ROUNDUP 3: Trump-Schock erhöht Druck für Schwarz-Rot
(Aktualisierung: Klingbeil u.a. zu Fortsetzung am Montag, 2. Abs.)
BERLIN (dpa-AFX) - Für Friedrich Merz ist die Operation Schwarz-Rot eigentlich schon schwierig genug. Der CDU-Chef und Sieger der Bundestagswahl will sich mit der SPD möglichst zügig über eine neue Regierung einig werden. Doch noch in die Anlaufphase platzt jetzt die Eskalation zwischen den USA und der Ukraine und lässt den Druck auf die Verhandlungen weiter steigen. Gleich zu Beginn der neuen Woche soll es mit den Sondierungen weitergehen. Im Blick stehen auch Schritte, kurzfristig frische Milliarden für die Verteidigung zu mobilisieren.
Die Schockwellen, nachdem US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus mit Vorwürfen überzogen hatte, erreichten natürlich auch die Sondierer in Berlin. Eine Art Karnevalspause an Rosenmontag und Faschingsdienstag sollte es ohnehin nicht geben. Nach dem Auftakt am Freitag steckten Experten am Sonntag die Köpfe zusammen, wie SPD-Chef Lars Klingbeil am Abend in der ARD sagte. Ab diesem Montag werde man dann weiterreden. Dabei wollten beide Seiten "sehr schnell gucken, ob wir da auf einen gemeinsamen Weg kommen".
Söder: Alles tun für baldige Regierung
CSU-Chef Markus Söder bekräftigte nach dem Eklat in Washington das Ziel, zu einer Verständigung zu kommen. "Wir werden alles dafür tun, um bald eine neue und stabile Bundesregierung zu haben", schrieb er auf der Plattform X. Union und SPD stünden in einer neuen Verantwortungsgemeinschaft. "Jeder wird über seinen Schatten springen müssen, aber am Ende kann daraus eine neue Stärke für unser Land und ganz Europa erwachsen. Vielleicht ist das der Weckruf, den wir alle brauchen, um in Deutschland über uns hinauszuwachsen."
Weit oben auf der Agenda steht dafür, deutlich mehr Geld für Sicherheit und Verteidigung zusammenzubringen - für die Bundeswehr, aber auch für mehr Eigenständigkeit Europas unabhängig von den USA und eine womöglich noch stärkere Unterstützung der Ukraine. "Deutschland und Europa müssen aufrüsten: militärisch, wirtschaftlich und technologisch", formulierte es Söder.
Grüne werben für Reform der Schuldenbremse
Schnelles Handeln forderte auch Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen, die nicht an der Regierungsbildung beteiligt sind - aber trotzdem bei kurzfristigen überparteilichen Lösungen mit ins Spiel kommen könnten. "Bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung können wir damit nicht warten, denn die Lage ist ernst", mahnte Baerbock am Samstag. In den Wochen des Übergangs seien jetzt alle demokratischen Parteien und eine "engste Abstimmung" zwischen der amtierenden und der künftigen Bundesregierung gefragt.
Im Gespräch ist ein neues und größeres schuldenfinanziertes Sondervermögen nach Vorbild des 100-Milliarden-Topfes für die Bundeswehr kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Baerbock nannte dies aber die schlechtere Variante. "Sie hilft der Ukraine nicht, und wir können sie nicht für alle Bereiche einsetzen, die für unsere Verteidigung wichtig sind." Das betreffe etwa Maßnahmen gegen Bedrohungen im Cyberraum. Baerbock warb dafür, vielmehr über eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse zu sprechen.
Alter oder neuer Bundestag?
Merz hatte kurz nach der Wahl bereits deutlich gemacht, dass er eine solche große Reform noch vor Zusammentritt des neuen Bundestags ablehnt. Zu klären ist überhaupt, ob noch einmal das alte Parlament aktiviert werden sollte, das bis dahin mit allen Kompetenzen weiter besteht. Im neuen Bundestag haben Union, SPD und Grüne keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr, die aber für mögliche Grundgesetzänderungen erforderlich wäre.
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth mahnte Tempo bei der Koalitionsbildung an. "Wir können nicht bis Mai warten, bis eine Regierung steht", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für Verteidigung und Sicherheit sei schnell mehr Geld nötig. "Als Zwischenschritt muss Deutschland ohne langes Hin und Her ein Sondervermögen aufsetzen. Dass danach über die Schuldenbremse geredet werden muss, ist angesichts der dramatischen Lage jedem klar."
Engere Abstimmungen
Neben Geldfragen hat der Trump-Schock auch weitere Folgen - unter anderem für engere Abstimmungen in der Übergangszeit. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Merz telefonierten noch am Freitagabend nach dem Eklat miteinander, wie der dpa in Berlin bestätigt wurde. Zunächst berichtete die "Süddeutsche Zeitung" darüber. Scholz reist nach einer Ukraine-Konferenz in London am Sonntag als nächstes an diesem Donnerstag zu einem EU-Sondergipfel.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sagte dem "Tagesspiegel", Merz stehe in Kontakt mit Kanzler Scholz und er mit dessen Sicherheitsberater Jens Plötner, "um die Linien bei ihren Treffen in London und Brüssel abzustimmen". Wadephul stellte in Aussicht, dass Merz auch Trump schnellstmöglich treffen und dann "hoffentlich schon höhere Verteidigungsausgaben im Gepäck" haben werde. Trumps Ex-Sicherheitsberater John Bolton empfahl Merz, schon vor einer möglichen Wahl zum Kanzler den Kontakt zu suchen. "Bis Ende April zu warten, wäre verkehrt", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Schnell eine starke Regierung"
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief nach dem Eklat zu einer zügigen Koalitionsbildung auf. Die Szene im Weißen Haus habe ihm den Atem stocken lassen. "Nie hätte ich geglaubt, dass wir einmal die Ukraine vor den USA in Schutz nehmen müssen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Wir müssen verhindern, dass die Ukraine eine Unterwerfung akzeptieren muss. Deshalb braucht unser Land jetzt schnell eine starke Regierung."/sam/DP/he