Auf zum Dividendenparadies: Die heimlichen Favoriten
Wer mit Dividenden ein Vermögen aufbauen will, sollte nicht wahllos nach Aktien mit besonders hoher Rendite greifen. Wichtiger ist eine stetige Dividendenpolitik der Unternehmen.
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von Sven Parplies, €uro am Sonntag
Eingefleischte Siemens-Aktionäre werden sich vielleicht erinnern: 1987 gab es richtig Ärger im Konzern. Wegen Verzögerungen beim Bau einer Fabrik zur Fertigung von Ein-Megabit-Chips. Auch die Expansion in den USA lief nicht wie geplant. Verstärkt wurde das Gefühl der Krise durch den weltweiten Aktienmarkt-Crash im Oktober. Siemens zog Konsequenzen: Die Dividende wurde gekürzt, von zwölf auf elf D-Mark.
Zumindest beim Thema Dividende hat sich der Münchner Industriekonzern zu einem Musterunternehmen gewandelt: Seit dem Einschnitt 1987 hat Siemens die Ausschüttung an seine Aktionäre in jedem Jahr zumindest konstant gehalten. Allein über die vergangenen zehn Jahre ist die Gewinnbeteiligung im Schnitt um zehn Prozent gestiegen. Bis 2017 rechnen Analysten mit weiteren Aufschlägen von durchschnittlich sechseinhalb Prozent.
Eine Dividendenserie von Siemens ist keineswegs selbstverständlich. Eine Auswertung von €uro am Sonntag zeigt: 48-mal haben die 30 aktuellen DAX-Mitglieder allein in den vergangenen zehn Jahren ihre Ausschüttung gesenkt oder gar kein Geld gezahlt. Macht rechnerisch bei jedem Unternehmen etwa alle sechs Jahre eine Enttäuschung.
Besonders geballt kamen die Rückschläge für die Geschäftsjahre 2008 und 2009, als die große Finanzkrise die Weltwirtschaft erschütterte. Zwei Drittel der DAX-Konzerne kürzten in dieser Phase ihre Ausschüttung oder kassierten sie komplett. Die Krisenjahre zeigen damit, auf welche Unternehmen Aktionäre sich wirklich verlassen können. Zehn DAX-Mitglieder überstanden den ultimativen Härtetest: Bayer, Beiersdorf, Deutsche Börse, Fresenius, Fresenius Medical Care, Henkel, Linde, Munich Re, SAP und Siemens hielten die Dividende zumindest stabil. Nur einer fiel später doch noch aus der Reihe: Die Deutsche Börse kürzte ihre Dividende für das Geschäftsjahr 2012 und hat sie seitdem nicht mehr angehoben.
Dividenden sind für viele Aktionäre ein wichtiger Bestandteil ihrer Vermögensplanung. Ältere Menschen setzen auf eine möglichst hohe Ausschüttung, um damit ganz oder teilweise ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, ohne die Substanz des Vermögens aufzufressen - eine Kürzung oder gar ein kompletter Ausfall der Dividende kann da die gesamte Planung zerstören.
Dividendenparadies
Auch für Anleger, die erst noch ein Vermögen aufbauen, ist die Dividende wichtig. Denn sie hilft, substanzstarke Werte zu identifizieren. Unternehmen mit zuverlässiger Ausschüttung haben "ein erprobtes Geschäftsmodell und verfolgen eine langfristige Strategie", erklärt Fondsmanager Stephen Thornber den Charme von Dividendenstrategien.
Die zuverlässigsten Bargeldlieferanten finden sich in den USA. Dort gibt es Unternehmen, die seit mehr als einem halben Jahrhundert regelmäßig mehr Geld ausschütten. Coca-Cola und Procter & Gamble gehören zu diesen Klassikern. Das Geschäftsmodell ist bei allen drei ähnlich: Fundament des Erfolgs sind starke Marken, die unabhängig von Launen der Weltwirtschaft gefragt sind. Im Zuge der Globalisierung werden die Produkte in immer mehr Regionen der Welt verkauft. Mit wachsender Größe können Kosten gesenkt und Gewinne weiter verbessert werden.
