Pfizer- und BioNTech-Aktie in Rot: Spahn rechnet bald mit höherer Impfstoffproduktion von BioNTech und Pfizer in Deutschland
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet damit, dass die Menge des in Deutschland zur Verfügung stehenden Corona-Impstoffs in den ersten Monaten des neuen Jahres deutlich wachsen wird.
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Er begründete dies am Montag mit der Zulassung weiterer Präparate und erweiterten Produktionskapazitäten. Kritik am Tempo der Impfproduktion und Vorschläge zu ihrer Beschleunigung aus den Reihen der Opposition wies er zurück. Die Zahl der mit oder am Coronavirus gestorbenen Menschen in Deutschland überstieg zum Wochenbeginn die Marke von 30 000. Zugleich wurden erste Stimmen laut, dass der vorerst bis zum 10. Januar geltende Lockdown verlängert werden müsse.
Spahn verwies im ZDF-"Morgenmagazin" auf eine Anlage der Schweizer Pharmafirma Novartis in Marburg, die vom Mainzer Unternehmen BioNTech übernommen wurde. "Ziel ist, noch im Februar/März dort auch Produktion möglich zu machen. Und das würde die Menge enorm erhöhen", sagte der CDU-Politiker.
Nach Angaben von Biontech sind in Marburg einige Umstellungen nötig, bevor es auch dort mit der Produktion des Covid-19-Impfstoffs losgehen kann. Diese solle im Februar anlaufen, wie eine Sprecherin des Unternehmens der dpa sagte. Die Freigabe des ersten dort produzierten Impfstoffs peilt das Unternehmen den Angaben zufolge für Ende März an. Im ersten Halbjahr 2021 sollen dort 250 Millionen Impfdosen hergestellt werden. Als Gesamtmenge einer Jahresproduktion strebt das Mainzer Unternehmen 750 Millionen Dosen an.
Gesundheitsminister Spahn rechnet zudem "in den ersten Januartagen" mit der Zulassung des Impfstoffs von US-Hersteller Moderna, wie er im Interview mit der "Bayern 2-radioWelt" des Bayerischen Rundfunks deutlich machte. Zwei bis drei weitere Kandidaten seien auf dem Weg in die Zulassung, fügte er hinzu und bekräftigte erneut das Ziel, bis zum Sommer jedem Bürger ein Impfangebot machen zu können. "Weihnachten nächstes Jahr soll wieder normal werden können."
FDP-Chef Christian Lindner hatte am Sonntag in einer "Bild"-Sendung gefordert, Deutschland müsse rechtlich, wirtschaftlich, politisch und technologisch alles tun, damit schneller geimpft werden könne. Man sollte darüber nachdenken, ob ein knapper Impfstoff wie der von Biontech nicht von anderen Herstellern in Lizenz produziert werden könnte. Der Linken-Gesundheitspolitiker Achim Kessler hatte im "Spiegel" sogar gefordert, Impfstoff-Hersteller zu zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zum Nachproduzieren zu gewähren.
Spahn sagte dazu: "Eine Produktion für einen Impfstoff ist hoch anspruchsvoll und hochkomplex, die kann man nicht mal eben per Lizenz bei einem anderen Unternehmen machen." Gerade auch für das Vertrauen in den Impfstoff sei es wichtig, dass alle Qualitätsanforderungen eingehalten würden.
Für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind dem Gesundheitsministerium zufolge insgesamt 136,3 Millionen Dosen sicher, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich so rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen - bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland.
Die Gesundheitsämter meldeten unterdessen binnen 24 Stunden 348 weitere Todesfälle - damit stieg die Zahl der mit oder am Coronavirus gestorbenen Menschen in Deutschland auf 30 126, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Montagmorgen bekannt gab. Darüber hinaus wurden 10 976 Corona-Neuinfektionen gemeldet.
