Baufinanzierung ohne Eigenkapital: Wer sorgfältig rechnet, kann ohne Startkapital sein Haus bauen
Die Bauzinsen sind im Moment so günstig, dass viele über den Erwerb der eigenen vier Wände nachdenken, doch ist das immer sinnvoll und kann man ein Haus auch ganz ohne Eigenkapital bauen oder erwerben? In manchen Fällen schon...
Peter H. liest seit Jahren darüber, wie niedrig die Zinsen für eine Immobilienfinanzierung sind, aber er hat nicht genügend Reserven aufbauen können, um einen von vielen Banken geforderten Eigenkapitaleinsatz anbieten zu können. Dies lässt die vergleichsweise hohe Mietzahlung nicht zu, weshalb sich Herr H. überlegt, ob nicht doch ein Erwerb in voller Höhe zu finanzieren sei. Gerade jetzt, wo ihm sein Vermieter die eigene Wohnung zum Kauf angeboten hat. Gleichzeitig verbessert er seine Situation im Alter, um nicht der weiter steigenden Mietpreise oder gar einer Kündigung des Mietvertrags ausgeliefert zu sein.
So wie Herr H. denken viele, aber ist es so einfach, wie es scheint? Durch die Finanzkrise Ende des letzten Jahrzehnts und die dadurch bis auf ein Rekordniveau gesunkenen Zinsen für (Bau-)Kredite begann ein nicht vorhersehbarer Boom in Immobilieninvestitionen, die Nachfrage übersteigert bis heute das Angebot, was zu signifikant höheren Kaufpreisen für Häuser und Wohnungen führte. Man spricht hierbei von einem Verkäufermarkt.
Im Gegensatz zu den Marktpreisen haben sich die Ergebnisse von Gutachtern und die internen Einschätzungen der Banken, die häufig auf Durchschnittswerten basieren und zudem mit Sicherheitsabschlägen reduziert werden, nicht adäquat entwickelt. Dies ist ganz natürlich, denn ein höherer Kaufpreis, vielleicht aus Liebhaberei-Aspekten, ist nicht immer wirtschaftlich begründbar und die Kreditinstitute gehen ungern Risiken ein. Aus diesem Grund sind momentan auch keine maßgeblichen Risiken aufgrund einer Blasenbildung erkennbar. Der Regulator denkt aber bereits darüber nach, weitere Hürden für Kreditinstitute bei der Ermittlung von Wertschätzungen für Immobilien aufzubauen, um einer lockereren Kreditvergabe entgegenzuwirken.
Herr H. bekommt das Geld für die Grunderwerbsteuer von 6,5 Prozent sowie die Notarkosten und Kosten des Grundbuchamts von ungefähr 1,5 Prozent aus seinem Ersparten noch gut zusammen, denn diese sogenannten Nebenkosten entstehen beim Immobilienerwerb, wobei die Grunderwerbsteuer von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein kann. Der Verkäufer verzichtet bei diesem Angebot darauf, einen Immobilienmakler einzuschalten, da er Herrn H. bereits kennt. Ansonsten kämen weitere 3,57 Prozent hinzu, die ebenso regional unterschiedlich sein können. Bedeutet dies für Herrn H., dass er somit ein Darlehen von seiner Bank erhält?
Das kommt darauf an. Zunächst wird die Bank eine Kreditprüfung auf Basis der Einkommen-, Ausgaben-, Vermögen- und Verbindlichkeitensituation von Herrn H. vornehmen, in der auch statistische Werte wie Lebensalter, Beruf, Familienstand und Wohnlage berücksichtigt werden. Auch der Schufa-Score, der für jede natürliche, inländische Person ermittelt wird, spielt bei der Darlehensbewilligung eine Rolle.
Im weiteren Verlauf der Kreditbearbeitung schätzt die Bank den sogenannten "Beleihungswert" der Immobilie ein. Dieser wird in der Regel auf Grundlage des öffentlich einsehbaren Grundstücksmarktberichts der Gemeinde oder Stadt anhand von durchschnittlichen Preisen ermittelt, die je nach Wohnlage individuelle Werte darstellen. Besonderheiten wie Sauna, Dachterrasse etc. können hierbei mehr oder weniger werterhöhend einfließen. Auch schaut der Gutachter sehr genau auf den Aspekt der Drittverwendungsfähigkeit, also die Frage, ob das Objekt nur für einen speziellen Nutzer zugeschnitten ist oder auch durch andere Kaufinteressenten genutzt werden kann.
Im günstigsten Fall erzielt der Wertermittler als Beleihungswert den Kaufpreis im Niederstwertprinzip. Dies einhergehend mit der Meinung der Banken, dass eine Immobilie nicht teurer sein kann als der Kaufpreis, sonst würde jemand anders diesen Preis schließlich auch zahlen. Eine Ausnahme stellen Familienverkäufe dar.
