Vermögensverwalter-Kolumne

Home Bias: Gefährliche Heimatliebe?

21.12.20 10:09 Uhr

Home Bias: Gefährliche Heimatliebe? | finanzen.net

Wird zu sehr in den Heimatmarkt investiert droht die Allokation (Verteilung des Geldes) aus dem Gleichgewicht zu geraten meint Andreas Stattrop, Kundendirektor und Certified European Financial Advisor Oberbanscheidt & Cie. Vermögensverwaltung

Oft liegt die Ursache von Home Bias darin, dass Investoren ihre Anlageentscheidung auf rationale, aber viel mehr noch auf irrationale Gründe abstellen. Dabei werden Fakten oft unberücksichtigt gelassen. Ein starker Treiber dafür sind oft Annahmen und Emotionen. Anleger bevorzugen dabei Unternehmen und Branchen aus der heimischen Region, denen sie vertrauen und kennen. Das hat zur Folge, dass das Risiko im Portfolio steigt. Dennoch ist der Wunsch nach Home Bias bei vielen Anlegern groß. Woran liegt das?

Mögliche weitere Ursachen können sein:

1. Eine Geldanlage im Ausland ist ggfs. mit höheren Transaktionskosten verbunden

2. Markt-Transparenz: Anleger sind über Unternehmen am Heimatmarkt in der Regel besser informiert und gehen daher davon aus, die Chancen und Risiken gut einschätzen zu können. Hingegen wird es bei ausländischen Märkten, je weiter sie vom Heimatmarkt entfernt bzw. exotischer sie sind, immer schwieriger.

3. Neben der eigentlichen Rendite wirkt sich bei ausländischen Anlagen auch der Wechselkurs auf die Gesamtrendite aus. Das Wechselkursrisiko wollen Home Bias Anleger dadurch vermeiden, indem sie Anlagen im selben Währungsraum bevorzugen.

4. Patriotismus: oft sind Anleger stolz auf ihr Land und ihre Region und unterstellen nicht selten auch zukünftige wirtschaftliche Erfolge. Deutschland als s.g. Exportweltmeister ist ein gutes Beispiel dafür. Wirtschaftlich sind die DAX-Werte (mal abgesehen von der der derzeitigen Coronapandemie) gut aufgestellt, hängen sie aber, wie alle anderen Nationen auch, von den Entwicklungen der Weltkonjunktur ab. So kann der "Heimatstolz" einen teuer zu stehen kommen.

Der Deutsche Aktienindex (DAX) ist für viele heimische Investoren ein beliebtes Geldanlageobjekt. Bei einer zu hohen Gewichtung macht sich der Anleger von der Wertentwicklung eines einzigen Aktienmarktes, dazu noch einem sehr kleinen (aktuell 30 Werte), abhängig. Der DAX besteht auch aus konjuktursensiblen Titeln, wie z.B. der Automobil- oder Industriebranche.

Diversifikation kann die Lösung sein. In einem global diversifizierten Portfolio (so wie zum Beispiel Warren Buffet es erfolgreich praktiziert) wird das Risiko massiv reduziert ohne auf Rendite verzichten zu müssen. Durch die möglichst breite Streuung des Vermögens in weltweite Anlagen ist man nicht mehr so von einem einzigen Markt abhängig. Unterschiedliche Kursentwicklungen können sich untereinander kompensieren und nicht nur ausgeglichen werden, sondern auch zu einem positiven Anlageerfolg führen.

Es ist jedoch in der Praxis vermehrt zu beobachten, dass Anleger überproportional in ihre jeweilige Heimatmärkte investieren. Diesen Effekt nennt man "Home Bias" (Bias engl. Verzerrung). Die moderne Portfoliotheorie (die auf den US-amerikanischen Ökonomen und Nobelpreisträger Harry M. Markowitz aus dem Jahr 1952 zurückgeht) hat bewiesen, dass die Verteilung von Geldanlagen auf unterschiedliche Anlageklassen zu einer Erhöhung der zu erwartenden Rendite bei unverändertem Risiko führen kann. Daher wäre eine Streuung (Diversifizierung) der Geldanlage auf viele verschiedene Märkte sinnvoll. Die mangelnde Diversifikation führt zu einem Klumpenrisiko und kann deutliche Auswirkungen auf die Rendite haben.

Gerade in Deutschland existieren viele globale und gut aufgestellte Unternehmen. Da ist ein Blick auf diese Titel immer lohnenswert und eine Beteiligung auch sinnvoll. Jedoch darf die Diversifikation darunter nicht leiden. Sie ist eine einfache Art der "Absicherung" im Depot, die zudem nichts kostet, sondern eine grundsätzliche Anlegerhaltung widerspiegelt.

Berücksichtigt werden muss bei einem Investment allerdings auch, dass sich Kursschwankungen und Perioden mit schwächeren Kursentwicklungen nicht vermeiden lassen. Mit einem global investierenden Aktienindex sind Anleger im Hinblick auf die Diversifikation aber deutlich besser aufgestellt als bei wenigen Einzelinvestments in ausschließlich heimische Unternehmen.

Andreas Stattrop, Kundendirektor und Certified European Financial Advisor Oberbanscheidt & Cie.

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