Ökonomen-Stimmen zum TV-Duell von Scholz und Merz

10.02.25 08:33 Uhr

FRANKFURT (dpa-AFX) - Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) einen harten Schlagabtausch über den Umgang mit der AfD und die Migrationspolitik geliefert. Bei ihrem ersten von zwei geplanten TV-Duellen zeigten sich beide auch bei anderen Themen wie der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik streitbar. Nach einer Zuschauerbefragung der Forschungsgruppe Wahlen war es ein Duell ohne klaren Sieger.

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Einschätzung von Ökonomen zum TV-Duell von Scholz und Merz:

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt ING Bank

"Der bemerkenswerteste Kommentar kam gegen Ende der Debatte. Auf Druck der Journalisten öffnete Friedrich Merz die Tür für Änderungen der Schuldenbremse - nicht unmittelbar nach der Wahl, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Insgesamt dürfte die heutige Fernsehdebatte kaum etwas bewirkt haben. Auch erste Meinungsumfragen deuteten auf ein Unentschieden im Duell hin. Über die Wahlen hinaus betrachtet, lässt das heutige Fernsehduell in Ton und Inhalt noch genügend Raum für eine Zusammenarbeit und mögliche Koalition zwischen Merz und Scholz."

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Holger Schmieding, Chefvolkswirt Berenberg Bank

"Keiner von beiden scheint einen entscheidenden Sieg errungen zu haben. Trotz eines jüngsten Rückgangs seiner CDU/CSU-Umfrageergebnisse hat Merz damit weiterhin die beste Ausgangsposition. (...) Selbst ohne eine Verfassungsänderung könnte eine neue Koalition aus CDU/CSU und SPD fiskalischen Spielraum gewinnen, indem sie einige Sozialausgaben kürzt, die ineffiziente Energiepolitik reformiert und halbstaatlichen Institutionen wie der KfW oder der Bahn Kapital zuführt. Unter dem Strich könnte es sogar etwas weniger unwahrscheinlich werden, dass Deutschland einer zusätzlichen gemeinsamen Kreditaufnahme bei der EU für einen bestimmten einmaligen Zweck wie die Unterstützung der Ukraine zustimmen könnte. Der deutlich eingeschränktere fiskalische Spielraum im Inland würde es jedoch viel schwieriger machen, Unternehmenssteuern zu senken, die Strompreise zu senken und andere Belastungen für Verbraucher und Unternehmen zu verringern."

Michael Heise, Chefvolkswirt HQ Trust

"Es ist nicht verwunderlich, dass es wirtschaftlich zum Stillstand gekommen ist und der Investitionsstandort unattraktiver geworden ist. Der Handlungsbedarf ist enorm, zumal mit Handelsstreitigkeiten und der zunehmenden Konkurrenz aus China weitere Herausforderungen drohen. Sofortmaßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft wurden exemplarisch, aber nicht als Gesamtkonzept diskutiert. Eine Wirtschaftswende setzt aber in mehreren Bereichen Korrekturen voraus. (...) Um die Versäumnisse der letzten Dekade auszugleichen, müsste Deutschland in den kommenden zehn Jahren jährlich zusätzliche 1,5 Prozent des BIP investieren. Natürlich gibt es Einsparpotenziale im Haushalt, doch allein durch Kürzungen wird sich der notwendige finanzielle Spielraum kaum schaffen lassen. In der aktuellen Situation wird es schwer vermeidbar sein, Sonderbudgets zu schaffen, um die dringend benötigten Investitionen zu finanzieren."

/jkr/mis