Analyst warnt: NVIDIAs Konzentration auf vier Großkunden könnte zum Problem werden
Dass NVIDIA in den vergangenen Quartalen ein beeindruckendes Umsatzwachstum verzeichnete, steht außer Frage. Allerdings könnte es hinsichtlich der Herkunft der Erträge einen großen Haken geben.
Werte in diesem Artikel
• NVIDIA-Umsatzsteigerungen fasziniert Marktbeobachter
• Große Konzentration auf vier Hauptkunden
• Zudem birgt Wettbewerbsdruck Risiken
Im zweiten Quartal 2024 erzielte NVIDIA einen beeindruckenden Umsatz von 30,04 Milliarden US-Dollar, was die Erwartungen der Analysten deutlich übertraf. Das Wachstum des Chip-Herstellers aus Kalifornien ist schlicht und ergreifend beeindruckend: Im Vorjahresquartal lag der Umsatz noch bei 13,51 Milliarden US-Dollar und im zweiten Jahresviertel des Jahres 2022 bei 6,70 Milliarden US-Dollar. Zudem ist auch der Ausblick hervorragend, dürfte NVIDIA in den kommenden Jahren aufgrund seiner Pionierleistungen auf dem Gebiet der KI-Chips auch künftig rapide wachsen.
Zu große Konzentration auf vier Großkunden?
Trotz der zweifelsohne hervorragenden Fundamentaldaten gab es dennoch einen Aspekt, der einige Analysten störte: Fast die Hälfte dieses Umsatzes stammt von lediglich vier Kunden, wie aus einem Bericht der US-Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) hervorgeht. Diese ungewöhnliche Konzentration wirft Fragen auf. Laut Gil Luria, Tech-Analyst bei D.A. Davidson, handelt es sich hierbei um eine Situation, die für ein Unternehmen der Größenordnung von NVIDIA "höchst ungewöhnlich" ist.
Die Unternehmen selbst bleiben anonym, doch Luria vermutet, dass es sich um Schwergewichte der Technologiebranche handelt: Microsoft, Meta, Amazon und Google. Alle vier Unternehmen investieren massiv in KI und benötigen für ihre KI-Initiativen leistungsstarke Grafikprozessoren (GPUs) wie die von NVIDIA. Luria weist darauf hin, dass keine gesetzliche Verpflichtung besteht, die Namen dieser Kunden offenzulegen. Dennoch sind sie durch ihre Großaufträge in der Bilanz von NVIDIA unübersehbar. Diese Abhängigkeit von wenigen Großkunden wirft jedoch Bedenken auf, insbesondere in Hinblick auf die Nachhaltigkeit dieser Einnahmequellen und die längerfristigen Auswirkungen auf NVIDIA.
Diese Risiken entstehen durch die Umsatzkonzentration
Für die nächsten ein bis zwei Jahre sieht Luria drei zentrale Risiken für NVIDIA-Investoren. Das erste betrifft die grundsätzliche Marktstrategie großer Unternehmen: "Kein großes Unternehmen will sich auf nur einen Lieferanten verlassen", erklärt Luria. Besonders Microsoft habe in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass es keine Abhängigkeit von einem einzelnen Anbieter wünscht. So hat sich das Unternehmen beispielsweise allmählich von Intel als exklusivem Prozessorlieferanten entfernt, um Alternativen zu schaffen. Ähnliche Tendenzen könnten sich auch bei NVIDIA zeigen. Unternehmen wie Microsoft wollen vermeiden, ihre Chips nur von einem einzigen Hersteller zu beziehen, insbesondere, wenn es um essenzielle Komponenten wie GPUs geht, die eine entscheidende Rolle in ihren KI-Projekten spielen.
