ROUNDUP 2: Was bei den Bahn-Tarifverhandlungen diesmal anders ist
(Neu: Einstieg neu gefasst und Eingangsstatements ergänzt.)
BERLIN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Seit dem Vormittag wird bei der Deutschen Bahn wieder über Tarife verhandelt - diesmal möglicherweise ganz ohne Warnstreiks. Sowohl der bundeseigene Konzern als auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft wollen noch vor der Bundestagswahl fertig werden und drücken daher aufs Tempo. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Drohen Fahrgästen nun wieder Warnstreiks?
Mit Warnstreiks legen die Gewerkschaften den DB-Fernverkehr im Laufe von Tarifverhandlungen immer wieder weitgehend lahm. So erhöhen sie den Druck auf die Arbeitgeberseite. Diesmal ist jedoch vieles anders. Der aktuelle Tarifvertrag - und die damit einhergehende Friedenspflicht - läuft noch bis Ende März. Bestenfalls haben beide Seiten sich bis dahin geeinigt.
Die Gewerkschaft sei zu "zügigen und konstruktiven Verhandlungen" bereit, sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay vor dem ersten Treffen in Frankfurt. Die Beschäftigten brauchten Klarheit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ein möglicher Streik ab April sei nur "das letzte Mittel".
Die Bahn wiederum hat schon zur ersten Runde ein Angebot mitgebracht. "Damit wollen wir ein klares Signal setzen für eine zügige Lösung", sagte Personalvorstand Martin Seiler in Frankfurt, ohne Details zu nennen.
Wieso wird bei der Bahn ständig über Tarife verhandelt?
Bahnkundinnen und -kunden haben mitunter das Gefühl, Tarifverhandlungen bei der DB seien ein Dauerzustand. Seit 2023 wurde in jedem Jahr um Tarife gerungen. Schließlich kämpfen gleich zwei Gewerkschaften um Einfluss bei der Bahn. Neben der EVG gibt es noch die kleinere, aber umso streitbarere Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Die Tarifverträge mit den beiden Arbeitnehmervertretungen haben stets unterschiedlich lange Laufzeiten. So dauerte es nach der Einigung zwischen Bahn und EVG im Jahr 2023 nur wenige Monate bis zum Beginn der GDL-Tarifrunde im November. Diese zog sich über Monate bis weit ins Folgejahr hinein. Die Auseinandersetzungen waren jeweils von längeren Arbeitskämpfen geprägt. Ein kleiner Trost: Sollten sich die EVG und die Bahn nun tatsächlich innerhalb weniger Wochen einigen, haben Fahrgäste noch bis Ende Februar 2026 Ruhe. Erst dann endet die Friedenspflicht für die GDL.
Mit welchen Forderungen geht die EVG in die Verhandlungen?
7,6 Prozent mehr Geld sollen es nach dem Willen der Gewerkschaft für die rund 192.000 Beschäftigten werden, für die die EVG-Tarifverträge gelten. Schichtarbeiter sollen außerdem ein Zusatzgeld von 2,6 Prozent bekommen, das zum Teil in freie Tage umwandelbar sein soll. Für EVG-Mitglieder soll es zudem eine Bonuszahlung in Höhe von 500 Euro geben. Und: Alle Beschäftigten sollen ihren Job garantiert bis Ende 2027 behalten. Eine bestimmte Laufzeit fordert die Gewerkschaft nicht.
"In dieser Tarifrunde sind uns mehr Wertschätzung für harte Arbeit und die Sicherheit von Einkommen und Beschäftigung wichtig", sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay. Zugleich machte die Gewerkschafterin klar, dass man das Druckmittel Streik nicht aus der Hand lege. Es werde keinen Abschluss um jeden Preis geben. Wenn man in den Verhandlungen nicht weiterkomme, sei vom 1. April an alles möglich
Welche Rolle spielt die vorgezogene Bundestagswahl?
Die Wahl am 23. Februar ist zumindest maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Verhandlungen heute schon beginnen. Aufgrund der Ungewissheit, die eine neue Bundesregierung für die Bahn bringen könnte, bat die EVG um vorgezogene Verhandlungen. Denn die Union, die die nächste Regierung anführen könnte, fordert schon lange die Zerschlagung der Bahn.
"Für mehr Wettbewerb müssen Infrastruktur- und Transportbereich stärker als bisher voneinander getrennt werden", heißt es im Wahlprogramm. Die EVG lehnt das vehement ab und argumentiert, dass damit keines der Probleme bei der Bahn gelöst werde.
Damit die Verhandlungen möglichst schnell Tempo aufnehmen, fordert die Gewerkschaft von der Bahn, dass sie schon heute ein Angebot vorlegt. Man müsse "die wenige Zeit, die uns bleibt, nutzen", um bis zur Bundestagswahl voranzukommen, sagte Ingenschay.
Die Bahn hat sich bislang nicht dazu geäußert, ob sie diesem Wunsch nachkommen wird. Personalvorstand Martin Seiler sagte jedoch: "Für die Sanierung brauchen wir Stabilität und Planungssicherheit, damit die DB wieder wirtschaftlicher und zuverlässiger wird."
In welchem Zustand ist die Bahn?
Die Bahn steckt in der Krise - wirtschaftlich und betrieblich. Im vergangenen Jahr waren die Fernzüge unter anderem aufgrund der maroden Infrastruktur so unpünktlich wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Mehr als jeder dritte ICE und ICE war mit Verspätungen unterwegs.
Die Bahn will wichtige Teile des Schienennetzes in den nächsten Jahren umfassend sanieren. Doch nach dem Aus der "Ampel"-Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist unklar, ob der Bund die notwendigen Milliarden weiter zur Verfügung stellt.
Gleichzeitig hat die Bahn finanzielle Probleme. Sie ist hoch verschuldet. Wichtige Sparten, wie die Güterverkehrstochter DB Cargo, fahren seit Jahren hohe Verluste ein. Auch hier will die Bahn sanieren. Tausende Stellen sollen in den nächsten Jahren wegfallen. In den Tarifverhandlungen mit der EVG dürfte der finanziell enge Spielraum ein Knackpunkt werden./wim/DP/mis