Auf den ersten Blick sind die Renditen der Dividendenstars nicht spektakulär. Beim Schweizer Nahrungsmittelhersteller Nestlé etwa erwarten Analysten für das laufende Geschäftsjahr eine Dividende von 2,25 Schweizer Franken. Gemessen am aktuellen Aktienkurs entspricht das einer Rendite von rund drei Prozent. Ganz anders sieht es für einen langjährigen Nestlé-Aktionär aus: Wer die Aktie vor zehn Jahren zu einem Kurs von knapp 30 Franken eingekauft hat, kommt gemessen am Einstandskurs auf Basis der aktuellen Dividende auf eine Rendite von mehr als sieben Prozent. Nebenbei hat dieser Aktionär über die vergangenen zehn Jahre insgesamt 16,36 Franken an Dividenden eingesammelt - mehr als die Hälfte seines ursprünglichen Investments. Geduld hat sich also ausgezahlt.
Wer zu schnell zu viel will, muss hingegen mit unangenehmen Überraschungen rechnen: Dividendenrenditen von mehr als sechs Prozent sind meist ein Alarmsignal. Wie beim Öldienstleister Seadrill. Die Norweger kamen in den Hochrechnungen vieler Analysten im vergangenen Jahr auf eine Dividendenrendite im zweistelligen Prozentbereich - aber nur weil die Schätzungen unrealistisch waren. Seadrill kündigte schließlich an, vorerst kein Geld mehr auszuschütten.
Raus aus der Renditefalle
In Deutschland wurde die Dividende von Unternehmen lange vernachlässigt. Die wachsende Zahl großer Aktionäre aus den USA und Großbritannien aber hat den Druck auf die Entscheidungsträger erhöht. Eine neue Dynamik hat die Zinsentwicklung gebracht: Wer verlässliche Erträge erzielen wollte, setzte über Jahrzehnte hinweg auf Anleihen stabiler Staaten. Eine zehnjährige Bundesanleihe etwa warf vor fünf Jahren noch drei Prozent Rendite ab. Seit aber die Notenbank der westlichen Welt die Leitzinsen nahezu auf null gedrückt haben, ist mit Anleihen kaum noch Geld zu verdienen. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ist Anfang April auf 0,2 Prozent geschrumpft - gemessen daran sind die zweieinhalb Prozent Dividendenrendite des DAX sehr gut.
Die höhere Rendite vieler Aktien hat aber einen Preis: Risiko. Bei einer Staatsanleihe eines gesunden Landes erhält ein Investor am Ende der Laufzeit seinen Einsatz zurück. Bei einer Aktie gibt es keine Garantien - der Kurs kann steigen, aber auch ins Minus rutschen. Besonders in Krisenphasen hilft die Dividende: Die Nestlé-Aktie verlor in den Jahren 2008/09 mehr als 30 Prozent - die Dividende hat Nestlé trotzdem weiter angehoben und es seinen Aktionären damit leichter gemacht, die damals tobende Weltwirtschaftskrise auszusitzen. Die Konzerne reagieren auf die Renditenot der Investoren. Der Finanzdienstleister Markit hat errechnet, dass die Dividenden amerikanischer Unternehmen 2014 um zwölf Prozent gestiegen sind. Für das laufende Jahr wird ein Aufschlag von noch einmal neun Prozent erwartet. Ähnlich sieht es auch in Europa aus.
Immer mehr Unternehmen wollen Anlegern nicht nur eine attraktive Dividende, sondern auch Verlässlichkeit bieten. Die Deutsche Telekom etwa, nach Dividendenkürzungen bei vielen in Ungnade gefallen, hat bis zum Jahr 2018 eine Mindestdividende von 50 Cent als Ziel ausgegeben. Damit könnten Anleger ausgehend vom aktuellen Aktienkurs vorerst mit einer Verzinsung von rund drei Prozent rechnen - unabhängig von der Kursentwicklung der Aktie.
Besonders offensiv wird die Allianz. Der Versicherungskonzern will künftig die Hälfte seines Jahresgewinns ausschütten. Zusätzlich soll die Dividende stets auf dem Niveau des jeweiligen Vorjahres gehalten werden. Damit wäre bei 6,85 Euro je Aktie - diesen Betrag will die Allianz nach der Hauptversammlung Anfang Mai ausschütten - ein Boden gezogen, der bei aktuellen Kursen einer Rendite von etwas mehr als vier Prozent entspricht. Der Härtetest für die Dividendenpolitik steht Allianz allerdings noch bevor: Bindend sind die Versprechen der Konzerne nicht.
