Risikoaversion und Rationalität - Lassen Sie uns ein Spiel spielen!
Lassen Sie uns dabei auch darüber nachdenken, was uns glücklich macht… Ob wir wirklich einfach immer nur mehr Geld wollen oder nicht…
Fragen Sie sich bitte, wie viel Geld Sie bereit wären für die Teilnahme an folgendem Spiel auszugeben:
Wir beide werfen eine Münze.
Wenn die Münze Kopf zeigt, erhalten Sie 15 Euro.
Wenn sie Zahl zeigt, bekommen Sie 5 Euro.
Was ist nun der erwartete Wert dieses Spiels?
Richtig, es sind 10 Euro. Denn beide Wahrscheinlichkeiten liegen bei 50 Prozent. Multiplizieren Sie jedes Ergebnis mit seiner Wahrscheinlichkeit, addieren Sie diese zusammen und Sie erhalten einen erwarteten Wert von 10 Euro.
Aber würden Sie nun auch 10 Euro bezahlen, um das Spiel spielen zu dürfen?
Fragen Sie sich selbst: Was wäre Ihr Nutzen, wenn Sie dieses Spiel spielen würden? Wie viel wären Sie wirklich bereit zu zahlen?
Letztendlich sagt Ihre Antwort darauf auch viel über Ihre Risikoaversion aus.
Menschen verhalten sich oft irrational - vor allem, wenn es um Rendite und Risiko geht.
Rationales Verhalten ist das, was über viele Jahrzehnte von den sogenannten klassischen Ökonomen definiert wurde. Sie kennen all die vermeintlich unumstößlichen Verhaltensgesetze rund um den "Homo Oeconomicus"…
Werfen Sie einmal einen Blick auf dieses Reichtum-Nutzen-Diagramm. Es ist eine der Grafiken, die in volkswirtschaftlichen Vorlesungen am häufigsten gezeigt werden.
Es zeigt Folgendes: Mehr Geld ist besser, sicherlich. Aber jeder inkrementell hinzu gewonnene Euro ist stets etwas weniger wertvoll als sein Vorgänger.
Wenn wenn wir kein Geld haben und plötzlich 100 Euro verdienen, ist das riesig. Sobald wir die 100 Euro haben, sind die nächsten 100 Euro allerdings nicht mehr so wichtig. Sie machen uns immer noch glücklicher, aber sie geben uns nicht einen solchen Glücksschub wie die ersten 100 Euro.
In der Lehre der Behavorial Finance nennt man solches "Glück" auch "Nutzen", auf Englisch "utility". In den letzten Jahren ist mit diesem neuen Wissenschaftszweig ein blühendes Forschungsgebiet entstanden, das zu ergründen versucht, wie sich auch Privatanleger wirklich verhalten. Individuen schätzen ihren Nutzen nicht anhand einer objektiven Nutzenfunktion ein, sondern haben oft bestimmte Referenzpunkte im Kopf. Sie haben zum Beispiel einen großen Widerstand dagegen, bei Verlusten zu verkaufen. Bei Gewinnen verkaufen sie zu früh. Sie rechnen nicht mit "vernünftigen" Wahrscheinlichkeiten, sondern konstruieren sich ihre Wahrscheinlichkeiten anhand weniger Erfahrungswerte.
Value Investoren wissen, dass die Börsen emotional und irrational sind.
Die an der Börse freigesetzten Emotionen sind von massiver Gewalt und reichen von Zufriedenheit, Euphorie, Sorge, Resignation bis hin zur völligen Verzweiflung. Was die klassischen Ökonomen jahrzehntelang in Abrede gestellt hat, wussten Börsianer schon immer und ist in Börsianerweisheiten wie "Gier frisst Hirn" festgehalten. André Kostolany riet daher angehenden Börsianern, Psychologie zu studieren, aber auf keinen Fall Wirtschaft. Value-Investoren würden zustimmen, dass die Börse kurzfristig ausschließlich von Emotionen getrieben ist. Sie würden es aber als Zeitverschwendung ansehen, diese Emotionen vorhersagen zu wollen, und orientieren sich lieber an harten betriebswirtschaftlichen Fakten.
Value-Investoren gehen davon aus, dass es bei einem Großteil der börsennotierten Unternehmen möglich ist, den echten Wert zumindest annähernd zu bestimmen. Sie kaufen Aktien eines Unternehmens nur, wenn sie sich ein Bild vom Wert dieses Unternehmens gemacht haben. Allerdings erfordert dies die Beherrschung der entsprechenden Techniken und Zeit.
Bei der entsprechenden Portfoliozusammenstellung gibt es durchaus deutliche Unterschiede. Viele Value-Investoren bevorzugen fokussierte Portfolios (Braun, von Wyss und Müller, Pléiade Privatinvestor), andere haben ihre Investments breit gestreut (Acatis, Tweedy, Browne, Norman Rentrop). Beide Methoden führen - richtig angewendet - zum Ziel guter langfristiger Renditen bei möglichst geringem Risiko. Allerdings ist Portfoliodiversifikation kein Mittel zum Selbstzweck, da jedes Investment aufgrund seiner eigenen Qualitäten gekauft wird. Für Value-Investoren gibt es kein "Marktrisiko", nur spezifisches Risiko.
Von Prof. Dr. Max Otte
Hinweis/Disclaimer:
Max Otte berät, beziehungsweise Unternehmen, an denen Max Otte beteiligt ist, beraten den PI Global Value Fund (WKN: A0NE9G) und den Max Otte Vermögensbildungsfonds (WKN: A1J3AM). Diese beiden Fonds könnten Positionen in Titeln halten, die in dieser Kolumne genannt sind.
Für den Fall, dass Leser dieser Kolumne Positionen in einen genannten Titel in einem Umfang erwerben, der dazu geeignet ist, den Preis des Titels zu beeinflussen, könnte der Verfasser dieser Kolumne und / oder einer beziehungsweise beide die Fonds im Falle der Veräusserung des Titels aus deren Portfolio nach einem solchen Kursanstieg vom Erwerb des Titels durch die Leser der Kolumne profitieren. Auch im Falle eines Verkaufs in einem entsprechenden Umfang durch Leser der Kolumne könnte der Verfasser dieser Kolumne und / oder einer beziehungsweise beide Fonds von fallenden Kursen durch günstigere Einstiegskurse im Falle eines späteren Kursanstiegs profitieren.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Das Institut analysiert nach der von ihm entwickelten Strategie der Königsanalyse © börsennotierte Unternehmen und setzt sich dafür ein, mit transparenten Informationen Privatanleger bei der Entwicklung nachhaltiger und langfristig ausgerichteter Aktienstrategien zu unterstützen. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
Bildquellen: Prof. Max Otte