzähligen Drittanbietern zusammen, dem er Kunden vermittelt und dafür Provisionen einstreicht. Einem dieser Drittanbieter, dem Wirecard-Partner ConePay, warf die Wirtschaftszeitung im März fragwürdiges Geschäftsgebaren vor. ConePay soll dem Unternehmen aus Aschheim Provisionseinnahmen in Millionenhöhe beschert haben, jedoch soll es Wirecard über Jahre nicht gelungen sein, Gelder von den Konten von ConePay einzuziehen. Die "Financial Times" äußerte aufgrund dieser Schulden daher Zweifel an den tatsächlichen Umsätzen und Gewinnen von Wirecard, die den Geschäften mit solchen Drittanbietern zugeschrieben werden. Der Konzern warf der Zeitung zwar vor, falsch zu zitieren und "Tatsache und Fiktion weiter zu verzerren", die Aktie ging jedoch trotzdem in die Knie.
Und auch aus weiteren Richtungen kam 2019 Gegenwind für den DAX-Konzern. Ende 2019 berichtete auch das "Handelsblatt" über Probleme bei der Singapur-Tochter, da diese für das Jahr 2017 kein eigenes Testat von Wirtschaftsprüfern erhalten habe. Wirecard erklärte dies damit, dass aufgrund der aktuellen Ermittlungen nicht alle benötigten Dokumente für die Prüfer zugänglich waren. Die Aktie reagierte dennoch erneut mit Abgaben.
Daneben sorgte ein Bußgeld in Höhe von 1,52 Millionen Euro, das die BaFin gegen das Unternehmen verhängte, im Herbst für ein kleines Minus. Die Behörde hatte in Zusammenhang mit dem Halbjahresfinanzbericht für das Geschäftsjahr 2018 Formfehler gefunden. Zusammengefasst kann man wohl sagen, dass 2019 nicht das Jahr von Wirecard war. Doch wird es 2020 besser werden?
Werden die Vorwürfe 2020 endlich abgehakt?
Mit Blick auf die vorgebrachten Anschuldigungen und die tatsächlich eingeräumten kleinen Fehler wundert es nicht, dass Experten mehr Transparenz von Wirecard fordern. Harald Schnitzer von der DZ-Bank wünscht sich beispielsweise bessere Rechnungslegungsstandards, durch die mehr Klarheit und Glaubwürdigkeit geschaffen werde. Tatsächlich dürfte es eine der wichtigsten Aufgaben des Unternehmens im Jahr 2020 sein, die teilweise verlorengegangene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen - und dabei werden wohl vor allem die Ergebnisse der Sonderprüfung durch KPMG im Fokus stehen, die gegen Ende des ersten Quartals vorliegen dürften.
Sollten sich die Vorwürfe der "Financial Times" gegen Wirecard in vollem Umfang bestätigen - oder die Prüfung sogar weitere Ungereimtheiten ans Licht bringen - wäre das wohl erneut ein schwerer Schlag für die Wirecard-Aktie. Das Unternehmen zeigt sich jedoch in Bezug auf die Sonderprüfung äußerst zuversichtlich: CEO Markus Braun glaubt, dass durch die Untersuchung das Vertrauen in das Geschäft von Wirecard gestärkt werde und rechnet sich sogar besondere Chancen für den Konzern in 2020 aus. Aufsichtsratschef Wulf Matthias geht zumindest davon aus, dass im Anschluss alle weiteren Spekulationen endgültig beendet sein werden.
Die Experten schließen sich jedoch nicht alle dieser Ansicht an. Die Bayerische Landesbank erwartet laut "Börse online", dass es mit Vorwürfen, Kurseinbruch und Verteidigung durch Wirecard weitergehen wird wie bisher, da noch Zweifel bei den Anlegern bestünden. Auch die Citigroup-Analysten sehen weitere Risiken, da die Behörden in Singapur die Untersuchungen auf die Geschäfte in Asien-Pazifik ausgedehnt hätten. Hingegen geben sich die Experten der DZ-Bank zuversichtlich und sprechen davon, dass die Vorwürfe bislang widerlegt worden seien und Wirecard die Kontrollmechanismen massiv ausgebaut habe. Auch Analyst Mirko Maier von der LBBW stellt laut "Börse online" heraus, dass die Wirtschaftsprüfer von EY, die regulär für die Prüfung der Wirecard-Bilanzen zuständig sind, bereits ein uneingeschränktes Testat geliefert haben, das den Anschuldigen der "Financial Times" entgegenstehe.
Tatsächliches Geschäft dürfte wieder in den Fokus rücken
Wenn das Ergebnis der Sonderprüfung vorliegt und tatsächlich keine schwerwiegenden Verstöße von Wirecard festgestellt werden konnten, dürften Anleger sich 2020 voraussichtlich wieder mehr auf die Geschäftszahlen des Aschheimer Konzerns konzentrieren - und die sehen sehr vielversprechend aus. Bereits 2019 konnte das Unternehmen gute Zahlen vorweisen, die von den Anlegern aber kaum quittiert wurden. So hat Wirecard im dritten Quartal 2019 ein EBITDA in Höhe von 211,1 Millionen Euro erzielt. Das entsprach einem Plus von 42,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Unter dem Strich blieb ein um 57,2 Prozent höherer Gewinn von 149,2 Millionen Euro stehen.
