TecDAX

Das späte Ende des 'Neuen Markts': Deutsche Börse sortiert Indizes neu

10.02.18 08:04 Uhr

Das späte Ende des 'Neuen Markts': Deutsche Börse sortiert Indizes neu | finanzen.net
Börse Frankfurt

Fast 20 Jahre ist es nun her, dass die Dotcom-Ära so manchen Anleger erst reich und dann schlagartig bitterarm gemacht hat.

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Bis heute, so sagen Experten, scheuen die meisten Deutschen deshalb Aktien - egal wie wenig das Sparkonto abwirft. Trotz dieser unrühmlichen Geschichte lebt ein kleiner Teil der Dotcom-Ära fort: im Technologiewerte-Index TecDax, dem direkten Nachfolger des "Neue Markt"-Index Nemax 50. Der TecDax zementiert dabei eine - wie mancher Beobachter meint - längst nicht mehr zeitgemäße Unterscheidung: die Technologie-Branche auf der einen Seite und den Rest der Wirtschaft auf der anderen Seite.

Die Deutsche Börse bereitet nun den Abschied vom TecDAX in seiner jetzigen Form vor. Geplant ist, dass Mitglieder aus dem Technologiewerte-Index künftig zugleich auch im MDAX der mittelgroßen Konzerne und im SDAX der kleineren Konzerne vertreten sein können. Zugleich sollen Technologie-Aktien aus dem DAX wie Infineon und SAP auch im TecDAX auftauchen. "Wir wollen uns internationalen Standards angleichen", begründet eine Unternehmenssprecherin den Vorstoß.

Der US-Markt könnte für die Idee Pate gestanden haben, vermutet Index-Experte Uwe Streich von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Im technologielastigen NASDAQ 100 nämlich sind mehr als 90 Werte zugleich auch Mitglied im breit angelegten S&P 500. Hierzulande sollen sich nun bis Ende März Banken, Emittenten, Fondsgesellschaften und andere Marktteilnehmer gegenüber der Deutschen Börse zu den geplanten Änderungen äußern.

Streich begrüßt die Idee. Schon seit Jahren bemängelt er die Index-Zugehörigkeit nach Branchen: "In den Zeiten von Old und New Economy, wo die Bewertungen extrem unterschiedlich waren und Aktien klassischer Sektoren ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10 aufwiesen, während Technologie-Werte ein KGV von 45 hatten, war eine Trennung noch sinnvoll." Heutzutage aber gebe es derartig ausgeprägte branchenspezifische Bewertungsunterschiede nicht mehr. "Außerdem lässt sich längst nicht mehr eindeutig festlegen, welches Unternehmen in welche Branche gehört." Selbst in einfachsten Maschinen sind heute Chips verbaut, in Autos sowieso und ohne Internethandel hat der klassische Einzelhandel ebenfalls kaum noch eine Chance.

Unter Emittenten scheint der TecDax zudem eher ungeliebt, und auch institutionelle Fondsgesellschaften wenden sich lieber dem MDax zu. Das hat nicht zuletzt der Lichtspezialist OSRAM deutlich gemacht. Die einstige Siemens-Tochter leistete 2013 dem Vernehmen nach erhebliche Lobbyarbeit, um in den Index der mittelgroßen Unternehmen zu kommen anstatt in den TecDax. "Der wird einfach mehr beachtet und die Umsätze sind in der Regel deutlich höher als bei vergleichbaren TecDax-Unternehmen", sagt Streich. "Fondsgesellschaften mischen ihren Portfolios eher einen fünfprozentigen MDax-Anteil bei. TecDax-Werte bleiben außen vor."

Uwe Eilers, Geschäftsführer der Frankfurter Vermögen GmbH, ist zwar auch der Ansicht, dass der TecDax "ein wenig ein Randdasein fristet", hält aber nicht viel von der Idee, Technologie-Schwergewichte in den Index aufzunehmen. "Wenn beispielsweise SAP und Siemens insgesamt 30 Prozent des neuen TecDax ausmachen würden, wäre der Index nicht ausgewogen genug", gibt der Vermögensberater zu bedenken.

Auch einen zweiten Änderungsvorschlag der Deutschen Börse hält Eilers für "nicht unbedingt sinnvoll": MDax und SDax von jeweils 50 auf jeweils 60 Titel aufzustocken. Schon jetzt sei die Gewichtung der kleineren Aktiengesellschaften mitunter zu gering, was sich negativ auf deren Handelsumsätze auswirke. Und auch LBBW-Experte Streich sagt: "Wir würden uns eher 50 Werte in allen drei Indizes wünschen, also auch im Dax. Eine Wirtschaftsnation wie Deutschland kann sich das sicher leisten." Zur Zeit umfasst der Dax im Gegensatz zu MDax und SDax 30 Werte.

Seit dem Start des deutschen Börsenbarometers im Jahr 1988 habe sich einiges getan, führt Streich aus. Selbst mittelgroße Unternehmen brächten inzwischen Milliardenbewertungen auf die Waage. Zudem wäre ein breiter aufgestellter Leitindex stärker diversifiziert und würde die deutsche Wirtschaft so besser repräsentieren.

Vielleicht kann sich der LBBW-Analyst mit seiner Ansicht noch durchsetzen, denn "jeder Marktteilnehmer, der sich berufen fühlt", kann an der Umfrage der Deutschen Börse teilnehmen, wie diese in ihrem Schreiben sagt. Zurzeit ist alles noch ein Denkmodell, das laut dem Marktbetreiber auch offen ist für alternative Vorschläge. Erst nach der Auswertung der Befragung gegen Ende April soll die neue Index-Welt beschlossen und noch im September zur Index-Überprüfung eingeführt werden. Dann könnte der "Neue Markt" endgültig Geschichte sein.

FRANKFURT (dpa-AFX)

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Bildquellen: Julian Mezger für Finanzen Verlag

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