Automobilindustrie: Stabile Aussichten trotz wachsender Unsicherheit
Die Rating Trends für die Automobilindustrie weltweit sind überwiegend stabil.
Obwohl die wirtschaftlichen und Marktbedingungen sich regional stark unterscheiden, prognostiziert Standard & Poor’s Ratings Services in der im Oktober 2015 veröffentlichten Studie "The Global Automotive Industry Faces Mounting Uncertainties" Zuwächse beim Autoverkauf im niedrigen einstelligen Bereich. Zwar wird sich die wirtschaftliche Abschwächung in China auf die Ergebnisse im zweiten Halbjahr 2015 auswirken. Auf die Ratings sollte sich dies jedoch besonders auswirken, da bei den einzelnen Kreditkennzahlen der Automobilhersteller noch Luft nach oben ist.
Für Europa sieht Standard & Poor’s einige Faktoren, die das an sich positive Momentum für die Automobilindustrie negativ beeinflussen können: Neben den nach wie vor schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in vielen europäischen Ländern sind vor allem hohe Treibstoffsteuern, die Unsicherheiten bezüglich der Zukunft des Dieselmotors nach den Emissionsmanipulationen von VW, aber auch die Frage von Luftverschmutzung in den Städten zu nennen. Dennoch erwartet Standard & Poor’s für 2015 die Expansion von Verkäufen von Leichtfahrzeugen in Westeuropa um 5 % auf ca. 14,5 Millionen Einheiten. Abwrackprämien befördern zudem die Binnennachfrage z.B. in Spanien und in Italien, wo zweistellige Zuwachsraten verzeichnet werden.
Chinas Schwäche beeinflusst die Gewinne einiger Autobauer
Das Wachstum in anderen großen Märkten bleibt eher schwach; auch in den Schwellenländern zeichnet sich kein Aufschwung ab. Dies trifft insbesondere auf Russland und Brasilien zu, wo Verkaufsvolumina in diesem Jahr bereits empfindlich gesunken sind. Auch der chinesische Automarkt, der in den letzten Jahren die hauptsächliche Quelle für das globale Wachstum der Branche darstellte, erlebt zurzeit einen Wendepunkt. Seit Juni 2015 gehen die monatlichen Pkw-Verkäufe zurück. Diese Wachstumsverlangsamung in China wird wahrscheinlich die Profitabilität derjenigen Autobauer verringern, die am stärksten an diesem Markt exponiert sind. Während die Auswirkungen eines geringeren Absatzvolumens für nichtchinesische Erstausrüster und Händler überschaubar sein sollten, scheinen Verkäufe in China profitabler zu sein als in anderen Ländern. Entsprechend könnte ein Rückgang hier auch negativere Konsequenzen haben.
Standard & Poor’s erwartet, dass die Effekte dieser Entwicklung in China in den letzten Monaten von 2015 und 2016 sichtbar werden. Mit Blick auf die europäischen Autobauer werden insbesondere die Premium-Marken - VW, BMW und Daimler sowie Jaguar Land Rover - am stärksten betroffen sein, da sie im letzten Jahr mindestens 15 % bis 30 % des konsolidierten operativen Konzernergebnisses aus Verkäufen in China bezogen.
Langfristige Investitionen auf dem Prüfstand
Standard & Poor’s geht davon aus, dass die Unternehmen ihre Capex-Strategie anpassen werden, um diese Entwicklung abzufedern. Dies könnte Einschnitte bei der Kapazitätsexpansion oder eine Fokussierung auf Inlandproduktion anstelle von Exporten bedeuten. Gleichzeitig erwartet Standard & Poors, dass die Aufsichtsbehörden die Prüfungen der Emissionswerte in der gesamten Branche verstärken werden. Dies wiederum könnte langfristige Investitionen in diesem Bereich erfordern und Kreditverbesserungen in 2016 begrenzen.Von Eric Tanguy, Analyst von Standard & Poor’s Ratings Services in Paris
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
Bildquellen: Krom1975 / Shutterstock.com