Vermögensverwalter-Kolumne

Das Perpetuum Mobile der Geldvermehrung

13.05.21 12:41 Uhr

Das Perpetuum Mobile der Geldvermehrung | finanzen.net

Die Idee einer Maschine, die sich ohne Energieverlust endlos fortbewegt, ist ein alter Traum der Menschheit. Man nennt solch eine Maschine Perpetuum Mobile. Jahrhundertelang haben Erfinder daran getüftelt.

Mit der Entdeckung des Energieerhaltungssatzes und des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik wurde in der Physik die wissenschaftliche Begründung für die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile gegeben. Energie lässt sich nicht aus dem Nichts schaffen, Geld dagegen schon.

Banken schaffen das Geld durch Kreditvergabe aus dem Nichts, indem sie die Summe auf dem Konto des Kreditnehmers einfach gutschreiben. Auf diese Weise entsteht mit jedem Kredit neues Geld. Fachleute sprechen deshalb von Kreditgeldschöpfung. Der Kreditnehmer kann den Betrag wie Geld weiterverwenden. Eigentlich handelt es sich zwar technisch nur um eine Forderung, die auf Bargeld lautet. Er kann den Betrag aber an andere überweisen, ihn mit der EC-Karte zum Shoppen nutzen oder am Automaten bar abheben. Der Betrag ist nicht nur "wie Geld" - es ist Geld entstanden. Um einem Kunden einen Kredit zu geben, braucht die Bank noch nicht einmal die Spareinlage eines anderen Kunden aus ihrem Tresor zu holen.

Papiergeld ist nur ein Schuldschein

Letztlich ist Papiergeld auch nur eine Art Schuldschein der EZB, der von dem Vertrauen lebt, dass er jederzeit weiterzugeben oder einzulösen ist? Das kapitalistische Wirtschaftssystem beruht auf Wachstum. Um das Wirtschaftswachstum in Gang zu halten, müssen Kredite vergeben werden. Kredite werden aber nur vergeben, wenn die Wirtschaft wächst. Ein Perpetuum Mobile der unbegrenzten Geldvermehrung. Sollte es in diesem System einmal zu Störungen kommen, agieren die Notenbanken als Retter und sorgen dafür das der Markt jederzeit mit ausreichend Liquidität versorgt wird. Viele Kritiker sehen in den Notenbanken nur noch einen Reparaturbetrieb des Kapitalismus.

Geld ist kostenlos

In eine neue Dimension ist das System mit dem Ende der Finanzkrise 2008/2009 geraten. In den darauffolgenden Jahren setzen die Notenbanken den Zins immer weiter herunter. Zinsen sind das Entgelt für die Bereitschaft, eigenes Geld anderen auf Zeit zu überlassen und dafür auf Konsum zu verzichten. Etwas verkürzt nennt man den Zins deshalb auch den Preis des Geldes. Seit Jahren befinden sich die westlichen Industriestaaten in einer Nullzinsphase. Geld ist bei uns derzeit nahezu kostenlos. Die Nullzinsen sind für Schuldner ein Schlaraffenland. Vor allem für die Staatshaushalte sind Schulden eine bequeme Möglichkeit Probleme zu lösen. Mittlerweile haben die USA mit mehr als 28 Billionen US-Dollar die höchste Verschulung weltweilt. Vor allem die Corona Pandemie und die Folgen haben das Schuldenwachstum in neue Höhen getrieben. Auch Deutschland hat mittlerweile die 2 Billionen Grenze bei den Staatschulden wieder überschritten.

Angst vor steigenden Zinsen

Noch läuft das Perpetuum Mobile scheinbar wie geschmiert. Allerdings ist der niedrige Zins mittlerweile zu der entscheidenden Größe im System geworden. Diese Erfahrung musste auch die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen in der letzten Woche machen. Derzeit zahlen die USA für ihre Stattschulden im Schnitt weniger als 1 Prozent Zinsen. Verdoppelt sich der Zins, wird das bei 28 Billionen Dollar Staatsschulden teuer. Allein das sie öffentlich darüber nachdachte, sorgte an den amerikanischen Börsen für leichte Erschütterungen. Glücklicherweise ist Janet Yellen als Finanzministerin nicht mehr für die Festlegung der Zinsen der Fed verantwortlich. Das ist die Aufgabe von US-Notenbankchef Jerome Powell. Dieser hat jedoch Zinserhöhungen für die nahe Zukunft praktisch ausgeschlossen. Die Zinsen in den USA bleiben trotz starkem Wachstum und anziehender Inflation in den USA niedrig.

Die Zinswende fällt aus

Steigende Zinsen würden das Perpetuum Mobile aus Wachstum und steigenden Schulden aus dem Takt bringen. Selbst bei anziehenden Inflationsraten ist derzeit nicht von einer Zinswende auszugehen. Die Notenbanken haben sich diesbezüglich bereits eindeutig positioniert. Für April erwartet das Statistische Bundesamt eine Inflationsrate von rund 2,0 Prozent. Damit ist etwa das Ziel der EZB von knapp unter zwei Prozent Inflation erreicht, was die Notenbank als optimal für die Wirtschaft erachtet. Für Deutschland rechnet die EZB mit einem Anstieg der zeitweise sogar höher als drei Prozent sein kann. Dies ist allerdings mit der Strategie der Notenbank vereinbar und macht keine Änderung der aktuell extrem lockeren Geldpolitik notwendig. Anleger sollten diese Entwicklung bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.

Das Perpetuum Mobile gibt Rückenwind

Experten erwarten nach wie vor eine hohe Wachstumsdynamik. Zwei Megatrends bilden dafür die Grundlage. Zum einen sorgt die Digitalisierung für völlig neue Geschäftsmodelle. Zum anderen sorgt die Neo-Ökologie für einen langanhaltenden Wachstumsschub. Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimawandel führen teilweise zu einem völligen Umbau der Gesellschaft. Diese Entwicklungen in Verbindung mit der Niedrigzinspolitik bilden die Grundlage für das Perpetuum Mobile der Geldvermehrung. Noch nie war die Zeit für Sachwerte so günstig wie jetzt. Die Aktie bildet den liquidesten Sachwert. Egal ob wachstumsorientierte Growth-Titel oder wertbeständige Value-Aktien. Mit der richtigen Mischung ist man langfristig gut aufgestellt. Spätestens mit dem Anziehen der Inflation ist die Zeit reif seine EZB-Schuldscheine in solide Sachwerte zu tauschen. Das Perpetuum Mobile gibt den notwendigen Rückenwind.

von Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln

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