Vermögensverwalter-Kolumne

Der Hase und der Igel

16.07.21 07:24 Uhr

Der Hase und der Igel | finanzen.net

Der Hase zählte: "Eins, zwei, drei", und los ging er wie ein Sturmwind den Acker hinunter. Der Igel aber lief nur etwa drei Schritte, dann duckte er sich in die Furche hinein und blieb ruhig sitzen. Und als der Hase im vollen Lauf am Ziel unten am Acker ankam, rief ihm die Frau des Igels entgegen: "Ich bin schon da!" - Gebrüder Grimm

Die Geschichte vom Hasen und dem Igel kenne ich schon seit meiner Kindheit. Der Igel steht für den einfachen Mann mit schlichtem Gemüt und mit krummen Beinen. Der Hase hingegen verkörpert den schlauen und gewieften Geschäftsmann, der sich mit seinen langen Beinen erfolgreich im Leben bewegt und sich dem Igel haushoch überlegen fühlt. Es geht um einen Wettlauf. Wer ist schneller unterwegs - der Hase oder der Igel?

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Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt. Der Igel gewinnt, weil er zusammen mit seiner Frau nicht nach den Regeln des Hasen gespielt hat. Als Hörer der Geschichte schmunzeln wir darüber, doch wie häufig fühlen wir uns als Hase. Noch mehr arbeiten und noch leis-tungsfähiger unterwegs sein.

Sei öfter mal der Igel und nicht immer nur der Hase!

Was bedeutet das konkret? Zunächst muss ich raus aus dem Hamsterrad. Raus aus dem "Getrieben werden". Nicht mehr fremden Ansprüchen genügen müssen. Nicht mehr län-ger ungesunde Leistungsvergleiche anstellen. Das hat im Kern etwas mit Selbstwert zu tun. Wenn ich meinen Wert kenne und weiß was ich kann, dann agiere ich anders. Gera-de in der Finanzwirtschaft lassen wir uns von vielen Faktoren beeinflussen, die wir gar nicht in der Hand haben. Die Zinsen, die Konjunktur, die Kurse am Kapitalmarkt und die täglichen Nachrichten strömen auf uns ein.

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Warren Buffett hat dazu einen passenden Vergleich zum Baseballspieler Ted Williams gezogen. In seinem Buch "The Science of Hitting" beschreibt Williams seine Schlagtech-nik. Er unterteilt sein Schlagfeld gedanklich in kleine Quadrate. Wenn er den Ball in den für ihn günstigen Quadraten trifft, dann ist seine Trefferquote am höchsten. Daraus fol-gert er für sich, nur dann zu schlagen, wenn der Ball in die für ihn passenden Quadrate kommt. Das erfordert viel Geduld und Mut, bestimmte Gelegenheiten vorbeiziehen zu lassen. Sein Selbstwert war hoch und er wusste, wer er war und konnte seine Leistung sehr gut einschätzen.

Buffett vergleicht dieses Vorgehen mit der Methode für erfolgreiches Investieren. Es gibt täglich Möglichkeiten ohne Ende, um irgendetwas zu kaufen. Viele Menschen folgen ir-gendwelchen Modetrends, ohne genaue Kenntnis der Geschäftsmodelle und der sich da-raus ergebenden Risiken. Sie folgen der Masse. Doch die besten Anleger wie Warren Buf-fett oder Charlie Munger heben sich davon ab. Sie bilden sich ihre eigene Meinung und haben ihr Mindset. Sie entwickeln ihre persönliche Überzeugung und handeln entspre-chend. Das zeichnet sie aus. In unserer Geschichte hat der Igel seine eigene Strategie entwickelt und handelt danach.

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Ändere Deine Spielregeln!

Wir müssen nicht nach den Spielregeln anderer spielen, wenn wir nicht davon überzeugt sind, dass sie für uns richtig sind. Wir haben die Möglichkeit, für uns den richtigen Rah-men und das richtige Spielfeld zu finden. Zugegeben, es ist nicht einfach und kostet sei-nen Preis. Es erfordert, den Blickwinkel zu ändern und sich selbst aus dem Spiel zu neh-men, um von außen auf die Situationen zu schauen. Erst dann erkenne ich, wie ich in dem bisherigen Umfeld agiert und auf Menschen und Umstände reagiert habe. Dann be-ginne ich, mich davon abzugrenzen und zu definieren, was ich selbst erreichen möchte. Das gilt sowohl im privaten Bereich, im beruflichen Umfeld genauso wie in der Geldan-lage. Erst wenn ich in der Lage bin, das sauber zu analysieren, kann ich mich in gesunder Weise vom Mainstream abgrenzen. Das gilt auch für das nachhaltige Investieren. Ethik und Moral gehören genauso dazu wie die Einhaltung von Klimaschutzzielen oder die Vermeidung von Kinderarbeit in den Entwicklungsländern.

Verzichte auf die Rache!

Es gibt aber auch einen Wermutstropfen. Der Hase und der Igel spielen das Spiel so lan-ge, bis der Hase tot zusammenbricht. Meister Langohr war so gefangen in seinem unbe-dingten Willen gewinnen zu wollen. Doch der Igel hatte kein Mitleid mit ihm. Natürlich hat der Hase ihn zutiefst gekränkt. Er wollte auch Rache nehmen. Der Igel hatte die Mög-lichkeit, das Spiel zu beenden und aufzulösen. Aber das tat er nicht.

Von Wolfgang Juds, Geschäftführer der Credo Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg

Immer mehr Privatanleger in Deutschland vertrauen bei ihrer Geldanlage auf bankenunabhängige Vermögensverwalter. Frei von Produkt- und Verkaufsinteressen können sie ihre Mandanten bestmöglich beraten. Mehr Informationen finden Sie unter www.v-bank.com.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.