Studie untersucht Gewinnwachstum bei Growth-Aktien - Ergebnis ernüchternd
An der Börse wird mit Bezug auf Aktien oft von Value-Titeln und Growth-Titeln gesprochen. Während sich erstere durch ein solides Geschäftsmodell und gute Fundamentalkennzeichen auszeichnen, sollen letztere mit einem schnellen Gewinnwachstum und besonders starken Wachstumsaussichten überzeugen. Doch laut Studien werden die Wachstumsaktien ihrem Namen womöglich nicht gerecht.
• Experten des Asset-Managers Verdad replizieren alte Studie mit neuen Daten
• Niveau und Beständigkeit der Wachstumsraten bei Growth-Aktien im Blick
• Ergebnis ernüchternd
"Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen Gewinnwachstums sind für [Aktien-]Bewertungen von großer Bedeutung. Anleger neigen dazu, den Unternehmen höhere Bewertungen zuzuordnen, von denen sie glauben, dass sie in Zukunft schnell wachsen werden, während den Unternehmen, die langsame Wachstumsperspektiven zu haben scheinen, im Allgemeinen niedrigere Bewertungen zugewiesen werden", schreiben Brian Chingono und Greg Obenshain von Verdad in einem Beitrag auf der Webseite des Asset-Management-Unternehmens. Mit anderen Worten: Bei Wachstumsaktien wachsen die Gewinne angeblich schneller als bei Value-Aktien, weshalb sie an der Börse mit Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Allgemeinen höher bewertet werden.
Ob diese Annahme jedoch berechtigt oder ein Trugschluss ist, wollten die beiden Verdad-Experten mittels einer Analyse aller US-Aktien im Zeitraum von 1997 bis 2022 herausfinden. Bei der Methodik orientierten sie sich dabei an einer früheren Studie, die 2001 im Fachmagazin "Journal of Finance" veröffentlicht wurde. Diese hatte alle US-Unternehmen von 1951 bis 1997 untersucht und war dabei zu dem Schluss gekommen, dass es "kein dauerhaftes langfristiges Gewinnwachstum jenseits des Zufalls" gebe, sogenannte Wachstumsaktien also nicht stärker oder beständiger wachsen, als es andere Wertpapiere tun.
Ursprüngliche Studie aufgrund neuerer Entwicklungen nicht mehr gültig?
Laut Chingono und Obenshain werde von Analysten bei der Analyse von Unternehmen und deren Aktien im Allgemeinen davon ausgegangen, dass Wachstum beständig sei und somit Firmen, die in der Vergangenheit schnell gewachsen sind, dies auch in Zukunft tun werden. Falls diese Wachstumsprognosen für Growth-Aktien aber zu optimistisch sind, wie es die ältere Studie nahelegt, gebe es kein Argument dafür, dass Anleger ein höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis im Vergleich zu anderen Aktien akzeptieren sollten. In den letzten 25 Jahren hätten laut populären Ansichten jedoch "säkulare Veränderungen" stattgefunden, "die angeblich die Wirtschaft - und das Investitionskalkül - [...] verändert haben", so Chingono und Obenshain. Daher wollten die beiden Fachleute herausfinden, ob die Ergebnisse der Studie aus 2001 heute womöglich überholt sind. Die beiden Experten begutachteten daher die Daten, die in den 25 Jahren nach dem Untersuchungszeitraum der ursprünglichen Studie angefallen sind.
Analyse zeigt: Konstantes überdurchschnittliches Wachstum gibt es nicht
Die Verdad-Experten untersuchten dabei den Prozentsatz aller US-Firmen aus diesem Zeitraum, die in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren "ein überdurchschnittliches Wachstum aufweisen" konnten. Maximal betrachtet wurden dabei fünf aufeinanderfolgende Jahre. "Wir wollten sehen, ob die höheren Bewertungen für Wachstumsaktien, die wir in letzter Zeit gesehen haben, durch eine höhere Persistenz der Wachstumsraten gerechtfertigt sind", schreiben sie in ihrem Artikel. Eine "gewisse, aber nicht große" Beständigkeit konnten sie dabei tatsächlich beim Umsatzwachstum feststellen. "Aber bei allen drei Messgrößen des Gewinnwachstums (EBITDA, EBIT und EBT) gibt es wenig bis gar keine Anzeichen für eine Beständigkeit jenseits des Zufalls", so Chingono und Obenshain, die damit die Ergebnisse der älteren Studie bestätigten.
So würde man beispielsweise bis zum Ende des dritten Jahres davon ausgehen, dass 12,5 Prozent aller untersuchten Aktien zufallsbedingt überdurchschnittliche Wachstumsraten für jedes Jahr seit Beginn aufweisen würden. Diese Prozentangabe ergibt sich aus der mathematischen Wahrscheinlichkeit, mit der bei einem Münzwurf dreimal in Folge die gleiche Seite oben liegt. Tatsächlich lag der Prozentsatz der sogenannten Wachstumsaktien mit überdurchschnittlichem EBITDA-Wachstum über drei aufeinanderfolgende Jahre laut den Forschern mit 13,0 Prozent nur knapp höher. Beim Umsatz waren es immerhin 14,8 Prozent.
Selbst wenn man nur die absoluten High-Flyer unter den sogenannten Wachstumsaktien betrachte, ergebe sich laut den Experten ein ähnliches Bild. Es scheine zwar relativ gesehen mehr Beständigkeit beim Umsatzwachstum zu geben, aber wenn man die "für Anleger wichtigsten Ertragskennzahlen" betrachte, "stellen wir fest, dass jede Beständigkeit jenseits des Zufalls gegen Null geht", so die Fachleute.
Die an der Börse aufgerufenen Preisaufschläge für Wachstumstitel in Form hoher KGVs sind somit also eigentlich nicht gerechtfertigt - was aber nicht heißt, dass Growth-Aktien nicht trotzdem eine Outperformance gegenüber Value-Aktien aufweisen können. Denn dass dies durchaus möglich ist, hat man in den vergangenen Jahren deutlich gesehen.
Redaktion finanzen.net
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