Märkte in Turbulenzen

Wetten und Manipulationen: War der Börsencrash erst der Anfang?

16.02.18 12:01 Uhr

Wetten und Manipulationen: War der Börsencrash erst der Anfang? | finanzen.net

Lange Zeit herrschte an den Finanzmärkten Selbstzufriedenheit. Ohne Turbulenzen trotteten die wichtigsten Börsen der Welt von einem Rekord zum nächsten.

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Seit dem Crash vergangene Woche ist das vorbei. Experten machen Spekulanten verantwortlich, die auf zweifelhafte Wettprodukte gesetzt haben. Das ganze Ausmaß der Folgen sei noch ungewiss. Jetzt gibt es obendrein Manipulationsvorwürfe - die Behörden sind alarmiert.

Um welche Finanzwetten geht es?

In Zeiten extrem niedriger Zinsen bei geringen Kursschwankungen haben Spekulanten mangels profitabler Alternativen zuletzt immer mehr Geld darauf gesetzt, dass es an den Finanzmärkten so langweilig bleibt wie es ist. Möglich machten dies Finanzprodukte (inverse ETPs und ETNs), deren Wert sich an der Entwicklung des sogenannten Vix-Indikators orientiert. Der Vix gibt das Ausmaß der Schwankungen am US-Aktienmarkt wieder und war vor dem Crash historisch niedrig. Die Papiere gewinnen an Wert, wenn der Vix niedrig bleibt. Allein im Januar flossen 1,7 Milliarden US-Dollar in die zwei größten dieser Produkte - mehr als je zuvor in einem Monat.

Haben diese Wetten den jüngsten Börsencrash ausgelöst?

Viele Experten sehen darin einen Hauptgrund - neben einer Blasenbildung an der Wall Street und der Furcht vor steigenden Zinsen. Das Problem: Schon bei kleinen Kursschwankungen drohen hohe Verluste. Als die US-Börsen erste Unruhen zeigten, mussten sich viele Spekulanten, die zum Teil auf Pump gewettet hatten, durch den Kauf sogenannter Terminkontrakte ("Futures") gegen künftige Steigerungen des Vix absichern, was diesen wiederum nach oben trieb - ein Teufelskreis. Angefeuert von automatischen Computer-Tradern kam es binnen Minuten zum Crash.

Wer hat sich an den Finanzwetten beteiligt?

Das "Wall Street Journal" berichtete, dass renommierte Institutionen wie die Harvard Universität und die Pensionskasse des US-Bundesstaates Hawaii mitmachten. Die Großbank Credit Suisse bot ein Wettprodukt an, von dem sie mit 4,8 Millionen knapp ein Drittel der Anteilsscheine selber hielt. Der Wert je Schein stürzte von einst 100 Dollar bis auf 15 Dollar ab. Auch die Deutsche Bank hielt immerhin knapp vier Prozent der Anteile.

Sind Marktmanipulationen für den Crash mitverantwortlich?

Ein Insider aus der Finanzbranche behauptet das. Über den renommierten US-Anwalt Jason Zuckerman ließ er diese Woche mitteilen, der Crash sei durch Manipulationen des Vix verursacht worden. Wegen eines Konstruktionsfehlers sei es Händlern mithilfe ausgefeilter Algorithmen möglich, den Index auf und ab zu bewegen, ohne dafür tatsächlich Transaktionen abschließen zu müssen. Kleinanleger und institutionelle Investoren seien um Milliardenbeträge geprellt worden.

Wie plausibel ist der Manipulationsvorwurf?

Die Chicagoer Börse CBOE, die den Vix-Index berechnet, wies die Darstellung rigoros zurück. Sie seien ungenau, fehlerhaft und somit unglaubhaft. Eine 2017 veröffentlichte wissenschaftliche Studie der Universität von Texas stützt sie allerdings im Grundsatz. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine Manipulation des Vix zwar nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden könne. Ein Blick auf die Transaktionen habe aber gezeigt, dass die Berechnung des Vix für Manipulationen anfällig und die Handelsmuster durch Manipulationen besser zu erklären seien als durch andere mögliche Annahmen.

Könnten die Wetten noch weiteren Schaden anrichten?

Wie bei den toxischen Hypotheken-Papieren im Zuge der jüngsten Finanzkrise weiß auch bei den Vix-Wettprodukten niemand genau, wie weit sie verbreitet sind. Laut der Bank Societe Generale dürfte es um ein Volumen von 8 Milliarden Dollar gehen. Zugleich dürften aber Schätzungen zufolge Werte zwischen einer halben bis dreieinhalb Billionen Dollar indirekt vom Vix abhängen. Die Meinungen über die Gefahren gehen weit auseinander. Bei der Investmentbank Barclays gibt man sich gelassen. Der US-Milliardär Carl Icahn spricht dagegen von einem "Kasino auf Steroiden". Der jüngste Crash sei erst der Anfang - letztlich werde es ein Erdbeben an der Wall Street geben.

Wird etwas gegen die Wetten und mögliche Manipulationen unternommen?

Laut dem "Wall Street Journal" wird der Manipulationsvorwurf inzwischen von der US-Regulierungsbehörde Finra untersucht. Die Börse CBOE hatte bereits im Januar eine Handelsfirma wegen regelwidriger Wetten auf Schwankungen von Schwellenländeraktien und Ölpreise belangt. Bart Chilton, ein ehemaliges Mitglied der Regulierungsbehörde CFTC, sprach sich zudem gegenüber dem US-Fernsehsender Fox Business für eine stärkere Regulierung von Vix-Wetten aus. Die US-Technologiebörse Nasdaq hat am Donnerstag den Handel bestimmter Papiere gestoppt. Doch damit sind die Wetten nicht vom Tisch: Nach dem Börsen-Schock ist diese Woche schon wieder in mindestens zwei der Papiere Geld zurück geflossen.

FRANKFURT (dpa-AFX)

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