Auch für 2020 ist das Unternehmen zuversichtlich und prognostiziert ein kräftiges Gewinnwachstum. So soll das EBITDA im kommenden Jahr im Bereich zwischen einer Milliarde Euro und 1,12 Milliarden Euro liegen. Verglichen mit den Prognosen für 2019 wäre dies ein Zuwachs von etwa einem Drittel - sofern jeweils das obere Ende der angegebenen Spanne erreicht wird. Da Wirecard aber in der Vergangenheit seine Prognosen im Jahresverlauf immer wieder angehoben hat und CEO Markus Braun auch das Ziel für 2020 als "vorsichtig und konservativ" bezeichnete, ist das wohl nicht unwahrscheinlich.
Tatsächlich erwartet der Wirecard-Chef sogar ein "herausragendes" Jahr 2020, wie er im November via Twitter verkündete. In seinem Tweet gab sich Markus Braun euphorisch: "Mit dem Markteintritt in China und rekordhohen Verkaufserlösen auf allen Kontinenten erwartet Wirecard ein großartiges Weihnachtsgeschäft und ein herausragendes 2020".
With the Chinese market entry and a record sales pipe on all continents, Wirecard is looking forward into a great Christmas season and an outstanding 2020.
- Markus Braun (@_MarkusBraun) 11. November 2019
Vor allem der Markteintritt in China, den das Unternehmen durch eine Übernahme des Zahlungsabwicklers Allscore Payment mit Sitz in Peking geschafft hat, dürfte sich in Zukunft als lukrativ erweisen, denn der chinesische Markt ist riesig und digitale Bezahlmethoden haben sich dort - beispielsweise mit der Alibaba-Tochter Alipay - längst durchgesetzt. Zu der Übernahme von Allscore gesellen sich außerdem noch weitere Kooperationen mit chinesischen Partnern, etwa dem Kreditkartenanbieter Unionpay. Doch auch andernorts hat Wirecard 2019 zahlreiche neue Partnerschaften an Land gezogen und Kunden gewonnen, so übernimmt der Konzern zukünftig etwa einen Teil der Kartenzahlungen in deutschen Aldi-Filialen. Diese Erfolge scheinen 2019 jedoch im Fahrwasser der "Financial Times"-Anschuldigungen größtenteils untergegangen zu sein - zumindest am Aktienmarkt.
Sofern sich keine neuen Skandale anbahnen, dürften Anleger allerdings im kommenden Jahr wieder mehr auf die Geschäftszahlen und Kooperationen blicken, die sich dann auch in der Bilanz niederschlagen werden. Sollte Wirecard dann auch noch im gleichen Tempo neue Kooperationen ankündigen wie 2019, könnte es für die Aktie endlich wieder nach oben gehen. Dieser Meinung sind auch nahezu alle Analysten. Von 20 auf finanzen.net erfassten Analysehäusern, die die Wirecard-Aktie besprechen, geben 14 eine Kaufempfehlung und vier weitere raten dazu, das Papier zu halten. Nur zwei Analysten versehen die Aktie mit einem "Sell"-Rating. Auch die Kursziele der Experten dürften Anlegern einen Grund zur Hoffnung auf ein besseres 2020 liefern, denn diese sehen die Wirecard-Aktie im Schnitt bei 182 Euro und damit rund 50 Prozent über dem aktuellen Kursniveau.
Wirecard als Übernahmekandidat?
Tatsache bleibt jedoch: Trotz beeindruckenden Zahlen, zahlreichen neuen Partnerschaften und bislang größtenteils entkräfteten Vorwürfen hat Wirecard 2019 immens an Börsenwert verloren und ist aktuell noch knapp 15 Milliarden Euro wert. Zum Vergleich: Zu Beginn des Jahres waren es noch gut 21 Milliarden Euro. Die aktuell also vergleichsweise niedrige Bewertung könnte Übernahmeinteressenten auf den Plan rufen.
"Was mich [...] irritiert, ist, dass noch keine der Branchengrößen wie Apple oder Visa versucht hat, Wirecard zu kaufen", wunderte sich daher auch Fondsmanager Armin Zinser bereits im März im Interview mit "Euro am Sonntag". Tatsächlich könnte Wirecard als strategischer Zukauf für beide Konzerne interessant sein - und auch der Preis dürfte für sie wohl kein Problem darstellen. Doch auch direkte Konkurrenten könnten jetzt beim Zahlungsabwickler zugreifen. Das glaubt zumindest Harshita Rawatvon vom Analysehaus Bernstein. Sie nannte in einer Studie aus dem September unter anderem Wirecard als mögliches Übernahmeziel von PayPal, Ant Financial, Global Payments oder anderen Branchenkollegen. Bislang ist zwar noch kein möglicher Käufer in Erscheinung getreten, doch sollte es im kommenden Jahr tatsächlich zu einem Übernahmeversuch kommen, dürfte dies den Aktienkurs des DAX-Unternehmens wieder in die Höhe treiben. Es bleibt also auch 2020 spannend für die Anleger - und für Wirecard.
Redaktion finanzen.net
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