Plastikuhren und Luxusmarken

Chinesen im Uhrenrausch: Hier ticken die Uhren anders

07.01.14 15:00 Uhr

Bei ihren Bustouren durch Europa hetzen chinesische Touristen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten - und kaufen vor allem Luxusgüter. Davon profitiert auch Luzern - ein globales Zentren des Uhrenverkaufs.

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von Peter Balsiger, Luzern

Der kleine Schwanenplatz in Luzern, malerisch gelegen am Rande der Altstadt zwischen Seepromenade und historischer Kapellbrücke, ist eine der drei Top-Locations im weltweiten Uhren- und Schmuckverkauf. Für Swatch-Chef Nick Hayek ist Luzern, eine Provinzstadt mit gerade mal 80 000 Einwohnern, sogar "das neue Hongkong".

Rund vier von zehn Uhren in der Schweiz werden in der Stadt am Vierwaldstättersee verkauft. Mehr als in Zürich oder Genf. "Im Uhrengeschäft gehört der Schwanenplatz mit der Place Vendôme in Paris und dem Shoppingkomplex Plaza 66 in Shanghai zu den drei globalen Zentren", sagt Luzerns Tourismusdirektor Marcel Perren.

Diesen Boom verdankt Luzern hauptsächlich den chinesischen Gästen. Rund 130 000 werden es 2013 wohl gewesen sein - und Experten rechnen mit einer Verdoppelung der Zahl der Touristen aus China bis 2020. Kurt Haerri, Präsident der Handelskammer Schweiz-China, prophezeit: "Was Luzern erlebt, ist erst der Anfang des chinesischen Tourismus". Keine Schweizer Stadt ist bei den Pauschaltouristen aus dem Reich der Mitte so beliebt wie Luzern. Und die Chinesen wollen vor allem eins: Uhren kaufen!

Es gibt gute Gründe für diesen Shoppingtourismus. "Hier sind die Uhren billiger als in China - und außerdem garantiert echt", sagt Perren. Uhren "made in Switzerland" haben im Land der Raubkopien ­einen exzellenten Ruf. "Und wer in der Schweiz eine Markenuhr kauft, der zeigt damit auch seinen sozialen Status."

Für die Chinesen sei Luzern mit seiner historischen Altstadt, der 1365 gebauten und 204 Meter langen hölzernen Kapellbrücke, der imposanten Alpenkulisse und der idyllischen Natur eine Traumdestination, die alle Klischeevorstellungen von einer heilen und paradiesischen Welt bediene. Den smoggeplagten Besuchern aus Peking und Shanghai fällt auf, dass die Luft hier besonders gut und der Himmel viel blauer ist als zu Hause.

Den Konsumtempeln am Schwanenplatz beschert der Massentourismus aus China Rekordumsätze. Alle Großen der Branchen sind hier vertreten: Bucherer, Embassy, Gübelin, außerdem zahlreiche reine Marken-Stores. Sie werben mit chinesischen Hinweistafeln vor den Eingängen, von Plakaten lächeln für die Uhrenmarke Omega die Schauspielerin Zhang Ziyi ("Die Geisha") oder der Filmstar Chen Daoming für TagHeuer. In den Verkaufsräumen werden die Kunden von Personal aus ihrem Heimatland beraten. Bucherer allein beschäftigt 30 Angestellte, die Mandarin sprechen.

Wichtige Fixpunkte beim Uhrenverkauf sind neben Weihnachten vor allem das chinesische Neujahrsfest im Februar. Dann sind die Geschäf- te am Schwanenplatz mit roten ­Lampions und Spruchbändern geschmückt, die mit goldenen Lettern Wohlstand und Glück für das neue Jahr beschwören.

