Schweizer Aktien: Hopp Schwyz!
Sicherheit und defensive Werte sind wieder gefragt. Beides bieten die Eidgenossen: Sie haben krisensichere Konzerne, deren Aktien in Schweizer Franken notieren. Wie die Chancen auf weiter steigende Kurse stehen.
Werte in diesem Artikel
von Andreas Höß, Euro am Sonntag
Berge, Banken, Schokolade: Wenn es um die Schweiz geht, geht es immer auch um Klischees. Doch während sich unter deutschen Pickelhauben der Ärger staut, dass man im Ausland nur mit „Autobahn“ und „Sparkurs“ assoziiert wird, sehen die Eidgenossen das herrschende Schweiz-Bild als Teil ihres Kapitals und bleiben gelassen: Das Bergidyll lockt nicht nur Touristen ins Land, sondern auch Geld.
Sie haben es gut erwischt, die Schweizer, die als erfolgreich und diskret gelten. Auch wenn sich der Alpenstaat langsam von seinem Status als Steueroase verabschiedet — das Geld bleibt nicht aus. Anleger pumpten zuletzt Milliarden in den Schweizer Aktienmarkt. Der Swiss Market Index (SMI) stieg seit Jahresanfang um fast 15 Prozent und ließ nicht nur den deutschen DAX still und leise hinter sich.
Wirtschaft mit festem Tritt
Ein furioser Gipfelsturm, den man mit der wirtschaftlichen Stärke der Schweiz begründen kann. Verglichen mit dem Rest Europas ist das Land tatsächlich ein Idyll. Selbst die stabilitätsorientierten Deutschen hätten wegen ihrer hohen Staatsschulden Schwierigkeiten, erneut in die Währungsunion aufgenommen zu werden. Die Schweizer Verbindlichkeiten bleiben mit rund 45 Prozent der Wirtschaftsleistung weit unter der Messlatte von Maastricht, die bei 60 Prozent liegt. Die Wirtschaft hat festen Tritt gefasst, die Schweizer sind in Kauflaune. Nur drei von 100 Eidgenossen sind ohne Job, in Deutschland ist die Arbeitslosenquote mehr als doppelt so hoch. Und mit rund drei Prozent ist die Wirtschaft zudem im letzten Quartal des vergangenen Jahres überraschend stark gewachsen. Die Schweizer Regierung erwartet in diesem Jahr 1,3, im kommenden 2,1 Prozent Wirtschaftswachstum.
Ein echtes Alpenglühen ist das aber nicht. Dem Schweizer Aktienmarkt könnte jedoch helfen, dass die Aussichten weltweit nicht gerade rosig sind. Denn in der Schweiz tummeln sich viele Konzerne, die auch in schlechten Zeiten gute Geschäfte machen. „Wir haben einen sehr defensiven Aktienmarkt“, sagt Gabriel Bartholdi von der Schweizer Privatbank Sarasin.
Besonders die drei dicksten Brocken gehören zu den Lieblingsaktien der Fondsmanager weltweit: der Konsumgüterriese Nestlé und die Pharma- und Gesundheitskonzerne Novartis und Roche. Ihr Börsenwert beträgt zusammen fast 600 Milliarden Franken — rund 60 Prozent der Marktkapitalisierung des Schweizer Leitindex SMI. Steigen diese drei Aktien, klettert der ganze Markt. Die von Skandalen und Nachwehen der Finanzkrise gebeutelten Schweizer Banken fallen dagegen kaum noch ins Gewicht.
Weil sich das Wirtschaftswachstum weltweit wieder verlangsamt, waren die Schweizer Schwergewichte zuletzt stark gefragt. Das Kalkül der Fondsmanager: Ein Autokauf lässt sich verschieben, Lebensmittel und Medikamente werden immer gebraucht. Und da Nestlé, Novartis und Roche ihren Anlegern Dividenden ausschütten, lassen sich mit diesen Papieren Abstürze besser überstehen.
Refugium im Herzen Europas
Die Stärke der Schweizer Aktien ist somit auch ein Warnhinweis, dass internationale Anleger momentan Sicherheit suchen. Die Anleger flüchten gern in die kühle Abgeschiedenheit der Schweizer Berge, wenn es im Rest Europas zu heiß wird.
