Zu viel Optimismus im Markt?
Apple lässt wegen Chipmangels Umsatz liegen, die Amazon-Zahlen schwächeln, Facebook muss den Namen wechseln, um sein Image aufzupolieren. Die Firmen, die lange die Zugpferde der Börse waren, stehen gerade nicht gut da. Und was machen die Märkte? Sie steigen. Möglicherweise ist hier zu viel Optimismus im Markt.
Über die Alternativlosigkeit von Aktien ist viel fabuliert worden. So viel, dass sich dies als feststehende Tatsache ins Hirn immer breiterer Bevölkerungsschichten einbrennt. Das ist gut. Doch damit einher ging in den vergangenen Jahren eine sehr einseitige Ausrichtung auf die Aktien der großen Tech-Konzerne. Getrieben von der Digitalisierung, die spätestens in Pandemie-Zeiten bis ins Wohnzimmer vordrang, verdienten sie gutes Geld - die Kurse kletterten.
Die Marktkapitalisierung von Apple, Amazon, Alphabet und Facebook beziehungsweise Meta kletterte angesichts ihrer Erfolge in ungeahnte Höhen - und dominierte bald ganze Indices. Der steile Anstieg der Börsenkurse in den vergangenen Jahren war im Wesentlichen ein Anstieg der Tech-Konzerne. Jetzt schwächeln sie. Das ist auf der einen Seite beruhigend und macht sie menschlicher, normaler. Auf der anderen Seite schaffen es die Börsen trotzdem, ihre hohe Bewertung zu halten.
Eine Aufholjagd der Old Economy? Nein, eher die Suche nach noch einigermaßen günstig bewerteten Aktien, um Geld unterzubringen, statt Strafzinsen zu zahlen. Der Old Economy geht es nicht wirklich besser als den bereits in der Digitalisierung angekommenen. Auch sie leiden unter den verspäteten, zu geringen oder zu teuren Lieferungen. Auch sie würden gerne schneller vorankommen, haben aber mit dem Mangel an Fachkräften oder ihren Strukturen zu kämpfen.
Und im Gegensatz zu den Tech-Konzernen verfügen die wenigsten Old Economy-Firmen über so gut gefüllte Kassen wie Apple. Das bedeutet, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht haben müssen, bis die Zinsen steigen. Schaffen sie das nicht wird die Finanzierung des Umbaus teurer - und der Abstand zum Wettbewerb eher größer.
Es stehen sich also zwei Pole an der Börse gegenüber: die Tech-Konzerne, die vorangelaufen sind und jetzt schwächeln. Und die Verfolger aus der alten Industrie, denen bei steigenden Zinsen die Puste auszugehen droht. Beides keine großartigen Geschichten für einen Einstieg. Beides kein Grund für großen Optimismus. Doch es gibt eine dritte Gruppe von Unternehmen an der Börse: die neuen Aufsteiger, die Googles und Facebooks von morgen.
Diese finden sich weniger in der klassischen Tech-Landschaft als vielmehr in den angrenzenden Bereichen. Biotechnologie hat in der Pandemie ihre Innovations-Stärke gezeigt, die geschaffenen Werkzeuge können ganz neue Produkte herstellen. Medikamente, Impfstoffe, was auch immer. Oder die Wegbereiter der Blockchain-Technologie: Der Hype um die Non Fungible Token treibt Blüten - aber er treibt auch die immer schnellere Entwicklung in diesem Bereich voran. Gewinnen werden die Unternehmen, die den Brückenschlag schaffen vom reinen Tech ins reale Universum. Hybride Produkte mit Vorteilen in beiden Welten, darin liegt der Erfolg von morgen.
von Uwe Zimmer, Geschäftsführer Z-Invest, Köln
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