Bayer-Aktie sackt ab: Österreich beschließt Totalverbot von Glyphosat
Österreich hat als erstes Land in der EU den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat verboten.
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Der Nationalrat stimmte am Dienstag mit großer Mehrheit einem Antrag der SPÖ zu. Der nationale Alleingang ist rechtlich umstritten. Das Verbot könnte EU-Recht widersprechen, da die EU-Pflanzenschutzverordnung Glyphosat noch bis Ende 2022 erlaubt. Die einzelnen Mitgliedsländer können nur in absoluten Ausnahmefällen ein Verbot von zugelassenen Wirkstoffen verhängen.
Dennoch sprach die Umweltschutzorganisation Greenpeace von einem "historischen Meilenstein". Nun liege der Ball bei der EU-Kommission, die gegen den Beschluss binnen drei Monaten Einspruch erheben könne. Die EU-Kommission habe die Möglichkeit nationaler Verbote zugesichert. Sie dürfe ihr Versprechen jetzt nicht brechen. Die konservative ÖVP sprach bei der Parlamentsdebatte von einem "Schlag ins Gesicht der Bauern, die den Wirkstoff sachgerecht anwenden".
Der Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Er wurde von der heutigen Bayer-Tochter Monsanto als Herbizid auf den Markt gebracht. In Nordamerika wurde das Mittel seit den 1970er Jahren unter dem Markennamen Roundup vertrieben. Der Bayer-Konzern sieht sich in den USA mit einer Klagewelle wegen möglicher Gesundheitsschäden durch Glyphosat konfrontiert. Seit Auslaufen des Patentschutzes wird Glyphosat auch in den Mitteln zahlreicher anderer Anbieter eingesetzt.
Der Bayer-Konzern nahm die Entscheidung am Dienstagabend mit Bedauern zur Kenntnis. Man gehe aber davon aus, dass der Beschluss "von der EU-Kommission kritisch hinterfragt und rechtlich angefochten" werde. "Die Entscheidung des österreichischen Nationalrats steht im Widerspruch zu umfangreichen wissenschaftlichen Ergebnissen zu Glyphosat", teilte Bayer der Deutschen Presse-Agentur mit. Darüber hinaus ignoriere der Beschluss die Bedürfnisse und die professionelle Arbeit der österreichischen Landwirte.
Frühere Versuche, den Stoff zu verbieten, scheiterten. So musste das Bundesland Kärnten ein generelles Verbot zurücknehmen. Mit Blick auf die EU gilt das Verbot dort nur in öffentlichen Parks oder Gärten, Friedhöfen, Sport- und Freizeitplätzen, Schwimmbädern, Schulgeländen oder auf Kinderspielplätzen.
Zu Skepsis in Sachen Verbot neigt eine "nationale Machbarkeitsstudie Glyphosat", bei der unter anderem Wissenschaftler der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) 400 Studien ausgewertet haben. Ihrer Einschätzung nach würde ein generelles Verbot von Glyphosat gegen EU-Recht verstoßen. Der Einsatz könne aber deutlich eingeschränkt werden. Zudem bescheinigten sie, dass Glyphosat kein erhöhtes Risiko zu vergleichbaren anderen Pestiziden habe.
Auch das deutsche Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft betrachtet ein Glyphosat-Totalverbot mit Skepsis. "An unserer rechtlichen Einschätzung, dass ein Totalverbot (EU-)rechtswidrig wäre, hat sich nichts geändert", hieß es am Dienstag aus dem Ministerium. "Diese wird auch durch Kommissions-Stellungnahmen in verschiedenen Notifizierungsverfahren zu regionalen Glyphosatverboten unterstützt."
FPÖ-Fraktionschef Norbert Hofer meinte, dass man die Entscheidung der EU nicht beeinflussen könne. "Wir denken aber, dass wir mit unserer Entscheidung den größtmöglichen Schutz der heimischen Konsumentinnen und Konsumenten sichergestellt haben."
Bisher ist der Einsatz von Glyphosat in keinem Land der Welt verboten. Vietnam hat dies unlängst zwar beschlossen, dort dürfen aber noch Restbestände verbraucht werden. Zwischenzeitlich gab es ein Verbot in Sri Lanka, die Regierung steuerte aber um.
Der Wirkstoff ist hochumstritten. Eine Unterbehörde der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte Glyphosat 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Andere Behörden und Studien kamen zum Schluss, dass Glyphosat bei sachgemäßer Handhabung sicher sei.
Der Wirkstoff spielt vor allem in Nord- und Südamerika eine große Rolle, wo Landwirte auf gentechnisch veränderte Pflanzen setzen. Solche Pflanzen ermöglichen den Einsatz von Glyphosat auch nach der Aussaat - Pflanzen ohne gentechnische Veränderungen würden nach dem Spritzen daran kaputtgehen. In der EU werden gentechnisch veränderte Pflanzen noch nicht im großen Stil angebaut, daher schränken sich die Einsatzmöglichkeiten von Glyphosat stark ein - bestimmte Felder werden vor der Aussaat damit bespritzt, um Unkraut den Garaus zu machen.
Die deutsche Bundesregierung will voraussichtlich im September ein Konzept zum Umgang mit Glyphosat präsentieren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannte sich jüngst ausdrücklich zu dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausstieg: "Wir werden dahin kommen, dass es eines Tages keinen Glyphosat-Einsatz mehr gibt."
WIEN (dpa-AFX)
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