Schwellenländer: Milliarden für die Zukunft
Die wichtigsten Emerging Markets wollen sich nicht mehr bevormunden lassen. Doch die angestrebte Autonomie macht sie nicht krisenresistenter.
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von Jörg Billina, Euro am Sonntag
Von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) sind Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika enttäuscht. Zusammen stellen sie 46 Prozent der Weltbevölkerung und tragen 20 Prozent zur globalen Wirtschaftsleistung bei. Doch in beiden Organisationen haben die Industrieländer das Sagen.
Deren Dominanz wollen die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten nun reduzieren. Sie gründeten diese Woche ihre eigene Entwicklungsbank. Zudem verständigten sie sich auf einen 74 Milliarden Euro schweren Währungsfonds. Die beiden Organisationen sollen die Arbeit im Jahr 2016 aufnehmen.
Aufgabe der Bank wird es unter anderem sein, den Handel zwischen den Ländern zu intensivieren. Der Fonds soll einspringen, sobald einer der fünf Staaten in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Die Mittelvergabe will man jedoch nicht an die Erfüllung von Auflagen knüpfen. Es werde kein politischer Druck ausgeübt, versicherte Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff.
Der IWF dagegen fordert im Gegenzug für Hilfsgelder meist, die Steuern zu erhöhen und die Sozialausgaben zu senken. Nach Meinung der Schwellenländer geht er dabei mit zweierlei Maß vor. Die Anpassungsmaßnahmen, die er den Emerging Markets abverlangt, seien deutlich strenger gefasst als jene gegenüber südeuropäischen Staaten.
Spezielles Interesse an einem eingenen Währungsfonds hat Russland. Die Beziehungen zum Westen sind durch die Krise in der Ukraine schon seit Monaten angespannt. Erst vergangene Woche verschärften die EU und die USA nochmals ihre Sanktionen, was Russlands Wirtschaft und Börse belastet.
Hoffnung als Kurstreiber
Die Kritik der Schwellenländer am IWF ist nicht unberechtigt. Ob aber die fünf großen Emerging Markets durch die eigene Bereitstellung von Finanzmitteln weniger krisenanfällig werden, ist fraglich. Als Kaufargument für BRIC-Fonds (ohne Südafrika), die in den vergangenen Jahren stark an Wert verloren haben, reichen die jüngsten Beschlüsse jedenfalls nicht aus. Mit breiter aufgestellten Fonds streuen Anleger das hohe Anlagerisiko auf jeden Fall besser.
Eine Alternative für mutige Anleger sind Fonds (siehe Investor-Info unten) auf einzelne Länder, die speziell von der Reformbereitschaft der Regierungen oder der Hoffnung auf Veränderung profitieren. Das zeigt sich derzeit in Indien und Brasilien.
So bringt es die brasilianische Börse seit Jahresanfang auf ein Plus von elf Prozent. Allein seit der Niederlage der brasilianischen Nationalmannschaft gegen Deutschland kletterte der Leitindex um fast vier Prozent. Der Anstieg verwundert auf den ersten Blick. Die Wirtschaft wächst nur um ein Prozent, die Inflation droht die Zielmarke der Notenbank von 6,5 Prozent zu übersteigen. Doch Anleger setzen nach dem WM-Fiasko, das der Popularität Rousseffs schadete, auf ein Ende ihres interventionistischen Kurses in der Wirtschaftspolitik.
Ob aber der Favorit der Wirtschaft, Aécio Neves, die Präsidentschaftswahlen im Oktober gewinnt, ist noch nicht entschieden. Sollte er es schaffen, ist die Trendwende dennoch nicht garantiert. Auch er dürfte Schwierigkeiten haben, die notwendigen Reformen schnell und konsequent umzusetzen.
Bessere Chancen auf einen nachhaltigen Kursanstieg verspricht der indische Aktienmarkt. Seit Jahresanfang legte die Börse in Delhi um 20,7 Prozent zu. Das Versprechen, er werde die Wirtschaft wieder auf Trab bringen, hat Indiens neuen Premier Narendra Modi ins Amt gehievt. Bislang hat der Hoffnungsträger nicht enttäuscht. So motiviert Modi ausländische Unternehmen, mehr zu investieren. Die Vorgängerregierung hatte diesen noch mit rückwirkenden Steuern gedroht.
Nur beim Sparen schreckt er noch zurück. Um das Haushaltsdefizit abzubauen, müsste Modi Lebensmittelsubventionen streichen. Dies könnte jedoch die Chancen seiner Partei bei kommenden Regionalwahlen schmälern. So wird die Inflationsrate wohl bei zehn Prozent bleiben. Spielräume für Zinssenkungen eröffnen sich daher vorerst nicht. Sie aber würden der Rally neue Nahrung geben. Frei von Risiken ist ein Engagement daher auch in Indien nicht.
Investor-Info
Schroders Emerging Markets
Mehr als nur BRIC
Zusätzlich zu den BRIC-Staaten investieren die beiden Fondsmanager Robert Davy und Alan Conway auch in Unternehmen aus Schwellenländern wie der Türkei, Chile, Mexiko, Südkorea oder Taiwan. Die breite Aufstellung reduziert die Schwankungen. Dennoch sind diese nicht unbeträchtlich. 2012 erzielte der Fonds ein Plus von 19,7 Prozent. Seit Jahresanfang schaffte er sechs Prozent plus. Da in vielen Schwellenländern der Zinserhöhungszyklus ausläuft, ist der Fonds interessant.
First State Indian Subcont.
Aussichtsreiche Einzelwette
Unter den BRIC-Ländern hat Indiens Börse derzeit den größten Schwung. Indiens neuer Premier Narendra Modi steht für einen wirtschaftsfreundlichen Kurs und hat schon viel Vertrauensvorschuss von Investoren bekommen. Wer darauf setzen will, dass Modi das Land nach vorn bringt, kann zum Indian-Subcontinent-Fonds von First State greifen, der seit Jahren gute Ergebnisse liefert. Über 90 Prozent des Portfolios sind in Indien investiert, der Rest verteilt sich auf Nachbarn wie Sri Lanka oder Bangladesch, die wirtschaftlich eng mit Indien verbunden sind.
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