Ablesbar war das bisher am Wechselkurs des Schweizer Franken. Als im Sommer 2011 erstmals echte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Italiens und Spaniens aufkamen und Europa über die Griechenland-Rettung in Richtung Transferunion stolperte, zogen viele Großinvestoren Geld aus Europas Krisenländern ab und deckten sich im großen Stil mit Schweizer Staatsanleihen ein. Wie Deutschland musste die Schweiz Gläubigern kaum noch Zinsen bieten, der Kurs des Schweizer Franken erklomm neue Höhen.
Was für die Staatsfinanzen eine Wohltat war, war für die Wirtschaft eine Last. Touristen blieben aus, weil sie sich den Urlaub dort nicht mehr leisten konnten. Die Schweizer gingen jenseits der Grenzen auf Einkaufstour und zogen günstige deutsche Wurst dem berühmten heimischen Käse vor. Die Geschäfte der Konzerne liefen schleppend, ihre Produkte wurden im Ausland einfach zu teuer.
Als man einen Franken fast gegen einen Euro tauschen konnte, zog die Schweizer Notenbank (SNB) die Notbremse. Sie intervenierte auf dem Devisenmarkt und setzte den Wechselkurs neu fest, ein Euro kostet nun mindestens 1,20 Franken. Seit ihrer ersten Intervention hat die SNB ihre Devisenreserven auf 500 Milliarden Euro verdoppelt, zuletzt musste sie kaum noch eingreifen. „Weil die Risiken aber zunehmen, könnte die SNB schon im Sommer wieder intervenieren“, warnt Bartholdi.
Tritt diese Situation ein, stellt sich eine spannende Frage: Kaufen die Krisenflüchtlinge weiter Schweizer Staatsanleihen, die kaum noch Zinsen abwerfen? Oder investieren sie lieber in Schweizer Dividendenaktien, die ebenfalls stetige Erträge bieten? Tun sie Letzteres, könnte der Schweizer Aktienmarkt einen weiteren Schub erhalten. Dass er gemessen an den Unternehmensgewinnen bereits teurer als der deutsche DAX ist, würde dann kaum noch ins Gewicht fallen.
Die Schweizer selbst haben sich bereits entschieden. Negative Realzinsen zwingen sie in Sachwerte, also Aktien und vor allem Immobilien. Besonders in Zentren wie Zürich wächst deshalb gerade eine veritable Immobilienblase heran, vor der auch schon die Schweizer Nationalbank warnt. Noch nehmen es die Schweizer gelassen. Im Idyll zu wohnen hat eben seinen Preis.
Investor-Info
Schweizer Aktienmarkt
Zuletzt besser als der DAX
Seit Jahresbeginn hat der SMI den DAX abgehängt. Möglicher Grund: Anleger schichten von zyklischen Titeln in defensive Werte um. Im Schweizer Aktienmarkt finden sich relativ viele davon.
Schweiz-ETF
Gut und günstig
Die günstigste Möglichkeit, in den Schweizer Aktienmarkt zu investieren, bieten ETFs. Sie bilden die Wertentwicklung des Leitindex SMI ab. Schlechter als aktive Fonds waren sie im vergangenen Jahr nicht, sie profitierten von Kursgewinnen der Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis, die 60 Prozent des Index ausmachen. Das Risiko: Kommt einer der Konzerne in Probleme, stürzt auch der ETF ab.
Schweiz-Fonds
Mit lenkender Hand
Aus rechtlichen Gründen können Schweiz-Fonds gut laufende Aktien wie Nestlé nicht so hoch gewichten. Das macht es schwer, an die Wertentwicklung des Index heranzukommen. Relativ erfolgreich war zuletzt der DWS-Fonds. Der Vorteil der Fonds gegenüber den ETFs: Sie streuen Risiken besser und können Einzelabstürze auffangen.
Schweizer Schwergewichte
Fondsmanagers Liebling
Sie fehlen in kaum einem Aktien- und Mischfonds: Nestlé, Roche und Novartis. Die Titel sind stark gelaufen, ähnliche Kursgewinne wie vergangenes Jahr wären überraschend. Dafür sind die Papiere wenig schwankungsanfällig und liefern regelmäßig Dividenden. Unser Favorit: trotz regelmäßiger Kritik an den Geschäftspraktiken der Konsumriese Nestlé.
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