EZB zieht mit riesen Satz nach
rauf - runter - rauf - die Börse spielt Jo-Jo. Für die Notenbankzinsen gibt es dagegen nur eine Richtung: weiter kräftig nach oben, meint Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München
Der Börsensommer war in diesem Jahr entgegen dem schlechten Nachrichtenumfeld freundlich - aber zu kurz. Fielen im Juni die Kurse noch wie Hagel vom Himmel, so konnten die Aktienmärkte bis Mitte August einen Großteil der Juni-Verluste wieder wettmachen. Viel mehr war aber nicht drin, denn dann kam Jackson Hole. Die sechswöchige Bärenmarktrallye wurde in nur zwei Wochen wieder ausradiert. Der deutsche Aktienindex DAX fiel zum dritten Mal zurück auf seine Jahrestiefstände. Der mittelfristige Abwärtstrend ist weiterhin intakt, auch wenn die Kurse seit September einen erneuten Anlauf nach oben machen. Wie ein Jo-Jo springt die Börse zurzeit auf und ab. Aber erst dauerhafte Kurse über 13.800 im DAX könnten die bestehenden Abwärtsrisiken ausschalten.
Die weitere Zukunft sieht aber gerade an der Zins- und Inflationsfront nicht rosig aus. Insbesondere beginnt nach der Urlaubszeit das Katz- und Maus-Spiel zwischen Markt und Notenbank neu. US-Notenbankchef Jerome Powell hat auf dem jährlichen Notenbank-Treffen in Jackson Hole die Anleger auf längerfristige Turbulenzen eingestellt und signalisiert, dass er der Bekämpfung der immer noch viel zu hohen Inflation den Vorzug gibt - auch zu Lasten der Wirtschaft. "Wir hören nicht auf, bis wir am Ziel sind", stellte Powell klar und gab damit der Sommerrallye den Dolchstoß. Die US-Notenbank sei fest entschlossen, die Inflation zurück zu ihrer Zielmarke von zwei Prozent zu bringen.
Ein Rückgang der Vermögenspreise sei gewünscht - das lässt aufhorchen. Insofern muss man davon ausgehen, dass die US-Notenbank Fed die Zügel weiter kräftig anzieht - wohl mehr, als dies der Markt aktuell noch wahrhaben will. Renditen von fünf Prozent in den zehnjährigen US-Staatsanleihen im nächsten Jahr rücken in den Bereich des Möglichen (aktuell: 3,30 Prozent). Selbst die starken US-Aktienmärkte wird das nicht kalt lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession getrieben wird, steigt weiter. Der Einkaufsmanagerindex der Notenbank von Philadelphia für die dortige Industrie ist von minus 3,3 Punkten auf minus 12,3 Punkte kollabiert. Damit sendet einer der wichtigsten Frühindikatoren für die US-Wirtschaft ein starkes Signal, dass die Rezession bereits begonnen haben könnte. Powell artikulierte sich überraschend deutlich zu den Folgen seines harten geldpolitischen Kurses. So würden steigende Zinsen zu einer Phase schwächeren Wachstums führen und zu höherer Arbeitslosigkeit. Aber nur so könne die Inflation bekämpft werden. "Das wird auch etwas schmerzhaft für Haushalte und Unternehmen sein."
So wird man von jeder kommenden Notenbanksitzung Zinserhöhungen erwarten dürfen. Die EZB beendete die Sommerpause diese Woche als erste. So zögerlich Lagarde über lange Zeit war, die Realität hat sie eingeholt. Schon bei der letzten Sitzung vor dem Sommer fiel die erste Zinserhöhung seit elf Jahren mit plus 0,50 Prozent höher aus als gedacht, jetzt gerade kamen sogar nochmal 0,75 Prozent oben drauf. Nur weil es vorher bereits durchgesickert war, war man nicht ganz so überrascht. Negativzinsen sind damit endgültig Geschichte.
Die Kommunikation der EZB bleibt jedoch eine Katastrophe: Noch Ende 2021 hatte Lagarde gesagt, dass sie trotz der auf bereits plus fünf Prozent gestiegenen Inflation keine Zinserhöhungen für das Jahr 2022 erwarte. Nach weiteren sechs Monaten Zuwarten drehte sich die EZB jedoch von jetzt auf gleich um 180 Grad und setzte die Zinsschritte gleich viel höher als signalisiert an.
Der Versuch, die Märkte mit der sogenannten Forward Guidance, also dem Zinsausblick, zu steuern, ist endgültig gescheitert. Der Inflation war die Forward Guidance schnuppe. Auch musste man bei der EZB zugeben, die Inflationsentwicklung komplett falsch eingeschätzt zu haben. Peinlich, peinlich. Aktuell fährt die EZB - wie sie selbst sagt - auf Sicht. Hoffentlich sehen sie das Richtige; ansonsten steht zu befürchten, dass sie die Märkte mit weiteren unerwartet großen Zinsschritten eher erschrecken, nur um den Amerikanern nachzueifern.
Immer mehr Privatanleger in Deutschland vertrauen bei ihrer Geldanlage auf bankenunabhängige Vermögensverwalter. Frei von Produkt- und Verkaufsinteressen können sie ihre Mandanten bestmöglich beraten. Mehr Informationen finden Sie unter www.v-bank.com.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.