Leerverkäufer Hindenburg Research nimmt Adani-Gruppe ins Visier - Aktien brechen dramatisch ein
Der US-Leerverkäufer Hindenburg Research, der sich in der Vergangenheit bereits Nikola und Standard Lithium vorgenommen hatte, hat ein neues Short-Ziel ausgemacht: das indische Adani-Konglomerat, hinter dem mit Guatam Adani einer der reichsten Menschen der Welt steht. Die Vorwürfe von Hindenburg Research wiegen schwer und führten an der indischen Börse zu einem Blutbad bei mehreren börsennotierten Firmen der Unternehmensgruppe.
Werte in diesem Artikel
• Hindenburg Research wirft Adani-Gruppe Betrug vor und tätigt Leerverkäufe
• Adani weist Vorwürfe zurück, aktuell große Aktienplatzierung
• Kurse von Adani Enterprises und weiteren Tochterfirmen im Tiefenrausch
Der US-Shortseller Hindenburg Research hat nach eigenen Angaben das Unternehmenskonglomerat des indischen Multi-Milliardärs Guatam Adani zwei Jahre lang unter die Lupe genommen und dabei Hinweise darauf gefunden, dass sich die Adani-Gruppe "im Laufe der Jahrzehnte an einem dreisten Aktienmanipulations- und Buchhaltungsbetrugsprogramm beteiligt" habe. In einem Bericht auf seiner Webseite mit dem Titel "Adani Group: Wie der drittreichste Mann der Welt den größten Betrug in der Unternehmensgeschichte durchführt" teilt der Leerverkäufer nun seine Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit - und hat dadurch einen kräftigen Kursrutsch bei Aktien von Adani Enterprises und weiteren börsennotierten Tochterfirmen ausgelöst. Für Adani Enterprises könnten die Vorwürfe wohl zudem zu kaum einem schlechteren Zeitpunkt kommen, denn nur einen Tag nach Veröffentlichung des Hindenburg-Berichts begann eine Zweitplatzierung von Unternehmensaktien im Volumen von 2,5 Milliarden US-Dollar.
Hindenburg Research wirft Adani-Gruppe Aktienmanipulation und Bilanzbetrug vor
In seinem Bericht, der am 24. Januar - dem Vorabend des Beginns der Aktienplatzierung bei Adani Enterprises - veröffentlicht wurde, wirft Hindenburg Research dem Unternehmenskonglomerat vor, den Wert der gesamten Unternehmensgruppe künstlich aufgebläht zu haben. In den vergangenen drei Jahren hätten die sieben wichtigsten börsennotierten Unternehmen der Adani-Gruppe laut Hindenburg Research einen "mysteriösen" Anstieg ihrer Aktienkurse erfahren, was jedes der Unternehmen in die Riege der größten indischen Konzerne katapultiert habe. So habe das Papier von Adani Enterprises in den drei Jahren bis zur Erstellung des Berichts 1.398 Prozent an Wert gewonnen. Für die Aktie von Adani Transmission ging es im gleichen Zeitraum um 729 Prozent nach oben, während Papiere von Adani Total Gas um 2.121 Prozent stiegen. Bei Adani Green Energy lag das Plus bei 908 Prozent, Aktien von Adani Power gewannen 332 Prozent. Für Anteilsscheine von Adani Ports ging es um 98 Prozent nach oben und für die von Adani Wilmar - seit dem Börsengang im Februar 2022 - um 149 Prozent. Gerechtfertigt seien diese Kursanstiege jedoch nicht. Selbst wenn man die Finanzdaten der Adani-Gruppe für richtig halte, hätten ihre "sieben wichtigsten börsennotierten Unternehmen aufgrund der himmelhohen Bewertungen rein fundamental ein Abwärtspotenzial von 85 Prozent", so der Shortseller. Bei fünf der sieben Unternehmen bestehe außerdem kurzfristiger Liquiditätsdruck und alle der wichtigsten börsennotierten Töchter hätten erhebliche Schulden, "wodurch die gesamte Gruppe auf eine prekäre finanzielle Grundlage gestellt wurde".
