DAX hui und die Wirtschaft pfui?
Man kann sich in diesen Tagen verwundert die Augen reiben: Die deutsche Wirtschaft stagniert und der deutsche Leitindex DAX eilt von Rekord zu Rekord. Ende September 2024 schloss der DAX bei fast 19.400 Punkten nahe dem Allzeit-Hoch.
Während der Konjunkturmotor stottert und Deutschland bereits zwei Jahre hintereinan-der schrumpft, scheinen die Aktienmärkte nur eine Richtung zu kennen. Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Die EZB hat die Leitzinsen am 12. September 2024 um 25 Basispunkte auf 3,5 Prozent beim Einlagenzins gesenkt. Das ist die zweite Zinssenkung in diesem Jahr. Im Januar lag der Leitzins noch bei 4,0 Prozent. Weitere Zinssenkungen stehen in Aussicht, um die schwache Konjunktur vor allem in Deutschland zu stützen. Die sinkende Inflation gibt der Notenbank Rückenwind. In den USA hat die FED im September den großen Zins-schritt gewagt. Die US-Notenbank hat den Leitzins gleich um ein halbes Prozent auf eine Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent gesenkt. Mit Blick auf Fortschritte beim Kampf gegen die Inflation und eine Abkühlung des US-Arbeitsmarktes sei das "die richtige Sache", erklärt US-Notenbankchef Jerome Powell und stellt eine weitere Senkung in Aussicht. Dieser überraschende Zinsschritt kann zu einer Stabilisierung der US-Wirtschaft beitra-gen, die sich nach Jahren des Booms auch im Abschwung befindet. Es kann aber auch bedeuten, dass die FED ein Abgleiten der USA in eine Rezession befürchtet und dem energisch entgegentreten möchte. Der große Zinsschritt kam zumindest in diesem Ausmaß etwas überraschend. Der Markt hat das kurzfristig positiv gewertet. Wir dürfen nicht vergessen, dass geldpolitische Maßnahmen nicht kurzfristig wirken, sondern sich die Auswirkungen mit einer Verzögerung von etwa einem Jahr zeigen werden. Zinssen-kungen wirken wie ein zusätzlicher Treibstoff für die Aktienkurse, da sie für steigende Gewinne der Unternehmen sorgen könnten und die Bewertungsmodelle der Analysten höhere Aktienkurse rechtfertigen.
Wie es um die deutsche Wirtschaft bestellt ist, zeigt der aktuelle ifo-Geschäftsklimaindex. Die Stimmung der Unternehmen in Deutschland hat sich erneut verschlechtert. Der Index fiel im September auf 85,4 Punkte, nach 86,6 Punkten im Au-gust. Dies ist der vierte Rückgang in Folge. Sowohl im Verarbeitenden Gewerbe, im Dienstleistungssektor und auch im Handel hat der Index weiter nachgegeben. Lediglich im Bauhauptgewerbe ist der Index gestiegen, was auf weniger pessimistische Erwar-tungen zurückzuführen ist. Vor allem ist es ein Problem der deutschen Industrie, wo die Aufträge derzeit fehlen. Auch in den USA verliert die Wirtschaft an Schwung. Die US-Arbeitsmarktdaten sind zuletzt schwächer ausgefallen als vom Markt erwartet wurde. Wie stark die Konjunktur in den USA sich abschwächt oder sich eine Rezession abzeich-net, ist der Börse derzeit scheinbar egal - Hauptsache die Aussicht auf sinkende Zinsen bleibt bestehen. Die Vergangenheit hat mehrfach gezeigt, dass die Party schnell vorbei sein kann, wenn es zu einer Rezession kommt.
