Prof. Otte-Kolumne Max Otte

Die Mittelschicht unter Druck

20.12.17 11:43 Uhr

Die Mittelschicht unter Druck | finanzen.net

Mit der richtigen Anlagestrategie zur finanziellen Freiheit.

Noch nie waren wir Deutsche so reich wie heute - und so dumm. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank kletterte das Geldvermögen der privaten Haushalte (gemeint sind Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere und Ansprüche an Versicherungen) im 2. Quartal 2017 im Vergleich zu den ersten 3 Monaten des Jahres um 0,8 Prozent auf einen neuen Rekordwert von rund 5,7 Billionen Euro.

Nun gibt es auf Bargeld, Sichteinlagen, Schuldverschreibungen und Versicherungen fast keine Zinsen mehr. Ungefähr 4,25 Billionen Euro sind so angelegt. Null Rendite - auf dem Papier. Tatsächlich dürfte eine schleichende, nicht in der Statistik erkennbare Inflation am Werk sein. Für die USA berechnet John Williams auf der Internetseite von Shadowstats die echte Inflation nach den früher geltenden Messkriterien. Dort ist die tatsächliche Inflation 3 bis 4 Prozent höher als die offizielle Inflation. Nehmen wir für Deutschland in einer ersten Näherung Zinsen von 0 Prozent und eine tatsächliche Inflation von 2 bis 3 Prozent an. In diesem Fall schrumpft die Kaufkraft des in Bargeld, Sichteinlagen und Versicherungen angelegten Vermögens jedes Jahr zwischen 80 und 120 Milliarden Euro.

So viel verlieren wir Deutschen - mindestens - aufgrund unserer Dummheit. Das sind immerhin 1.000 bis 1.500 Euro pro Person und Jahr - und es kommt den Zahlen nahe, die Markus Grabka vom DIW für den realen Rückgang des Vermögens je Deutschem in den letzten zehn Jahren berechnet hat.

Nach seiner Studie sind die Nettovermögen je Haushalt zwischen 2003 und 2013 um insgesamt nur 300 Euro - das sind 30 Euro pro Jahr - gestiegen. Netto haben die deutschen Haushalte in diesem Zeitraum sogar 15 Prozent oder 20 437 Euro eingebüßt, den Wert eines Mittelklasseautos. Tatsächlich steigen in Deutschland nur die Vermögen der Reichen.

Wie steht es um Ihre Vermögenslage?

Können Sie sich, liebe Leser, ruhigen Gewissens ein Jahr lang in die Rocky Mountains verabschieden? Oder einen Segeltörn um die Welt machen? Wollen Sie weiterhin in Ihrem Beruf arbeiten, weil er Ihnen Freude macht? Oder stöhnen Sie unter der Last Ihrer Ratenkredite und wissen nicht, wie Sie die nächste Rechnung der Autowerkstatt bezahlen sollen? Müssen Sie unter einem unerträglichen Vorgesetzten leiden, weil Sie finanziell keine Alternative haben? Aber wie finanzielle Freiheit erreichen?

Vermögen hilft. Und das nicht nur, um für das Alter vorzusorgen. Sondern auch, um sich Freiräume und Freiheiten zu schaffen. Wer über Rücklagen verfügt, kann freier agieren als derjenige, der von der Hand in den Mund lebt. Oder noch schlimmer: Schuldenberge vor sich herschiebt. Finanzielle Freiheit ist Teil Ihrer persönlichen Freiheit. In einem reichen Land wie der Bundesrepublik sollten alle Haushalte Vermögen bilden können, wenn sie einige Jahre im Berufsleben waren.

Vermögensaufbau für jedermann wäre bitter nötig. Denn wir alle wissen, dass die staatliche Rentenversicherung nicht das einlösen kann, was sie verspricht. Dass weitere drastische Einschnitte im Leistungsniveau in unserem überalterten Land unumgänglich sind.

Arbeitet ein heute 60-Jähriger durch, bis er 45 Beitragsjahre zusammen hat, erhält er als Durchschnittsverdiener mit 63 Jahren und zwei Monaten 1.270 Euro Rente im Monat.

