Städtetag spricht von "dramatischer" Finanzlage und fordert Hilfen
Von Andrea Thomas
DOW JONES--Der Deutsche Städtetag schlägt wegen der Finanznot vieler Kommunen Alarm und fordert nach der Bundestagswahl eine Trendwende bei den Kommunalfinanzen. Bund und Länder müssten die Kommunen finanziell stärken. Laut einer Umfrage des Städtetags gibt es kaum noch Städte mit ausgeglichenen Haushalten. Demnach gaben 37 Prozent der Städte an, dass sie keinen ausgeglichen Haushalt mehr vorlegen, weitere 47 Prozent schaffen einen ausgeglichenen Haushalt nur, indem sie auf finanzielle Rücklagen zurückgreifen. Angesichts der angespannten Lage drohten Einschnitte im kommunalen Sport- und Kulturangebot oder etwa auch beim Bau von Schulen oder beim Angebot von Bussen und Bahnen. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, sprach von einer "sehr dramatischen Lage".
Der Städtetag forderte, dass die Städte einen höheren Anteil an den Gemeinschaftssteuern wie etwa der Umsatzsteuer bekommen. Außerdem dürfte es von Bund und Ländern keine zusätzlichen Aufgaben mehr für die Städte geben, die nicht ausfinanziert seien. Auch dürfe es von Bund und Ländern keine steuerpolitischen Entscheidungen geben, die zu Einnahmeausfällen bei den Kommunen führten. Notwendig seien zudem häufiger feste Budgets statt komplizierter Förderprogramme und eine Reform der Schuldenbremse.
"Die Zeit ausgeglichener kommunaler Haushalte gehört erst einmal der Vergangenheit an. Das hat viele strukturelle Gründe, ist aber kein selbstverschuldetes Problem der Städte. Die Sozialausgaben, auf die wir kaum Einfluss haben, laufen uns davon", sagte Lewe. Außerdem wiesen Bund und Länder den Kommunen immer mehr Aufgaben zu, die nicht ausfinanziert seien. Zusammen mit der anhaltenden Wachstumsschwäche führe das zu einer völligen Überlastung der kommunalen Haushalte. Die neue Bundesregierung werde "große Räder" drehen müssen, damit die Kommunalfinanzen nicht komplett zusammenbrechen und die Städte endlich wieder vor Ort gestalten könnten, so der Verband.
Einschätzung zur Haushaltslage komplett gedreht
Sollte sich aber nichts ändert, wird laut Städtetag die Finanznot der Städte weiter anwachsen. Die Einschätzung der Städte zu ihrer Haushaltslage habe sich in wenigen Jahren vielerorts um 180 Grad gedreht. Im Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre bewerten fast zwei Drittel der Städte (64 Prozent) ihre Haushaltslage als "eher gut oder ausgeglichen", so die Umfrage. Mit Blick auf die kommenden fünf Jahre treffen nur noch 2 Prozent der Städte diese Aussage. Stattdessen schätzen 46 Prozent ihre künftige Haushaltslage als "eher schlecht" und 49 Prozent sogar als "sehr schlecht" ein.
Besonders der deutliche Anstieg der kommunalen Sozialausgaben sorge für die prekäre Finanzsituation der Städte. Denn die Sozialausgaben der Städte legten viel stärker zu als die Einnahmen. So seien die kommunalen Sozialausgaben in den vergangenen zehn Jahren in fast allen Bereichen um mindestens ein Drittel, teilweise um mehr als 100 Prozent gestiegen. Beispiele sind demnach die ganztägige Kinderbetreuung, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen oder die Hilfe zur Pflege im Alter.
"Jahr für Jahr bringen die deutlich ansteigenden Ausgaben für soziale Leistungen viele städtische Haushalte an die Grenze", sagte Städtetagsvizepräsidentin Katja Dörner, Oberbürgermeisterin von Bonn.
Personalabbau befürchtet
Der Städtetagsvizepräsident Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, verwies darauf, dass selbst viele Städte, die immer einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen konnten, jetzt ins Schlingern kämen. "Es ist wirklich sehr sehr ernst um die finanzielle Situation der Kommunen bestellt", sagte er. Jung erwartet, dass etliche Städte sich vermutlich gezwungen sehen werden, in den kommenden Jahren Personal abzubauen, obwohl immer neue Aufgaben auf sie zu kämen. "Das können auch Bund und Länder nicht wollen, sie müssen uns deutlich finanziell stärken. Zum anderen: Wir stehen mit Transformationsaufgaben wie der Verkehrswende, der Energiewende oder der Wärmewende vor Mammut-Aufgaben", sagte er.
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February 17, 2025 06:03 ET (11:03 GMT)