Vermögensverwalter-Kolumne

Kräftiger Schluck aus der Zinspulle

20.05.22 09:04 Uhr

Kräftiger Schluck aus der Zinspulle | finanzen.net

Die erwartete Leitzinserhöhung in den USA ist da: Die US-Notenbank Federal Reserve hat ihren Leitzins um ein sattes halbes Prozent angehoben. Damit liegt er nun in der Spanne von 0,75 bis 1,00 Prozent. Für die Fed ist das ein drastischer Schritt: Einen solch kräftigen Anstieg gab es seit 22 Jahren nicht. Normalerweise hebt die US-Notenbank den Leitzins in Tippelschritten von 0,25 Prozentpunkten an.

von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München

Trotzdem kündigte die Fed bereits eine weitere "rasche Straffung" ihrer Geldpolitik an. Bei kommenden Sitzungen des Zentralbankrats könnte wieder eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte anstehen. Der Leitzins könnte so bis Jahresende locker bei rund zwei Prozent liegen. Die Märkte haben sogar bereits ein Zinsniveau von über drei Prozent in den zehnjährigen US-Staatsanleihen eingepreist - ein Niveau das für nächstes Jahr erwartet wird.

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Die Teuerungsrate in den USA ist aber auch so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Im März stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,5 Prozent, was dem höchsten Stand seit rund 40 Jahren entspricht. Angesichts dieser hohen Inflation stand die US-Notenbank unter großem Handlungsdruck. Den drastischen Anstieg begründet Notenbankchef Powell mit den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und Corona-Lockdowns in China, die die ohnehin schon angeschlagenen Lieferketten noch weiter schwächen.

Gleichzeitig hat aber die US-Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei niedrigen 3,6 Prozent. Die Löhne steigen stark in Branchen, in denen Talente knapp sind.

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Für die Notenbank wird es daher zum schwierigen Balanceakt, einerseits die Inflation in Schach zu halten und andererseits die Konjunktur nicht abzuwürgen. Durch die höheren Zinsen wird es für die Banken und indirekt auch andere Wirtschaftsteilnehmer teurer, sich Geld zu leihen, was die wirtschaftliche Aktivität abbremst und damit eine Überhitzung der Wirtschaft verhindert. Es gebe eine gute Chance für eine "relativ sanfte" Landung der US-Wirtschaft, sagte der Notenbankchef Powell. Die US-Wirtschaft sei in einer starken Verfassung und könne deshalb auch eine straffere Geldpolitik verkraften.

Die Angst vor einer noch strafferen Geldpolitik hat die Märkte seit Wochen in Atem gehalten und die Renditen der Anleihen nach oben sowie im Gegenzug die Kurse der Zinspapiere wie auch der Aktien nach unten gedrückt. Anleihebesitzer spüren die Folgen von Inflation und Zinspolitik momentan besonders heftig. Viele Bonds notieren im Vergleich zum Sommer vergangenen Jahres zweistellig im Minus. Noch nie in der jüngeren Geschichte haben die Preiseinbrüche Anleiheanlegern potenziell mehr Verluste beschert als in diesem Frühjahr.

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Bei anhaltender Inflation und steigenden Zinsen brauchen Anleiheanleger ein dickes Fell. Im Vergleich zwischen Anleihen und Aktien sieht es für Festverzinsliche derzeit düster aus. Zumal jetzt anscheinend auch Europa nachzieht: EZB-Chefin Christine Lagarde gibt ihren Widerstand auf. Im April lag die Teuerungsrate in der EU bei 7,5 Prozent, dem höchsten Stand seit Einführung des Euro. Lagarde deutet laut Medienberichten eine Zinserhöhung im Juli an, sobald das Anleihekauf-Programm der Zentralbank zum Juli ausläuft. Es wäre das erste Mal seit dem Jahr 2016, dass die EZB ihren Leitzins anhebt und so dem Beispiel der US-Notenbank folgt.

Diese geht sogar noch einen Schritt weiter und kündigte im Rahmen des Zinsentscheids außerdem an, mit der Verkleinerung der aufgeblähten Bilanzsumme am 1. Juni zu beginnen. Bis August soll die Bilanzsumme um monatlich bis zu 47,5 Milliarden Dollar schrumpfen, ab September soll die Bilanzsumme dann mit einem Tempo von bis zu 95 Milliarden Dollar pro Monat abnehmen, indem Erträge aus fälligen Staatsanleihen und Hypothekenpapieren nicht mehr reinvestiert werden.

Durch den Aufkauf dieser Zinspapiere sowie durch weitere Maßnahmen hatte die US-Notenbank nach der Finanzkrise sowie nach dem Corona-Crash vierstellige Milliardenbeträge in die Finanzmärkte gepumpt und damit gleichzeitig ihre Bilanzsumme auf rund 8,9 Billionen US-Dollar aufgebläht. Allein seit März 2020 hat sich die Bilanzsumme ungefähr verdoppelt.

Die Anleger scheinen darauf zu vertrauen, dass die Fed das richtige Maß findet. Nach herben Verlusten in den letzten Wochen, fangen die Kurse an den Aktienmärkten an, sich zu stabilisieren. Doch das Thema Zinsen und Abbau von Überflussliquidität wird die Finanzmärkte über die nächsten Monate weiter begleiten. Je aggressiver die Notenbank auftritt, desto eher wird es wieder Kursrücksetzer geben. Andererseits ist die Anhebung des Zinsniveaus auch bereits zum Großteil eingepreist. Hier könnte es also auch durchaus positive Überraschungen geben, wenn das Statement der Notenbanker mal weniger "hawkish" ausfällt.

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