Die Familienmitglieder von Multi-Milliardär Guatam Adani, die viele der wichtigsten Posten in dem Konglomerat besetzen, hätten außerdem zusammengearbeitet, um "in Steueroasen wie Mauritius, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den Karibischen Inseln Offshore-Briefkastenfirmen zu gründen, um gefälschte Import-/Exportdokumente zu erstellen, in einem offensichtlichen Versuch, gefälschte oder illegitime Umsätze zu generieren und Geld von den börsennotierten Unternehmen abzuschöpfen", so Hindenburg Research. Im Zentrum stehe dabei Guatam Adanis älterer Bruder, Vinod Adani, der angeblich das Netzwerk von Offshore-Unternehmen verwalten würde, die zur Erleichterung von Betrug eingesetzt würden, hießt es in dem Bericht.
Aufgrund der umfangreichen Recherche und deren Ergebnisse habe Hindenburg Research mittels in den USA gehandelten Anleihen und nicht in Indien gehandelten Derivaten eine Short-Position in Unternehmen der Adani-Gruppe aufgebaut, wird des Weiteren offengelegt. Und diese Short-Position dürfte sich bereits nach wenigen Tagen für den Leerverkäufer ausgezahlt haben, denn der Kurs zahlreicher Adani-Unternehmen brach zuletzt kräftig ein.
Aktien der Adani-Gruppe geraten unter die Räder
An der indischen Börse sorgte der Bericht von Hindenburg Research in der vergangenen Woche für hohe Wellen. Der Kurs der Adani Enterprise-Aktie brach allein am Freitag um rund 18,5 Prozent ein, konnte sich zum Wochenstart allerdings wieder leicht stabilisieren. Andere Firmen des Konglomerats erwischte es ungleich schlimmer: Anteilsscheine von Adani Gas verloren am Freitag sowie am Montag jeweils rund 20 Prozent an Wert, genauso erging es auch den Papieren von Adani Green Energy. Noch größere Kursverluste wurden hier nur durch einen Stopp-Mechanismus der indischen Börse begrenzt. Laut "ntv" wurden durch den Kursrutsch bei den sieben wichtigsten Adani-Firmen innerhalb von nur drei Tagen rund 50 Milliarden US-Dollar an Börsenwert vernichtet.
Auch Guatam Adani bekam den Kursrutsch anhand seines Vermögens zu spüren. Stand er am 24. Januar auf der "Real-Time Billionairs List" von "Forbes" noch mit einem Vermögen von 127 Milliarden US-Dollar auf Rang drei, ist er dort nun auf den achten Platz abgerutscht. Mit einem Vermögen von aktuell rund 89 Milliarden US-Dollar ist er laut dem Wirtschaftsmagazin aber immer noch der reichste Mann Asiens vor seinem Landsmann Mukesh Ambani, der über ein Vermögen von 84,2 Milliarden US-Dollar verfügt und auf Platz zehn der Forbes-Liste liegt (Stand: 31. Januar 2023).
Adani-Gruppe weist Vorwürfe zurück
Während Hindenburg Research laut "ntv" mit dem Hedgefonds-Manager Bill Ackmann einen prominenten Unterstützer erhielt, der die Vorwürfe als gut recherchiert lobte, wies die Adani-Gruppe den Bericht zurück. Am Sonntag veröffentlichte das indische Unternehmenskonglomerat eine 413 Seiten umfassende Antwort, in der es versucht, die Vorwürfe das US-Shortsellers zu entkräften. Man sei "schockiert und zutiefst beunruhigt" über den Bericht, der "nichts als eine Lüge" sei, so die Gruppe. Das Dokument von Hindenburg Research sei "eine böswillige Kombination aus selektiven Fehlinformationen und versteckten Fakten in Bezug auf unbegründete und diskreditierende Anschuldigungen" und diene nur dem Zweck, "einen falschen Markt für Wertpapiere zu schaffen, um es Hindenburg, einem anerkannten Leerverkäufer, zu ermöglichen, auf Kosten unzähliger Anleger massive finanzielle Gewinne durch unrechtmäßige Mittel zu erzielen". Die Adani-Gruppe halte alle lokalen Gesetze ein und habe alle erforderlichen behördlichen Offenlegungen vorgenommen. Zudem seien 65 der 88 von Hindenburg Research aufgeworfenen Fragen bereits in öffentlichen Bekanntmachungen behandelt worden, heißt es weiter.