Mit rund 2.600 D-Mark konnten Sie in der alten Bundesrepublik hervorragend leben. Nehmen wir die Rentenerhöhungen der letzten Jahre raus, dann gab es vor 15 Jahren vielleicht 2.000 DM Rente. Auch damit konnten Sie vor der Einführung des Euro ordentlich leben: Eine ordentliche Stadtwohnung war durchaus für 500 - 600 DM zu bekommen. Der Rest reichte, um gut über die Runden zu kommen. Zumal, wenn Sie dazu noch etwas gespart hatten.

Das ist vorbei. Heute ist Altersarmut eine ernste Bedrohung. Mit 1.270 Euro können Sie in einer Großstadt nicht mehr wirklich existieren. Wohnungsmieten von 600 bis 800 Euro sind eher das Einstiegsniveau. Und da haben sie noch nichts Besonderes.

Bei Altbeständen greift zwar der Mieterschutz, aber auch da wird fleißig saniert und erhöht. Natürlich, auf dem Lande können Sie billiger mieten. Für 300 oder 400 Euro bekommen Sie passable Wohnungen, manchmal ganze Häuser. Aber auf dem Land werden öffentlicher Personennahverkehr, medizinische Versorgung, Bankfilialen und Einzelhandel ausgedünnt. Die Bevölkerung zieht oftmals weg oder ergraut komplett. Keine besonders schöne Perspektive. Nicht umsonst zieht es viele Ruheständler wieder in die Städte und Ballungsgebiete.

Tatsache ist, dass Sie mit der gesetzlichen Rente schon heute in vielen Fällen nicht mehr klarkommen werden.

Wie kommt es, dass im reichen Deutschland auch die Mittelschicht zurückfällt?

Und das zu einer Zeit, in der auch die Rentensysteme immer weniger belastbar werden und der Aufbau von Privatvermögen besonders wichtig wäre.

Wir Deutschen legen unser Geld nach wie vor überwiegend als Bargeld, Kontoguthaben oder Termingeld sowie bei Versicherungen und in Altersvorsorgeprodukten an. Das hat mehrere Gründe. Zum einen war Deutschland Vorreiter bei der staatlichen Altersvorsorge, die auch lange hervorragend funktionierte. Otto von Bismarck führte 1883 die Krankenversicherung und 1884 die Unfallversicherung ein.12 1891 kam noch die Rentenversicherung hinzu. Wir brauchten die private Altersvorsorge in nennenswertem Umfang einfach nicht.

Wenn ein Land es schafft, eine faire staatliche Altersversicherung aufzubauen, hat dieses Land einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Die Menschen können sich auf ihren Beruf als Schlosser, Bäcker, Arzt oder Vertriebsmitarbeiter konzentrieren und da spitze sein. Sie müssen nicht nebenbei noch umfangreiches Finanzwissen besitzen.

Wenn jemand Überschüsse hatte, kaufte er eine Immobilie oder auch eine zweite. Den Rest ließ er auf der Bank liegen - meist eine Volks- oder Raiffeisenbank oder eine Sparkasse, die ihm etwas Zinsen zahlte und das Geld an regionale Unternehmen und Kreditnehmer weiterverlieh. Ein dezentrales faires Modell, das gut funktionierte. Weil man sich gegenseitig kannte und die Reputation ein hohes Gut war, kam es im Vergleich zu den USA selten zu Betrügereien oder Kreditausfällen. Wir brauchten keine Ratingagenturen. Unser dezentrales, kreditorientiertes Modell funktionierte hervorragend.

Wenn da nicht die Katastrophen der Weltkriege und der anschließenden Währungsreformen gewesen wären. Die Deutschen verloren zweimal ihr gesamtes Geldvermögen - die in den neuen Bundesländern sogar dreimal.

Doch daraus haben die Deutschen die falschen Schlüsse gezogen

Sie legen nämlich wieder vor allem in Geldvermögen an: Bargeld, Kontoguthaben, Lebens- und Rentenversicherung. Sie meinen, das sei "vorsichtig" - und agieren außerordentlich schlecht.

Denn auf diesem Weg bringen sie ihr Vermögen ernsthaft in Gefahr. Diese "Investments" kosten Geld, weil sie der laufenden Geldentwertung viel zu geringe Zinsen entgegen setzen. Sie werden kontinuierlich Opfer der "finanziellen Repression‟, der schleichenden Enteignung namens "Inflation".

