Wirecard-Aktie schießt hoch: Wirecard bestellt Sonderprüfer, um "FT"-Vorwürfe zu entkräften
Der stark in die Kritik geratene Zahlungsdienstleister Wirecard will mit einer Sonderprüfung seiner Bücher verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.
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Das Unternehmen beauftragt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer unabhängigen Untersuchung, wie der DAX-Konzern am Montag in Aschheim bei München mitteilte. Das hätten Vorstand auf Aufsichtsrat beschlossen. Damit sollen Vorwürfe der Wirtschaftszeitung "Financial Times" ("FT") rund um Bilanzierungspraktiken ausgeräumt werden.
Die Untersuchung soll den Angaben zufolge sofort beginnen. KPMG werde zu gegebener Zeit einen Untersuchungsbericht vorlegen und sei allein dem Aufsichtsrat verpflichtet. Die Prüfer hätten uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen auf allen Konzernebenen. Das Ergebnis des Berichts werde veröffentlicht, hieß es.
Investoren hatten angesichts des jüngst wieder stark schwankenden Aktienkurses den Druck auf das Management erhöht und mehr Transparenz gefordert. Ob den Kritikern eine Veröffentlichung von Ergebnissen anstatt des gesamten Berichts reicht, bleibt fraglich. Über das Wochenende hatte es Verwirrung darum gegeben, ob sich das Unternehmen überhaupt zu einer gesonderten Prüfung durchringt.
"Wir haben vollstes Vertrauen in die bisherigen Prüfungshandlungen und deren Ergebnisse", sagte Aufsichtsratschef Wulf Matthias. Regulärer Prüfer der Konzernbilanzen ist EY. Die "FT" hatte in der vergangenen Woche rund um die Rechnungslegung in Dubai betrügerische Luftbuchungen bei Umsatz und Gewinnen nahegelegt. Wirecard wehrt sich gegen die neuen Vorwürfe, die Schlüsse des Blatts aus internen Wirecard-Dokumenten seien falsch, alle bilanzierten Geschäftsbeziehungen seien authentisch.
"Wir gehen davon aus, dass die erneute unabhängige Prüfung dazu führt, alle weiteren Spekulationen endgültig zu beenden", sagte Matthias. Vorstandschef Markus Braun zeigte sich überzeugt, dass durch die Untersuchung das Vertrauen in das Geschäft gestärkt werde.
Seit geraumer Zeit veröffentlicht die "FT" kritische Berichte rund um den deutschen Finanzkonzern, die den Aktienkurs immer wieder belasten. Im Januar und Februar verlor der Aktienkurs in gut einer Woche fast die Hälfte an Wert - höchst ungewöhnlich bei einem DAX-Wert. Im Zuge von eingeleiteten Untersuchungen musste Wirecard im Frühjahr dann einräumen, dass einige Geschäfte in Singapur falsch verbucht wurden, aber in deutlich geringerem Umfang als von der Zeitung suggeriert. Systematische Luftbuchungen schließt das Unternehmen aus, auch wenn sich einige Mitarbeiter strafbar gemacht haben könnten.
Der Fall beschäftigt weiter die Behörden. In Deutschland gehen Staatsanwaltschaft München und Finanzaufsicht Bafin dem Verdacht unerlaubter Marktmanipulation durch Spekulanten nach, die mit schlechten Nachrichten die Aktie unter Druck bringen und daran mittels sogenannter Leerverkäufe verdienen wollen. Wirecard war in vergangenen Jahren des öfteren Opfer solcher Angriffe geworden.
Die Bafin verbot zeitweise sogar neue Leerverkäufe mit der Wirecard-Aktie. Den Kursverfall am vergangenen Dienstag um zeitweise mehr als ein Fünftel untersucht die Behörde ebenfalls in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft München. Für ein erneutes Verbot von Leerverkäufen sehe die Bafin aber keinen Grund, sagte eine Sprecherin.
Das Unternehmen geht wiederum rechtlich per Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Londoner Zeitung vor, weil sie mit Spekulanten unter einer Decke stecken sollen. Die "FT" sieht sich allerdings nach eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen einer Anwaltskanzlei von diesen Vorwürfen entlastet.
"Wir sehen keine Risiken für unser Geschäft", sagte Vorstandschef Braun vergangene Woche im Interview der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. "Das operative Geschäft läuft hervorragend, wir schließen einen großen Deal nach dem anderen ab", ergänzte der mit einem Anteil von 7 Prozent größte Einzelaktionär des Unternehmens.
So reagiert die Wirecard-Aktie
Die von Wirecard angekündigte Sonderprüfung seiner Bilanzierungspraktiken hat den Aktien des Zahlungsabwicklers am Montag zur Erholung verholfen. Die Papiere setzten sich weiter von ihrem vergangene Woche erreichten Sechsmonatstief ab und gewannen bis zum Handelsschluss 6,14 Prozent auf 118,50 Euro.
So hatte erst am vergangenen Dienstag ein neuer, kritischer Bericht in der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" ("FT") einen massiven Kursrutsch um bis zu 23 Prozent auf 107,80 Euro ausgelöst. Erinnerungen wurden wach: Im Frühjahr hatte eine Artikelserie den Aktienkurs binnen gut einer Woche um fast die Hälfte auf 86 Euro abstürzen lassen. Im Zuge von Untersuchungen musste Wirecard dann einräumen, dass einige Geschäfte in Singapur falsch verbucht wurden, aber in deutlich geringerem Umfang als von der Zeitung suggeriert. Systematische Luftbuchungen schließt das Unternehmen aus.
Am Markt wurde das Vorhaben des Wirecard-Managements positiv beurteilt. Unter anderem begrüßten JPMorgan-Analyst Sandeep Deshpande sowie sein Kollege Knut Woller von der Baader Bank diesen Schritt. Das Vertrauen der Investoren dürfte damit steigen, schrieb Deshpande. Und Woller fügte an: "Wirecard war in dieser Angelegenheit bislang in einer defensiven Position und hatte die Anschuldigungen der "FT" nur von sich gewiesen. Nun aber legt das Unternehmen den Hebel um."
Allerdings bleiben die Experten insgesamt vorerst vorsichtig. Es werde wohl einige Monate dauern, bevor die Ergebnisse von KPMG verfügbar sein werden, hieß es etwa seitens des Bankhauses Lampe. JPMorgan-Experte Deshpande schrieb, dass für eine grundsätzliche Neubewertung der Aktien vor allem einem "ein hohes Maß an Transparenz" nötig sei.
Mainfirst-Analyst Chandramouli Sriraman blies in dasselbe Horn: "Die einzig langfristige Lösung ist ein höheres Maß an Offenlegungen in den Kerngeschäftssegmenten und geographischen Standorten von Wirecard." Da dies bislang nicht gegeben ist, strich er seine Kaufempfehlung für die Papiere. Er bewertet sie nun nur noch mit "Neutral" und senkte sein Kursziel von 220 auf 150 Euro.
Damit traut er den Aktien immerhin eine deutliche Erholung zu. Mit rund 120 Euro notieren diese aktuell etwa 40 Prozent unter ihren Rekordhoch von 199 Euro, auf das sie im September 2018 im Zuge ihres Aufstiegs in den deutschen Leitindex DAX gestiegen waren.
ASCHHEIM (dpa-AFX)
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