Siemens Healthineers im Fokus: Varian-Übernahme sorgt für Molltöne
Der Medizintechnikkonzern Siemens Healthineers steuert solide durch die Corona-Krise.
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So entwickelte das Unternehmen etwa Tests im Zusammenhang mit dem Virus, auch die Nachfrage in der Bildgebung hält an. Mit der milliardenschweren Übernahme des US-Krebsspezialisten Varian will die Siemens-Tochter ihr Geschäft auf diesem Gebiet deutlich ausbauen. Die dazu nötigen Kapitalerhöhungen kommen zwar am Markt nicht gut an, der Konzern gilt jedoch dank dieser Pläne als Kandidat für den DAX. Was bei Siemens Healthineers los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.
DAS IST LOS BEI HEALTHINEERS:
Healthineers landete mit der Ankündigung der 16,4 Milliarden US-Dollar schweren Varian-Übernahme im August einen Coup. Die größte Übernahme in der Geschichte von Healthineers soll das Wachstum vorantreiben. Finanziert werden soll der Deal in etwa je zur Hälfte über Kredite und eine Kapitalerhöhung. Die Konzernmutter Siemens stellt zunächst einen Brückenkredit von 15,2 Milliarden Euro bereit. Healthineers will die Geldspritze bis zur Hälfte durch die Ausgabe neuer Aktien ersetzen, wodurch der Anteil von Siemens an der Tochter auf etwa 72 Prozent sinken sollte.
In einem ersten Schritt stemmte der Konzern jüngst eine Kapitalerhöhung über rund 2,7 Milliarden Euro. Der Siemens-Anteil schmolz dabei auf rund 79 Prozent. Dazu erhielt das Unternehmen die kartellrechtliche Freigabe in den USA und die Varian-Aktionäre stimmten die Übernahme. Das Management geht daher weiter davon aus, den Kauf in der ersten Hälfte des Kalenderjahres 2021 abzuschließen.
Die steigende Verschuldung will Healthineers möglichst schnell senken. Das Management erhofft sich hohe Synergien und bereits innerhalb der ersten zwölf Monate nach Vollzug einen positiven Beitrag zum bereinigten Ergebnis je Aktie.
Im Tagesgeschäft zeigt sich Healthineers derweil solide, wenngleich es im dritten Quartal zuletzt eine Delle gab. Vor allem das Diagnostikgeschäft litt deutlich, da das Testaufkommen für Routine-Untersuchungen sank. Das Management sah jedoch die Talsohle erreicht und ging für das am 30. September beendete vierte Quartal wieder von deutlich besseren Geschäften aus. Test- und Untersuchungsvolumina hätten sich wieder erholt, erklärte Schmitz Anfang August. Die Zahlen für das Schlussquartal will Healthineers am 2. November vorlegen.
Für das Gesamtjahr 2019/20 rechnet das Unternehmen mit einem stabilen Umsatz auf vergleichbarer Basis - also ohne Übernahme- und Währungseffekte. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn je Aktie (EPS) soll zwischen 1,54 und 1,62 (Vorjahr: 1,70) Euro liegen. Ursprünglich hatte Healthineers bei beiden Werten mit einem Anstieg gerechnet, diese Prognose aber Anfang Mai wegen der coronabedingten Unsicherheiten zurückgezogen.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Auch Analysten erwarten für das vierte Geschäftsquartal wieder bessere Geschäfte im Vergleich zum dritten Jahresviertel. Umsatz und Ergebnis dürften jedoch unter dem Vorjahresniveau liegen. Seine Prognosen für das Gesamtjahr dürfte Healthineers laut einem vom Unternehmen zusammengestellten Konsens erreichen. Allerdings gehen die befragten Analysten von einem bereinigten EPS am unteren Ende der vom Konzern angepeilten Spanne aus.