Per Bus zum Uhrenshopping
Bucherer, ein 1880 in Luzern gegründetes Familienunternehmen, ist der Platzhirsch, in bester Lage ­direkt am Halteplatz der Reisebusse gelegen, die die chinesischen Touristen zum Uhrenshopping fahren. In Spitzenzeiten hält hier alle 75 Sekunden ein Bus. An einem guten Tag macht das Unternehmen, das exklusiv die bei den Touristen beliebten Rolex-Uhren verkauft, einen Umsatz von 1,6 Millionen Franken. In Luzern erzählt man sich die Geschichte eines unscheinbar wirkenden Chinesen, der bei Bucherer Uhren im Wert von einer halben Million Franken erstand. Und eine chinesische Touristin soll am Schwanenplatz sogar für über eine Million eingekauft haben.

Der Kampf um Marktanteile am Schwanenplatz hält sich in Grenzen. Bucherer und Gübelin sind traditionsreiche Familienunternehmen, man hat sich längst arrangiert, die Markenaufteilung funktioniert gut. Es sind nicht neureiche Multi­millionäre, die hier in "Chinatown am Schwanenplatz" das Gros der Kunden stellen - es sind vor allem An­gehörige der schnell wachsenden neuen Mittelklasse, meist aus Shanghai und Peking, die durchschnittlich rund 2000 Franken pro Uhr aus­geben. 95 Prozent dieser Chinesen kommen in Gruppen, hetzen mit dem Bus über Tausende von Autobahnkilometern innerhalb weniger Tage durch halb Europa.

Meist besuchen sie sechs Länder in zwölf Tagen - Paris, Florenz und Mailand sind normalerweise weitere Stops. Gelegentlich sind es sogar zehn Reiseziele in zehn Tagen. Je mehr Länder, desto besser. "Ein Chinese sitzt lieber zwei Stunden länger im Bus, als dass er eine wichtige Sehenswürdigkeit verpassen würde", sagt ein deutscher Reiseveranstalter.

In Luzern bleiben sie lediglich eineinhalb Tage. Auf dem Programm stehen noch eine Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee und ein Besuch der Ausflugsberge Titlis oder Pilatus. Aber Priorität hat das Uhrenshopping - für viele Touristen ist Einkaufen wichtiger als Sightseeing.

Welche Uhren werden am meisten nachgefragt? "Omega wird am häufigsten verkauft, gefolgt von Rolex und Patek Philippe", sagt Tourismusdirektor Perren. Auch Lon­gines, ­Tissot und Tudor sind begehrt. Diese Uhren werden nicht nur für den ­Eigenbedarf erworben - in China herrscht eine ausgesprochene Geschenkkultur. Nicht selten wird auch gleich noch eine Uhr für den Chef gekauft. Oder für einen Beamten, der geschmiert werden muss.

Geschenke sorgen für Ansehen
Und natürlich wird ein Chinese, der von einer Urlaubsreise aus Europa zurückkehrt, erst mal Freunde und Verwandte einladen und sie mit möglichst kostspieligen Geschenken ehren. Das ist Tradition in China und bringt Ansehen und Status.

Chinesische Besucher dürften 2013 etwa ein Drittel zum Luxusgüterumsatz in Europa beitragen, schätzt die Credit Suisse. Und um mehr Geld für Luxusartikel zur Verfügung zu haben, sparen die Chinesen auf ihren Europa-Reisen bei Essen und Übernachtung. Oft nächtigen sie in billigen Hotels an Autobahnen oder der Grenze - die Ansprüche sind bescheiden, solange ein Wasserkocher im Zimmer steht und das Zimmer nicht die Unglückszahl 4 hat. Kurt Haerri: "Ein Chinese sagte mir einmal: Wenn ich abends das Licht lösche, ist es dunkel. Egal wie das Bett aussieht, in dem ich liege."

Für das Essen in den meist chinesischen Restaurants in Luzern, für das 30 Minuten eingeplant sind, ­bezahlt der Tour-Guide zwölf bis 15 Franken. In Madrid gingen die Reiseveranstalter schon so weit, in den Restaurants "schnellere" Gerichte auf die Karte zu setzen, damit die chinesischen Gäste nicht unnötig kostbare Shoppingzeit verlieren. Drei bis vier Stunden Zeit für das Uhrenshopping gewähren die Reiseleiter. Sie führen ihre Touristen, die in der Regel als Gruppe zusammenbleiben, dorthin, wo die größten Provisionen locken. Ein Reiseleiter muss seine Touristengruppe dem Reiseveranstalter in China erst "abkaufen", für 120 bis 150 Franken pro Person. Dieses Geld holt er sich über Provisionen wieder rein. Üblicherweise werden ihm zehn Prozent des Umsatzes seiner Gruppe in den ­Uhren- und Juwelengeschäften am Schwanenplatz in bar ausbezahlt.