Doch zum Glück gibt es Auswege aus dieser Anlagemisere. Spanier, Niederländer und Italiener machen es uns vor, die US-Amerikaner, Briten, Schweden und Belgier ebenso. Sie alle lassen ihr Vermögen auf den Aktienmärkten gedeihen.

Investieren Sie, liebe Leser, in Aktien, handelt es sich um Sach- und Sondervermögen, welches getrennt von dem der Bank aufbewahrt wird. Selbst, wenn Ihre Bank in Probleme geraten sollte, bleibt dieses Vermögen davon unbeeinflusst.

Doch das ist nicht der einzige Vorteil. Mit Aktien beteiligen Sie sich, liebe Leser, zudem am Produktivvermögen eines Unternehmens. Seine Mitarbeiter werden für Ihren Erfolg als Aktionär arbeiten. Zudem sind Aktien inflationsgeschützt. Steigen beispielsweise Rohstoffpreise, erhöhen die Unternehmen ihre Produktpreise. Ein weiterer Grund, der für die Geldanlage in Aktien spricht, ist ihre langfristige Wertsteigerung. Der Deutsche Aktienindex (DAX) zum Beispiel erzielte zwischen 1995 und 2015 eine jährliche Rendite von durchschnittlich 8,1 Prozent.

Und selbst eine solch erschütternde Krise wie das Platzen der New-Economy-Blase hat Anlegern mit einem weiten Anlagehorizont nicht schaden können. Sie haben die Krise ausgesessen und können sich seit 2006 auch wieder über ordentliche Renditen freuen. Ähnliches gilt für die Immobilienblase, die nach dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers platzte. Ein im Jahr 2007 erstandenes Papier aus dem DAX erzielte 2013 wieder positive Renditen.

Daneben profitieren Sie als Aktionär von den regelmäßigen Dividenden. Allein sie sind bereits höher als die heutigen Zinsen auf Bankeinlagen. Mit Aktien fahren Sie also weitaus als mit den meisten Produkten der Finanzbranche.

Und Aktien sind pflegeleicht. Sie können bereits mit kleinen Beträgen einsteigen, die Papiere sehr leicht online kaufen und bleiben als Aktionär stets Ihr eigener Herr.

Aber - und das möchte ich Ihnen nicht verschweigen - Sie brauchen am Aktienmarkt natürlich gute Nerven, einen weiten Anlagehorizont und Sachverstand. An den Börsen geht es immer wieder hoch und runter. Krisen müssen Sie aussitzen können.

P.S.: Den Lesern von Der Privatinvestor bieten wir jede Woche fundamentale Analysen interessanter Unternehmen - stets nach den strengen Prinzipien des Value Investing. Testen auch Sie einmal unsere Arbeit.

Hinweis/Disclaimer:

Max Otte berät, beziehungsweise Unternehmen, an denen Max Otte beteiligt ist, beraten den PI Global Value Fund (WKN: A0NE9G) und den Max Otte Vermögensbildungsfonds (WKN: A1J3AM). Diese beiden Fonds könnten Positionen in Titeln halten, die in dieser Kolumne genannt sind. Für den Fall, dass Leser dieser Kolumne Positionen in einen genannten Titel in einem Umfang erwerben, der dazu geeignet ist, den Preis des Titels zu beeinflussen, könnte der Verfasser dieser Kolumne und / oder einer beziehungsweise beide die Fonds im Falle der Veräusserung des Titels aus deren Portfolio nach einem solchen Kursanstieg vom Erwerb des Titels durch die Leser der Kolumne profitieren. Auch im Falle eines Verkaufs in einem entsprechenden Umfang durch Leser der Kolumne könnte der Verfasser dieser Kolumne und / oder einer beziehungsweise beide Fonds von fallenden Kursen durch günstigere Einstiegskurse im Falle eines späteren Kursanstiegs profitieren.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Das Institut analysiert nach der von ihm entwickelten Strategie der Königsanalyse © börsennotierte Unternehmen und setzt sich dafür ein, mit transparenten Informationen Privatanleger bei der Entwicklung nachhaltiger und langfristig ausgerichteter Aktienstrategien zu unterstützen. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.