Nach Einschätzung von Analyst Wasi Rizvi vom Analysehaus RBC dürfte der Medizintechnikkonzern im Schlussquartal weiterhin Gegenwind durch die Corona-Pandemie gespürt haben. Der Experte hofft jedoch, dass sich die Krise im angelaufenen neuen Geschäftsjahr auch als Auslöser für weltweit höhere Investitionen in die Medizinbranche erweisen könnte. Laut dem Berenberg-Experten Scott Bardo sollten die Verbesserungen zum Geschäftsjahresende hin den Weg für ein ordentliches neues Geschäftsjahr 2021 ebnen.
Die Übernahme von Varian schätzt die Analysten als strategisch sinnvoll ein, mit Blick auf die Kursentwicklung sind einige Branchenkenner allerdings skeptischer:
In der Strahlentherapie könne sich Healthineers nach dem Zukauf gut schlagen, schrieb etwa Lisa Bedell Clive von Bernstein Research. Auch die britische Investmentbank Barclays hält den Zukauf grundsätzlich für vernünftig. Ihr Analyst Hassan Al-Wakeel teilt allerdings einige der Bedenken am Markt, insbesondere was den hohen Preis und das Ausmaß der angestrebten Synergien angeht. Da im ersten Halbjahr eine weitere Kapitalerhöhung anstehen dürfte, rechnet der Experte mit einer Stagnation des Aktienkurses. Und auch Bernstein-Expertin Bedell Clive glaubt, dass der Deal für die Anleger vorerst nicht vorteilhaft sein werde. Langfristig jedoch verspreche der Zukauf strategische Vorteile.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die im Mittelwertesegment MDax notierte Aktie hat Anlegern seit dem Börsengang im März 2018 überwiegend Freude gemacht. Das Papier war zu 28 Euro ausgegeben worden, seitdem hat der Kurs kontinuierlich an Wert gewonnen. Allerdings litt auch Siemens Healthineers massiv unter dem Corona-Crash an den Börsen im Frühjahr. Von zuvor rund 45 Euro rutschte der Kurs unter 30 Euro ab. Nach dem Tief im März mit 28,50 Euro hat sich die Aktie jedoch rasch erholt. Die Aussicht auf gute Geschäfte mit den neuen Corona-Tests machte die vorherigen Kursverluste mehr als wett. Ende Mai übertraf die Aktie die Marke von 46 Euro und erreichte mit 47,265 Euro ein Rekordhoch.
Seit Bekanntgabe der Varian-Übernahme geht es jedoch bergab. So kamen die Aussicht auf mehrere Kapitalerhöhungen und der hohe Kaufpreis am Markt nicht gut an. Nachdem die Papiere im August bereits auf rund 40 Euro abgerutscht waren, gaben sie am Tag der Kapitalerhöhung Anfang September auf ein Zwischentief von rund 36 Euro nach. Seitdem schwankt die Aktie zwischen 36 und 38 Euro.
Für Anleger bedeutet die Kapitalerhöhung eine Gewinnverwässerung, da sich der Überschuss durch die erhöhte Aktienanzahl stärker verteilt. Insgesamt könnten nochmals etwa fünf Milliarden Euro in weiteren Schritten nötig werden, hieß es von Händlern. Das Unternehmen hatte bereits im August erklärt, sich auf der nächsten Hauptversammlung die Genehmigung für eine weitere Kapitalmaßnahme zu besorgen.
Healthineers gilt derweil als Kandidat für den Dax. Bislang hat vor allen ein niedriger Streubesitz die Aufnahme in den wichtigsten deutschen Aktienindex verhindert. Mit der sinkenden Beteiligung der Mutter Siemens sind jedoch die Hoffnungen deutlich gestiegen.
Das Unternehmen kommt zudem auf eine Marktkapitalisierung von gut 36 Milliarden Euro (Stand 30. Oktober). Vor der Varian-Ankündigung waren es sogar rund 45 Milliarden Euro.
/nas/tav/mis
ERLANGEN (dpa-AFX)
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