Allianz mitten in der Krise: Warum die nächste Ausschüttung gekürzt werden könnte
Der Gradmesser für die aktionärsfreundlichen Ausschüttungen des Versicherers Allianz, die Solvabilitätsquote, steht stark unter Druck. Was Anleger wissen müssen.
von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Die weltweite Ausbreitung des neuartigen Coronavirus trifft Europas größten Versicherer an vielen Fronten. Die Pandemie kostet die Allianz in diesem Jahr voraussichtlich über eine Milliarde Euro. Die Ausfälle in der Schaden- und Unfallsparte durch Absagen großer Veranstaltungen, geschlossene Fabriken, Zahlungsausfälle von Lieferanten und nicht stattgefundene Reisen könnten sich auf bis zu 1,1 Milliarden Euro summieren, schätzt Finanzvorstand Giulio Terzariol.
Die Lebensversicherung und die Vermögensverwaltung mit der stark auf Anleihen fokussierten US-Tochter Pimco sind durch die Abwertung von Anleihen und Aktienportfolios von dem Abschwung an den Kapitalmärkten deutlich betroffen. Die von Anlegern viel beachtete Solvabilitätsquote der Allianz rutschte im ersten Quartal stärker als erwartet auf 190 Prozent ab, Ende 2019 waren es 212 Prozent. Die Zahl ist ein Indikator der finanziellen Ausstattung, etwa um Versicherungsschäden abzusichern. Allianz-Chef Oliver Bäte hat eine Solvabilitätsquote von 180 Prozent als untere Grenze für die aktionärsfreundliche Dividendenpolitik des Versicherers ausgegeben. Demzufolge wird als Dividende pro Aktie auch nach schwachen Jahren mindestens der Betrag des Vorjahres ausgeschüttet. Für 2019 erhielten Aktionäre soeben 9,60 Euro, neun Euro waren es im Vorjahr.
Die Quote wankt
Die Solvabilitätsquote des Erstversicherers von 212 Prozent Ende 2019 war ein Spitzenwert in der Branche. Bei der Vorlage der Quartalsbilanz warnte Finanzvorstand Terzariol nun, dass die Quote jetzt sogar "vorübergehend unter 180 Prozent" rutschen könnte.
Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) inzwischen in Aussicht gestellten Anleihekäufe sollten die Situation am Kapitalmarkt für Versicherer, die das Geld ihrer Kunden überwiegend in festverzinslichen Wertpapieren angelegt haben, verbessern. Um an den Aktienmärkten nicht tiefer in den Abwärtsstrudel gezogen zu werden, veräußerte die Allianz laut Terzariol Papiere im Wert von fünf Milliarden Euro.
Unter Druck ist auch die Vermögensverwaltung. Bei Pimco in den USA zogen Kunden im ersten Quartal umgerechnet 43 Milliarden Euro ab, bei Allianz Global Investors in Europa weitere drei Milliarden. Das verwaltete Vermögen verringerte sich auf 1,56 Billionen Euro. Ende 2019 wurde mit 1,69 Billionen ein Rekordwert erreicht. Der operative Gewinn schrumpfte im Quartal um 23 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Das hatte die Allianz bereits im April gemeldet und das Gewinnziel für 2020 kassiert.
Bisher glänzt die Bilanz von Chef Bäte. In einem schwierigen Umfeld verbesserte die Allianz ihren Gewinn seit 2015 von 10,7 Milliarden auf 11,9 Milliarden 2019. Für 2020 gibt es vorerst keine Prognose. Analysten erwarten im Schnitt 10,3 Milliarden Euro Gewinn und bei der Dividende unverändert 9,60 Euro pro Aktie. Die Experten von Bloomberg Intelligence prognostizieren indes eine Kürzung der Ausschüttung um 40 Prozent auf 5,70 Euro pro Aktie. Für Bäte wird 2020 zur Bewährungsprobe.
Puffer: Charttechnische Unterstützungen bei 140 und 130 Euro. Der Primus hat Reserven. Die Dividende könnte wackeln, wir stufen ab.
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