Sicherer Hafen

Schweizer Franken: Begehrt wie nie zuvor

22.07.11 09:00 Uhr

Der Schweizer Franken steigt und steigt. Folge des Misstrauens in Euro und Dollar. Doch wer dem Euro nicht traut, sollte sein Glück nicht allein beim Franken suchen.

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von Martin Blümel, Euro am Sonntag

Die Schweiz ist teuer. Laut Statistischem Amt der EU derzeit gar das teuerste Land Europas. Die Preise für Konsumgüter und Dienstleistungen lagen vergangenes Jahr gleich um 48 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Schuld daran sind zum einen hohe Steuern und Importquoten, zum anderen vor allem der Wechselkurs. Der Schweizer Franken wertet stetig auf, egal ob zum Euro, zum Dollar, zum Pfund oder zum Yen. Manch ein Eidgenosse geht sogar davon aus, dass bald die Parität mit Europas Gemeinschaftswährung erreicht wird: Für einen Euro gäbe es dann einen Franken. Kaum vorstellbar? Aktuell sind es pro Euro noch 1,16 Franken. Zum Vergleich: Im Januar lag der Tauschkurs noch bei 1,30 und im Jahr davor gar noch bei 1,50 Franken.

Woran liegt diese dramatische Aufwertung? Von Fluchtwährung ist die Rede: Der Franken gilt als „Safe Haven“. Zu groß scheint der Vertrauensverlust in die anderen bedeutenden Währungen der Welt: etwa in Euro, Dollar und Britisches Pfund. Nimmt man die Kaufkraft als Maßstab, sollte sich der Wechselkurs eigentlich zwischen 1,35 und 1,40 Franken einpendeln, die Währung also etwa 15 Prozent billiger sein. Jedoch: Ein Wechselkurs kann sehr lange von diesem theoretischen Wert abweichen. Gerade, wenn die Devisenwelt wie derzeit in hohem Maß von Emotionen bestimmt wird – beängstigend sind die Schuldenkrise in den USA und Europa und die Infla­tionsprobleme in Großbritannien.

Währungsrelationen sind immer auch eine Frage des Vertrauens. Und weil es daran bei Dollar, Euro und Pfund nachhaltig mangelt, könnte sich der Wertverfall fortsetzen und Fluchtwährungen wie Franken, Norwegische Krone und Yen könnten weiter an Stärke gewinnen – letztere Währung mag zum Franken schwach sein, nähert sich in Relation zum Dollar aber einem neuen Allzeithoch.


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Der Franken überstrahlt jedoch alles, ist Fluchtwährung Nummer 1. Da helfen auch keine Interventionen. Die Schweizer Notenbank hat das 2010 mit großem Einsatz versucht, der Effekt war aber schnell verpufft. Und auch die Forderung von einzelnen Schweizer Branchenverbänden dürfte ins Leere laufen: Man solle den Franken vorübergehend an den Euro binden, damit die Aufwertungsspirale ein Ende hat.

Die Forderung ist verständlich. Abhängig von Branche, Marktstellung und Exportlastigkeit haben die Schweizer Unternehmen mit dem ­hohen Frankenkurs zu kämpfen, schlägt er doch auf Erfolgsrechnung und Bilanz durch. Gesellschaften, die in Dollar kalkulieren, wie etwa der Industriekonzern ABB, werden in Franken weniger Gewinn präsentieren können als zu früheren Wechselkursen. Und auch die ohnehin ­geplagten Schweizer Banken, beispielsweise UBS oder Credit Suisse, bekommen zusätzliche Probleme – je vernetzter sie international sind, desto mehr. Positive Kehrseite der Frankenaufwertung: Importe werden billiger und die Kaufkraft der Schweizer im Ausland steigt.

Das Problem ist ohnehin nicht die Aufwertung an sich, sondern deren Geschwindigkeit, durch die schnelle Anpassungen seitens der Unternehmen, wie Kostensenkungsprogramme, nahezu unmöglich werden. Die Schweizer Exportindustrie steht ja seit jeher unter dem Druck, dass der Franken tendenziell stärker wird, und dennoch hat die Wettbewerbsfähigkeit nie gelitten. Im Gegenteil: Der Druck an der Währungsfront hat mit dazu beigetragen, dass sich die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen über die Jahrzehnte überdurchschnittlich stark entwickelt hat.

Wie weit steigt der Franken also noch? Wann greifen die Selbstreinigungskräfte des Markts? Sollte sich die Schweizer Wirtschaft durch die Exportprobleme deutlich abschwächen, sollte dies theoretisch auch den Franken schwächen. Genauso die Tatsache, dass die Zinsdifferenz wächst – etwa zum Euro. Doch was nutzt das, wenn das Vertrauen in die G 4-Währungen fehlt? Die UBS empfiehlt Diversifikation. Wer dem Euro nicht traut, sollte sein Glück nicht allein beim Franken suchen, sondern bei allen „fünf Freunden“, die nach UBS-Meinung das Währungsrisiko langfristig stabilisieren sollten. Das sind der Kanadische und Australische Dollar, die Schwedische und die Norwegische Krone sowie eben auch der Franken. Je nach Wirtschaftszyklus und globalem Wachstumsschwerpunkt dürfte immer ei- ne Währung besonders stark sein. Und eines haben alle fünf gemeinsam: solide Staatsfinanzen.