Selbst Legenden können unter Druck geraten. Sorgen bereitet ausgerechnet Coca-Cola. Für den Softdrinkhersteller ist die braune Zuckerbrause noch immer die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle. Weil selbst in der Fast-Food-Hochburg Amerika die Konsumenten auf eine gesündere Ernährung achten, schrumpft der Absatz und damit der Konzerngewinn. Auch der starke Dollar belastet, weil der Konzern einen erheblichen Teil seines Geschäfts in fremden Währungen erwirtschaftet. Das alles macht es für Coca-Cola schwieriger, Dividendensteigerungen zu finanzieren.
Bedrohliche Durststrecke
Abzulesen ist die Misere des Brausekonzerns an der Ausschüttungsquote: Diese Kennziffer setzt den Jahresgewinn eines Unternehmens in Relation zur gezahlten Dividende. Je größer die Quote, desto weniger Spielraum bleibt, die Dividende auch in einem schwächeren Jahr zu steigern. Europaweit lag die Ausschüttungsquote laut Markit im vergangenen Jahr bei 53 Prozent. Die Unternehmen haben also etwas mehr als die Hälfte ihrer Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet.
Bei Unternehmen aus zyklischen Branchen gelten Ausschüttungsquoten von mehr als 60 Prozent als gefährlich, bei substanzstarken Unternehmen Werte über 80 Prozent. Dieser Zone nähert sich Coca-Cola. Der Brausekonzern erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Gewinn vom 1,61 Dollar je Aktie. Dem steht eine Dividendenzahlung von 1,22 Dollar entgegen. Coca-Cola schüttet also drei Viertel des Konzerngewinns aus. Die Quote hat sich in fünf Jahren mehr als verdoppelt.
Mehr Spielraum hat Nestlé. Auch die Schweizer haben zuletzt eher enttäuschende Geschäftszahlen präsentiert. Die Ausschüttungsquote lag für das vergangene Jahr trotzdem knapp unter 50 Prozent, also auf einem gesunden Niveau.
Auf der Suche nach attraktiven Dividendenwerten hat €uro am Sonntag mithilfe der Datenbank des Finanzdienstes Bloomberg die Aktienmärkte durchsucht - nach Unternehmen mit einer überdurchschnittlich hohen Rendite, die zugleich bei der Ausschüttungsquote noch nicht in bedrohliche Dimensionen vorgestoßen sind und in der Vergangenheit möglichst regelmäßig Dividende gezahlt haben.
Die meisten Dividenden-Dauerläufer des DAX haben Spielraum für weiter steigende Auszahlungen. Allerdings liegt die Dividendenrendite bei Top-Unternehmen wie Bayer und Linde unter zwei Prozent. Das ist vielen Anlegern zu wenig. Mehr als drei Prozent und eine lange Serie ohne Dividendenkürzung können im DAX nur Munich Re und Siemens vorweisen. Munich Re hat ihre Ausschüttung sogar seit 1970 nicht gesenkt. Die Dividendenrendite ist derzeit allerdings rund einen halben Prozentpunkt niedriger als bei der Allianz.
Siemens hat das Manko, dass der Riesenkonzern aufgrund seiner komplexen Strukturen immer wieder durch interne Probleme zurückgeworfen wird. Anleger konnten deshalb zwar regelmäßig Bargeldausschüttungen verbuchen, langfristig betrachtet aber kaum Kursgewinne.
Einer der heimlichen Favoriten von Dividendenjägern im DAX ist BASF. Das Geschäft eines Chemiekonzerns ist stark zyklisch, dennoch hat die Dividende bei BASF einen hohen Stellenwert: Nur einmal in den vergangenen zehn Jahren - während der großen Finanzkriese - wurde die Zahlung an die Aktionäre gesenkt. Die Ausschüttungsquote liegt mit 50 Prozent auf einem guten Niveau.