Die Zahl der Neuinfizierten und der Opfer sind aber nur bedingt mit den Werten der Vorwoche vergleichbar, da das RKI während der Feiertage und zum Jahreswechsel hin mit einer geringeren Zahl an Tests und auch weniger Meldungen von den Gesundheitsämtern rechnete. Vor genau einer Woche waren 16 643 Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet worden. Bei den Todesfällen war der Höchststand von 952 am 16. Dezember registriert worden.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht davon aus, dass die Zahl der Corona-Toten in Deutschland heute ohne die seit März ergriffenen Maßnahmen um ein Vielfaches höher wäre. Die Zahl lasse sich zwar schwer ermitteln, weil die Menschen sich aus Angst vor dem Virus stark zurückgezogen hätten, sagte Lauterbach der Deutschen Presse-Agentur. "Sicherlich wären aber bisher 250 000 Menschen in Deutschland gestorben und wir hätten noch immer keine vollständige Herdenimmunität", fügte er hinzu.
Kanzleramtschef Helge Braun hält eine Verlängerung des verschärften Lockdowns über den 10. Januar hinaus für wahrscheinlich. "Ich rechne damit, dass wir zunächst am 5. Januar, wenn wir uns das nächste Mal treffen, das Ganze noch nicht genau beurteilen können und deswegen den Lockdown noch fortsetzen müssen", sagte der CDU-Politiker am Montag in einem Interview mit RTL/ntv. Auch Saarlands Regierungschef Tobias Hans (CDU) sprach sich für eine Verlängerung aus. Die aktuellen Infektionszahlen seien trügerisch, sagte er den Sendern.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rechnet ebenfalls damit, dass die aktuellen Corona-Einschränkungen nicht am 10. Januar enden werden. "Wenn die Ministerpräsidenten am 5. Januar erneut beraten, wird nichts auf Lockerungen hindeuten", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wir gehen alle davon aus, dass der Lockdown verlängert werden muss." Er richte sich darauf ein, "dass wir bis März mit Einschränkungen leben müssen".
Sechs statt fünf Corona-Impfungen mit einem Fläschchen möglich
Mit den nun ausgelieferten Fläschchen des Corona-Impfstoffs von BioNTech und Pfizer können mehr Menschen geimpft werden als erwartet. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums bestätigte am Montag einen Bericht von "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten", wonach aus einer Ampulle unter bestimmten Voraussetzungen auch sechs statt der vorgesehenen fünf Impfdosen entnommen werden können.
Laut EU-Zulassung müssen die Behälter fünf Impfdosen enthalten. Alle Ampullen enthalten laut einer Ministeriumssprecherin aber eine "leichte Überfüllung", damit die vom Hersteller garantierte Menge sicher mit dem Impfbesteck entnommen werden könne. Bei sorgfältiger Vorgehensweise sei die Entnahme von sechs Dosen grundsätzlich möglich. Sichergestellt sein muss demnach aber immer, dass die vorgeschriebene Menge von jeweils 0,3 Milliliter Impfstoff gespritzt wird.
Ein entsprechendes Papier mit diesen Informationen hat das Ministerium an die Bundesländer geschickt. Darin wird aber auch darauf hingewiesen, dass "unter keinen Umständen" überschüssiger Impfstoff aus mehreren Durchstechflaschen zu einer Dosis vereint werden dürfe. Laut Gesundheitsministerium werden bis Ende Januar deutschlandweit drei bis vier Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen. Geimpft werden muss zweimal im Abstand von drei Wochen.
Impfdosen mit zweifelhafter Kühlkette werden nicht genutzt
In Oberfranken werden rund 1000 Corona-Impfdosen des Lieferanten BioNTech wegen Problemen mit der Kühlkette nicht genutzt.
Obwohl das Pharmaunternehmen die Einheiten freigegeben habe, sei nach reiflicher Überlegung entschieden worden, die betroffene Charge nicht zu verimpfen, sagte der Vorsitzende des Bezirksverbands Oberfranken des Bayerischen Landkreistags, Christian Meißner, am Montag in einem Interview mit Reuters-TV. "Und zwar einfach deswegen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die ganze Impfkampagne nicht zu gefährden." Am Sonntag waren in Oberfranken Impfdosen in einer Kühlbox angekommen, deren Temperatur einem Kontrollinstrument zufolge zeitweise über den erforderlichen acht Grad Celsius gelegen hatte. Deshalb hätten Zweifel bestanden, ob die Kühlkette jederzeit eingehalten worden sei, erläuterte Meißner.