Ein weiteres Risiko liegt in der Unsicherheit über die zukünftige Nachfrage nach NVIDIA-Produkten. Luria weist darauf hin, dass die aktuelle Nachfrage seitens der großen Technologieunternehmen möglicherweise nur vorübergehend ist. "Diese Unternehmen investieren derzeit ‚übermäßig‘ in NVIDIA-GPUs, ohne sofortige finanzielle Renditen zu erwarten", meint Luria. Dieses Modell der exzessiven Investition könnte jedoch nicht von Dauer sein. Meta-CEO Mark Zuckerberg erklärte in einer Telefonkonferenz im April, dass die KI-Initiativen seines Unternehmens mehrere Jahre andauern würden. Dennoch bleibt unklar, wie lange die derzeitige Kaufwelle anhalten wird und ob sie stabil genug ist, um NVIDIAs künftige Umsätze langfristig zu sichern.
Wachsender Wettbewerbsdruck
Neben der Abhängigkeit von wenigen Großkunden und der Unsicherheit über die Nachfrageentwicklung sieht Luria einen weiteren potenziellen Stolperstein für NVIDIA: den zunehmenden Wettbewerb. Immer mehr Technologieunternehmen entwickeln eigene KI-Chips, die als Alternativen zu den teuren NVIDIA-GPUs dienen sollen. Google und Meta haben bereits 2024 ihre eigenen Chips vorgestellt, die speziell auf KI-Anwendungen zugeschnitten sind. Microsoft und Amazon befinden sich ebenfalls in verschiedenen Phasen der Entwicklung eigener Chips, die es ihnen ermöglichen sollen, unabhängiger von NVIDIA zu agieren.
"Alle diese Unternehmen befinden sich in verschiedenen Stadien der Entwicklung eigener Chips für KI", sagt Luria. Besonders Google und Amazon seien hier weit fortgeschritten und könnten NVIDIA bald ernsthafte Konkurrenz machen. Auch Microsoft und Meta hätten ihre Anstrengungen intensiviert und holten auf. Der Vorteil für diese Unternehmen liegt auf der Hand: Eigene Chips senken nicht nur die Abhängigkeit von NVIDIA, sondern bieten ihnen auch die Möglichkeit, die Technologie genau auf ihre eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden.
Trotz dieser Herausforderungen bleibe NVIDIA Luria zufolge eine zentrale Figur im Markt. Auch wenn vier Großkunden derzeit den Löwenanteil des Umsatzes ausmachen, besitzt das Unternehmen eine lange Liste weiterer Kunden, die ebenfalls stark auf NVIDIA-Chips angewiesen sind. "Nur weil es derzeit eine Handvoll Unternehmen gibt, die den größten Teil der Einnahmen von NVIDIA ausmachen, heißt das nicht, dass das immer der Fall sein wird", betont denn auch Jacob Bourne, Analyst bei Emarketer. "Wir könnten einen Zustrom neuer großer Kunden sehen, darunter auch Nationalstaaten, die diese Chips in größerer Menge erwerben wollen." NVIDIA könnte also durch den Zuwachs neuer Kunden seine Position stärken und die Abhängigkeit von einzelnen Tech-Giganten reduzieren.
NVIDIA-Aktie sehr volatil
Wie die Überlegungen über den künftigen Kundenstamm zeigen, gibt es rund um NVIDIA - wie bei schnell wachsenden High-Tech-Unternehmen üblich - große Unsicherheiten. Die Anleger und Analysten achten auf jedes Zeichen, um die ungewisse Zukunft des Chip-Highflyers einzuschätzen. Wird NVIDIA auch in den kommenden Jahren die KI-Technologie entscheidend prägen - oder handelt es sich nur um ein kurzes Intermezzo, bevor etablierte Big Tech-Player sogar noch bessere KI-Chips herstellen? Angesichts der großen Fragezeichen verwundert es nicht, dass die NVIDIA-Aktie in den vergangenen Handelsmonaten eine enorme Volatilität aufwies - jedoch mit einer klaren Tendenz gen Norden. Zwar liegt das einstige Juni-Rekordniveau jenseits der 130-US-Dollar-Marke noch in recht weiter Ferne. Dennoch verbuchte die NVIDIA-Aktie, die gegenwärtig 113,37 US-Dollar kostet (Stand: Schlusskurs vom 18. September 2024), seit Jahresanfang satte Gewinne in Höhe von 128,93 Prozent.
Redaktion finanzen.net
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