Davon ausgehend, dass Herr H. einen marktüblichen Preis bezahlt, ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass der Beleihungswert zwischen 10 und 30 Prozent niedriger als der Kaufpreis beträgt. Von diesem Wert dürfen die Kreditinsitute maximal 80% als Sicherheit bewerten, wodurch bei einer 100-przentigen Kaufpreisfinanzierung bereits eine Lücke zwischen 28 bis 44 Prozent entsteht. Diese Lücke wird als "Blanktoanteil" bezeichnet, also mit dem Teil der Finanzierung, der höhere (Ausfall-)Risiken für die Banken skizziert und von ihnen mit höherem Eigenkapital unterlegt werden muss, dadurch für den Kunden auch höher bepreist wird. Die besten Konditionen werden in der Regel bei einem Beleihungsauslauf bis zu 60 Prozent angeboten, der sogenannte Realkredit.
Für Herrn H. käme die Finanzierung in der Konditionsbildung und grundsätzlichen Kreditentscheidung günstiger, wenn er zusätzlich zu den Nebenkosten, weiteres Eigenkapital einbringen könnte. Zudem könnte er dadurch die monatliche Belastung entweder reduzieren oder die Ersparnis, die einer höhere Kreditsumme in der monatlichen Rate ergeben würde, in die Tilgung des Darlehens investieren.
Nicht zu vernachlässigen ist nämlich, dass wir zwar eine historisch niedrige Zinssituation haben, diese aber aller Voraussicht nach nicht ewig anhalten wird. Noch Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts war man froh, wenn man unter sieben Prozent im Jahr an Zinsen zu zahlen hatte. Den wirklichen Vorteil der Niedrigzinsen kann man nur dann vollumfassend ausnutzen, wenn die Differenz zu einem höheren Niveau in die Tilgung gesteckt wird. Das reduziert nämlich deutlich die Gefahr, eine höhere Belastung zum Ende der Sollzinsbindung aufgrund ggf. höherer Zinssätze zu leisten und führt - durch eine kürzere Laufzeit des Darlehens - zu einer signifikanten Kostenersparnis. Dies ist gerade für den Eigennutzer von Vorteil.
Daher lässt sich grundsätzlich festhalten:
• Bei Eigennutzung einer Immobilie ist der Einsatz von (nicht anderweitig verplantem) Eigenkapital ein großer Vorteil hinsichtlich Kreditentscheidung, Risikoeinschätzung aus Banksicht sowie Kreditrate und Gesamtkostenersparnis für den Finanzierer
• Bei Kauf einer Immobilie zur Kapitalanlage ist der Einsatz von Eigenkapital - neben den vorgenannten Aspekten - abhängig von steuerlichen Relevanzen, die mit dem Steuerberater zu erörtern sind.
Herr H. hat sich grundsätzlich dazu entschieden, die Immobilie zur Eigennutzung zu erwerben und hat einen Termin mit seiner Hausbank vereinbart. Damit der Baufinanzierungsberater die Situation von Beginn an richtig einschätzen kann, ob eine Finanzierung für Herrn H. tragbar erscheint, hat er sich bereits im Vorfeld eine Aufstellung seiner monatlichen Ausgaben und seiner Einnahmen erstellt sowie seine Vermögenswerte in eine Tabelle eingetragen.
Zu dem Termin bringt er die letzten drei Gehaltsabrechnungen, die letzten beiden Steuerbescheide und deren Steuererklärungen sowie die vom Verkäufer schon ausgehändigten Unterlagen zu der Immobilie mit. In der Regel benötigen die Banken eine Quadratmeter- und Kubikmeterberechnung, Grundriß-, Ansichts- und Querschnittszeichnungen, einen aktuellen Grundbuchauszug, Flurkarte, Auszug aus dem Baulastenregister und ggf. eine Aufstellung, welche Modernisierungen wann und in welcher Höhe bereits durchgeführt wurden. Für eine Eigentumswohnung, die Herr H. erwerben möchte, wird darüber hinaus noch die Teilungserklärung gewünscht.
So vorbereitet, konnte der Bankberater sehr schnell erkennen, dass sich Herr H. die Wohnung aus seinem Budget leisten kann und er erkannte zudem, dass er glücklicherweise keinen überhöhten Kaufpreis zahlen muss. Da sich Herr H. vorab über die Zinskonditionen im Internet und in der Zeitung informiert hat, wusste er im Vergleich zu den Werbeofferten, dass er einen vergleichsweise niedrigen Zinssatz angeboten bekam.
Das Gespräch mit der Hausbank ist sicher zuerst zu suchen, denn hier besteht ein Informationsvorteil. Dennoch ist die erstbeste Zinskondition meist nicht die beste, weshalb sich der Vergleich - vor allem mit unabhängigen Beratern, die nur bei Erfolg durch die finanzierende Bank entlohnt werden und dies auch dem Kunden transparent offenlegen - lohnt.
von Ralph Kinnart von der B&K Vermögen GmbH in Köln
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