Die Impfstoffe aus der betroffenen Box hätten an die Impfstoffzentren in Coburg, Lichtenfels, Kronach, Kulmbach, Bayreuth, Hof und Wunsiedel geliefert werden sollen. Die Mainzer Firma BioNTech, die den ersten in Europa zugelassenen Corona-Impfstoff zusammen mit dem US-Konzern Pfizer entwickelt hat, hatte nach Aussagen der Regierung in Oberfranken am Sonntagabend erklärt, man halte den Impfstoff trotz der Temperaturabweichungen für sicher. Oberfranken setzt nun auf eine neue Impfstoff-Lieferung, die noch am Montag eintreffen soll. Dann könne auch in Oberfranken das Impfen beginnen, erklärte Meißner.
Bis Ende des Jahres sollen in Deutschland noch 1,3 Millionen Impfstoffdosen von BioNTech ausgeliefert werden.
BioNTech: 'Komplexes Netzwerk' an Produktionskapazitäten
Der Corona-Impfstoffhersteller BioNTech verfügt nach eigenen Angaben über ein "komplexes Netzwerk an Produktionskapazitäten in Europa". Neben der Herstellung des Ausgangsstoffs im eigenen Werk in Mainz liefen Teile der Produktion beispielsweise auch bei Partnerunternehmen wie Dermapharm in der Nähe von Halle in Sachsen-Anhalt und Polymun bei Wien, sagte eine Unternehmenssprecherin am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem wird der Impfstoff mit dem Namen Comirnaty teilweise auch im Werk des US-Partners Pfizer im belgischen Puurs produziert und schließlich abgefüllt. Hinzu komme das Pfizer-Netzwerk in den USA. BioNTech-Chef Ugur Sahin hatte in der vergangenen Woche erklärt, sein Unternehmen suche nach weiteren Partnern für die Produktion.
In dem Werk im hessischen Marburg, das BioNTech vor wenigen Wochen vom Schweizer Pharmariesen Novartis übernommen hat, soll die Produktion im Februar anlaufen. Die Freigabe des ersten dort produzierten Impfstoffs peilt das Unternehmen nach eigenen Angaben für Ende März an. Zwischen Produktion und Freigabe des kontrollierten Vakzins vergehen üblicherweise etwa vier Wochen. Im ersten Halbjahr 2021 sollen in dem Werk 250 Millionen Impfdosen hergestellt werden. Als Gesamtmenge einer Jahresproduktion strebt das Mainzer Unternehmen 750 Millionen Dosen an.
In jedem Durchstechfläschchen, in denen Comirnaty ausgeliefert wird, ist laut BioNTech eine Impfstoffmenge für rechnerisch bis zu sechs Dosen enthalten. Jede Dosis müsse 0,3 Milliliter des Impfstoffs enthalten. Um auf die maximal mögliche Menge von sechs Dosen pro Fläschchen zu kommen, sind aber spezielle Spritzen und Nadeln notwendig. Da diese aber nicht überall auf der Welt zur Verfügung stünden, seien die Flaschen für lediglich fünf Dosen vorgesehen und als solche beispielsweise von der EU zugelassen worden, teilte das Unternehmen mit. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums dürfen in Deutschland nun aber auch sechs Dosen aus einem Fläschchen entnommen werden. Überschüssiger Impfstoff aus mehreren Durchstechflaschen darf aber nicht zu einer Dosis vereint werden. Die BioNTech-Aktie verlor an der NASDAQ schlussendlich 9,13 Prozent auf 88,11 US-Dollar. Daneben fiel die Pfizer-Aktie an der NYSE um 1,22 Prozent auf 36,82 US-Dollar.
/wn/DP/mis
BERLIN (dpa-AFX)/ (Reuters)
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