Auch in der zweiten Reihe finden sich Dividendenwerte: Der Telekomdienstleister Freenet ist eines der wenigen deutschen Unternehmen, die auf über fünf Prozent Rendite kommen. Die Ausschüttungsquote ist mit knapp 80 Prozent hoch, nach Einschätzung von Analysten aber zu halten. Viel Geld schüttet auch Hugo Boss aus: Die Modefirma will 60 bis 80 Prozent des Jahresgewinns an ihre Aktionäre verteilen. Das hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren trotz Investitionen in das operative Geschäft geschafft.
Bei ausländischen Unternehmen sollten Anleger die Steuervorschriften berücksichtigen, sich bei guten Firmen aber nicht von der Bürokratie abschrecken lassen. Nestlé oder Procter & Gamble sind Basisinvestments für langfristig orientierte Anleger.
Der Pharmakonzern Roche bietet nicht nur eine höhere Dividendenrendite als der deutsche Bayer-Konzern. Die Schweizer halten auch einen besonderen Rekord: In diesem Jahr hat Roche zum 28. Mal in Folge die Dividende angehoben - länger als jeder andere große Konzern in Europa.
Investor-Info
Wer legt die Dividende fest?
Aktionäre sind Miteigentümer eines Unternehmens. Deshalb sollten sie am Erfolg beteiligt werden. Ein Weg ist die Bargeldausschüttung. Nach Ende des Geschäftsjahres macht das Unternehmen einen konkreten Vorschlag, wie viel Geld für jede Aktie ausgeschüttet werden soll. Das letzte Wort haben die Aktionäre - sie müssen auf der Hauptversammlung dem Dividendenvorschlag zustimmen.
Wer bekommt Dividende?
Bei den meisten deutschen Unternehmen muss ein Anleger die Aktie spätestens am Tag der Hauptversammlung kaufen und nach Handelsschluss dieses Tages noch immer im Depot haben. Wer die Aktie 364 Tage besitzt, sie aber ausgerechnet am Tag der Hauptversammlung verkauft, geht leer aus.
Wann wird gezahlt?
Die Dividende wird bei deutschen Unternehmen meist am Tag nach der Hauptversammlung an die Aktionäre überwiesen. Amerikanische Unternehmen verteilen ihre Dividende gewöhnlich gleichmäßig über vier Quartale. Britische Unternehmen haben meist zwei Zahltage. In der Schweiz ist wie in Deutschland eine große Ausschüttung üblich.
Gibt es immer Geld?
Einige Unternehmen bieten die Möglichkeit, die Bardividende in neue Aktien zu tauschen. Dadurch spart das Unternehmen Geld, langfristig orientierte Aktionäre können stärker von künftigen Kursgewinnen profitieren. In Deutschland ist ein solches Angebot selten. Bei Eon können Anleger 36 Cent der diesjährigen Dividende in Höhe von 50 Cent in Aktien wandeln und die restlichen 14 Cent bar kassieren. Auch bei der Deutschen Telekom wird es in diesem Jahr wieder ein Tauschangebot geben.
Ist jede Aktie gleich?
Einige Unternehmen haben Vorzugs- und Stammaktien. Die Stammaktie gibt das Recht, auf der Hauptversammlung abzustimmen. Bei einer Vorzugsaktie verzichtet der Investor auf das Stimmrecht, erhält aber eine leicht höhere Dividende. Vorzugs- und Stammaktien gibt es oft bei Unternehmen, die von Gründerfamilien kontrolliert werden.
Wie reagiert der Aktienkurs?
Mit der Dividende gibt das Management ohne Gegenleistung Geld heraus. Das Unternehmen verliert durch die Ausschüttung also an Wert. Dieser Wertverlust führt dazu, dass der Aktienkurs am Tag der Ausschüttung fällt. Dieser Dividendenabschlag entspricht in der Theorie der Höhe der Dividende.
Was ist Dividendenrendite?
Die Kennziffer wird errechnet, indem man die Dividende je Aktie durch den aktuellen Aktienkurs teilt und das Ergebnis mit 100 multipliziert. Bei fünf Prozent erhält ein Anleger mit einer Dividendenzahlung fünf Prozent des Börsenwerts ausgezahlt. Die Dividendenrendite schwankt mit dem Aktienkurs. Als Basis für die Dividende je Aktie dient meist die nächste erwartete Dividende. Die tatsächliche Dividende kann höher oder tiefer ausfallen als erwartet.Ausgewählte Hebelprodukte auf Allianz
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