Einige Experten sind mit dieser Antwort jedoch nicht so richtig zufrieden. "Nur weil Dinge offengelegt und bekannt sind, sind sie noch lange nicht richtig", sagte etwa Brian Freitas, Analyst beim unabhängigen Research-Netzwerk Smartkarma, laut "Bloomberg". "Wie erklärt eine so große Gruppe, dass es keine Analysten-Coverage und keine Beteiligungen von Investmentfonds gibt? Für mich ist das größte Problem das Aktienbesitzmuster, das dazu beiträgt, die Bewertungen auf stratosphärischem Niveau zu halten". Freitas erwartet weitere Untersuchungen, zu denen es voraussichtlich auch kommen wird, da die Adani Group rechtliche Schritte gegen Hindenburg Research angekündigt hat. Zudem wolle das Konglomerat laut "Handelsblatt" einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer mit der Prüfung der Bilanz beauftragen - allerdings erst, wenn die aktuelle Aktienplatzierung abgeschlossen sei.
Zweitplatzierung von Adani Enterprises-Aktien mit holprigem Start
Wie die Adani-Gruppe in ihrer Antwort auf den Hindenburg-Bericht schreibt, werde die "böswillige Absicht" des US-Shortsellers vor allem auch durch dessen Timing sichtbar. Denn dieser veröffentlichte seinen Bericht am Vorabend des Tages, an dem Adani Enterprises "das bisher größte weitere öffentliche Angebot von Aktien in Indien durchführt". Wie "ntv" unter Berufung auf Insider schreibt, hätten Banken daraufhin eine Verlängerung der Platzierungsfrist, die am 31. Januar auslief, oder Kürzungen beim Emissionspreis erwogen. Letztlich habe man aber an den ursprünglichen Konditionen der 2,5 Milliarden US-Dollar schweren Zweitplatzierung festgehalten, da alle Beteiligten laut dem Unternehmen ihr volles Vertrauen signalisiert hätten. So hätten laut dem Adani-CFO Jugeshinder Singh etwa die Ankerinvestoren ihr Vertrauen gezeigt und würden investiert bleiben.
Laut "Reuters" wurde die Zweitplatzierung der Adani Enterprises-Aktien am Freitag für Privatanleger und institutionelle Investoren geöffnet, fand aufgrund des Kursrutsches aber nur schleppenden Zulauf. Lediglich ein Prozent der verfügbaren Aktien sei am Freitag gezeichnet worden, so die Nachrichtenagentur, wohl auch, weil der Kurs von Adani Enterprises an diesem Tag deutlich unter den Mindestangebotspreis von 3.112 Indischen Rupien gefallen war: Letztlich beendete der Anteilsschein den Freitagshandel bei 2.762,15 Indischen Rupien. Allerdings ist es in Indien durchaus üblich, dass Anleger mit der Zeichnung bis zum letzten Angebotstag warten, sagte Arun Kejriwal, Gründer von Kejriwal Research & Investment, gegenüber "Reuters". Es sei jedoch für "die Adani-Gruppe [...] wichtig sicherzustellen, dass der Aktienverkauf durchgeführt wird", so Kejriwal weiter. "Laut "New York Times" war Adani Enterprises dabei letztlich auch tatsächlich erfolgreich - trotz der Shortseller-Attacke."
Redaktion finanzen.net
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