Günstiges Europa
Im internationalen Vergleich hält Paris noch immer die Spitzenposition bei den chinesischen Gästen. Ein Bummel über die Champs-Élysées, der Besuch des Louvre und des Eiffelturms gehören zum Pflichtprogramm einer Europa-Reise, auch wenn für viele Touristen der Besuch in den Luxusboutiquen am Place Vendôme oder in den Galeries Lafayette wichtiger ist als die Mona Lisa. Chanel-Kleider oder Louis-Vuitton-Taschen kosten dort einen Drittel weniger als in China, wo eine Luxussteuer anfällt. Schätzungen zufolge geben die Chinesen in Paris 60 Prozent ihres Reisebudgets aus.

Aber Paris hat zunehmend einen schlechten Ruf bei den Besuchern aus Fernost - sie werden reihenweise attackiert und ausgeraubt. Im Louvre sind beispielsweise bereits organisierte Banden von minderjährigen Taschendieben am Werk. Und mindestens in zwei Fällen wurden Reisebusse, die zwischen Paris und dem Flughafen Charles de Gaulle im Stau standen, ausgeraubt.

Solche Probleme hat Luzern nicht. Aber der touristische Erfolg bringt die Stadt an ihre Grenzen. Der Schwanenplatz wird pro Tag von durchschnittlich 275 Touristen­bussen angefahren. Zwischen 17 und 20 Uhr sind es 48 Busse pro Stunde. Kein Wunder, dass der Verkehrs­kollaps programmiert ist und die Bevölkerung murrt. Es bedarf neuer Lösungen, um die Geduld der Luzerner nicht zu stark zu strapazieren. Zur Diskussion steht eine unterirdische Metro, die die Touristen von einem riesigen Busbahnhof am Stadtrand direkt zum Schwanenplatz transportiert. 400 Millionen Franken soll sie kosten und von privaten Investoren finanziert werden.

Das Geschäftsmodell "Uhrenshopping plus Natur" hat in der Schweiz bereits Konkurrenten auf den Plan gerufen. Allen voran Interlaken mit der Jungfrau-Region. Luzerns Tourismusdirektor Perren räumt ein, dass das Wachstum in Interlaken jetzt stärker sei als in Luzern. Er macht dafür nicht zuletzt eine "aggressivere Kommissionierung" verantwortlich.

Der Hauptkonkurrent heißt Jürg Kirchhofer, Besitzer von drei Uhren- und Schmuckgeschäften in Inter­laken. Ein Familienunternehmen mit 250 Mitarbeitern, darunter 35 Chinesen. Kirchhofer lockt beispielsweise erfolgreich chinesische Reiseveranstalter mit zusätzlichen Provisionen ins Berner Oberland. 70 Prozent seines Umsatzes bringen die Touristen aus Festland-China, Hongkong und Taiwan.

Auch hier boomt das Geschäft: Uhren mit Preisschildern zwischen 20 000 und 50 000 Franken gingen bei ihm täglich, oft sogar stündlich, über den Ladentisch, sagt er. Und fügt hinzu: "Im Moment leben wir den Traum."

Investor-Info

Swatch
Der Schweizer Uhrenhersteller ist zwar für seine günstigen Plastikuhren bekannt, zum Konzern ge­hören aber auch Marken wie Breguet, Glashütte, Omega, Tissot oder Longines. Das Wachstum ist seit Jahren beachtlich und dürfte anhalten. Bis 2015 wird der Umsatz von 7,0 (2013) auf geschätzte 8,4 Milliarden Euro steigen, der Gewinn von 1,38 auf 1,75 Milliarden. Sehr gutes Langfristinvestment.

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