Die Märkte nehmen eine positive Zukunft vorweg
Konjunkturell befinden wir uns derzeit irgendwo in einer Rezessionsphase, unabhängig davon wie stark der Abschwung weltweit ausfällt. Die USA stemmen sich mit sinkenden Zinsen dagegen und Europa folgt im Gleichschritt. In China will die Zentralbank die Kon-junktur beleben und hat ein weitreichendes Maßnahmenpaket angekündigt. Um den schwachen Immobilienmarkt direkt zu stützen, sollen die Zinsen auf bestehende Im-mobilienkredite sinken. Bei einem zweiten Wohnbaudarlehen soll die Quote für die Mindestanzahlung von 25 auf 15 Prozent sinken. Zu den weiteren Hilfen der Notenbank gehört eine Kürzung der Mindestreserven um 50 Basispunkte, womit die Banken weni-ger Bargeld vorhalten müssen. Außerdem soll die Geldpolitik zum Jahresende weiter gelockert werden. Mit diesen Maßnahmen soll ein stabiles Wirtschaftswachstum in Chi-na unterstützt werden, damit das angepeilte Ziel von fünf Prozent Wirtschaftswachstum auch erreicht werden kann. Insgesamt tun die Notenbanken derzeit alles, um die welt-weite Konjunktur zu beleben. Auch wenn es in den kommenden Monaten zu einer wei-teren Abschwächung der Wirtschaft kommt, sollte es im nächsten Jahr wieder zu einer Besserung kommen. Das zeigen auch die erwarteten Unternehmensgewinne. Sie wer-den vermutlich im 3. Quartal 2024 einbrechen, um später wieder anzusteigen.
Der Aufschwung wurde nur von wenigen Unternehmen getragen.
Während sich die großen Technologieaktien wie Nvidia, Apple, Microsoft, Alphabet und Meta bei den Anlegern weiterhin großer Beliebtheit erfreuen, sind die Kurse vieler kon-junkturabhängiger Titel weit hinter den großen Indices zurückgeblieben. Es fällt auf, dass vor allem die Small- und Midcaps sowie die defensiven Aktien aus dem Konsum- und Pharmabereich nur geringfügig gestiegen sind, während wenige Megacaps aus den USA die Szenerie derzeit beherrschen. Wie krass die Entwicklung ist, zeigt das Beispiel von Nvidia. Einer internen Umfrage zufolge haben rund 76 Prozent der Mitarbeiter ein Vermögen von mindestens einer Mio. US-Dollar. Ein Drittel der Angestellten besitzt so-gar mehr als 20 Mio. US-Dollar. Das ist kein Wunder sondern kommt daher, dass eine Vergütung der Angestellten über Aktienoptionen in den USA weit verbreitet ist. Das Ge-genbeispiel dazu sind die Aktien der deutschen Autobauer. Während Volkswagen noch am 1. November 2021 bei 301,40 Euro stand, notiert die Aktie derzeit bei 105 Euro.
Fazit:
Um erfolgreich an der Börse zu agieren, sollten Investoren ein klares Verständnis von "Wert" und "Preis" eines Anlagegutes haben. "Wert" ist das, was ich bekomme und der "Preis" ist das, was ich dafür bezahle. Als wertorientierter Investor tue ich mich sehr schwer mit der Vorstellung, zu viel Geld für ein Unternehmen zu bezahlen, egal wie her-vorragend derzeit die Aussichten sein mögen. Zu teuer ist eben zu teuer! Der Börsen-altmeister Andé Kosstolany hat einmal gesagt "Einer Straßenbahn und einer Aktie darf man nie nachlaufen. Nur Geduld: Die nächste kommt bestimmt." Meines Erachtens sind die nächsten Straßenbahnen auf kurze Sicht nicht mehr die Technologieaktien. Derzeit beobachte ich einen Favoritenwechsel. Allein der chinesische Aktienmarkt FTSE China A50 konnte in der vorletzten Woche im September um über 15 Prozent zulegen. Die un-geliebten chinesischen Blue Chips wie Tencent, Alibaba und Ping An konnten zweistelli-ge Zugewinne verbuchen. Auch die REITs, die im Vorjahr keiner mehr auf dem Zettel hatte, konnten sich inzwischen wieder deutlich erholen. Vonovia stand noch am 25. Ok-tober 2023 bei 20 Euro - heute bei 33 Euro, was einem Plus von 65 Prozent entspricht. Ich behaupte nicht, dass Anleger nur auf die zurückgebliebenen Value-Titel setzen sol-len. Im Ergebnis zeigt sich aber, dass eine sinnvolle Diversifikation und Beständigkeit besser sind als die Wetten auf einzelne Sektoren.
von Wolfgang Juds, Geschäftsführer der CREDO Vermögensmanagment GmbH in Nürnberg
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