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Ifo-Chef Fuest: "Investoren werden zunehmend in riskante Anlagen getrieben"

28.10.17 08:00 Uhr

Ifo-Chef Fuest: "Investoren werden zunehmend in riskante Anlagen getrieben" | finanzen.net
Prof. Dr. Clemens Fuest, Ifo-Chef

Clemens Fuest, der Ifo-Chef, spricht Klartext im Interview mit €uro am Sonntag. Er fordert Tempo beim Rückzug aus den Anleihekäufen.

von Wolfgang Ehrensberger, €uro am Sonntag

€uro am Sonntag: Sie haben ein Ende der EZB-Anleihenkäufe bis Ende März 2018 gefordert. Wie bewerten Sie die Beschlüsse der EZB-Sitzung, die Käufe zunächst bis September 2018 reduziert, aber ohne klares Enddatum fortzusetzen?
Clemens Fuest: Die Senkung der monatlichen Käufe auf 30 Milliarden Euro pro Monat ist ein Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem ist die EZB mir zu zögerlich. Ich hätte mir einen schnelleren Abbau der Käufe gewünscht.

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Mit welchen Folgen rechnen Sie?
Die Käufe führen zu wachsenden Verzerrungen an den Kapitalmärkten. Die Investoren werden in zunehmend riskante Anlagen getrieben. Außerdem steigt die Solidarhaftung in der Eurozone, und die EZB wird immer mehr zum direkten Gläubiger von Staaten und großen Unternehmen. Das gefährdet die Unabhängigkeit der Geldpolitik.

Der EZB wird mit ihrer Geldpolitik verdeckte Staatsfinanzierung vorgeworfen. Sehen Sie durch die Ausweitung auch weitere Risiken auf den deutschen Steuerzahler zukommen?
Wenn es bei den Staatsanleihen zu Ausfällen kommt, die von den nationalen Notenbanken nicht ausgeglichen werden können, haften die deutschen Steuerzahler mit. Hinzu kommt, dass die Käufe die sogenannten Target-Salden, also die Forderungen der Bundesbank an das Euro-System, immer mehr in die Höhe treiben. Die Target-Forderungen der Bundesbank beinhalten ebenfalls ein Ausfallrisiko, und sie verschlechtern die Verhandlungsposition Deutschlands innerhalb der Eurozone.

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Trotz lockerer Geldpolitik, guter Konjunktur und hoher Beschäftigung zieht die Inflationsrate kaum an. Sollte sich die EZB von Ihrem Ziel einer Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent verabschieden?
Nein, das sollte sie nicht. Aber sie sollte auch nicht versuchen, dieses Ziel mit der Brechstange zu erreichen. Maß halten wäre gut. Und so lange die Inflationsrate sich auf die zwei Prozent zubewegt oder nicht allzu weit davon entfernt ist, sollte die EZB andere Aspekte wie die Finanzstabilität mehr gewichten.

Welche Erklärung haben Sie, warum die Inflationsrate trotz boomender Wirtschaft vergleichsweise moderat ansteigt?
Sicherlich spielt die eher gedämpfte Lohnentwicklung eine wichtige Rolle. Die Tarifpartner sind sehr darauf bedacht, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Branche nicht zu beschädigen. Das hält die Inflation in Deutschland zurück.

Bildquellen: Axel Griesch fuer Finanzen Verlag