Merck-Aktie um Nulllinie: Healthcare-Chef von Merck plant keine Übernahme von KI-Firmen
Die Darmstädter Merck KGaA setzt beim Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in der Pharmaforschung auf weitere Kooperationen und Partnerschaften.
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Die Expertise per Zukauf in das eigene Haus zu holen, sei keine Option, sagte Konzernvorstand und Pharma-Chef Peter Guenter im Gespräch mit Dow Jones Newswires.
"Ein solches Unternehmen zu kaufen, ist wahrscheinlich keine gute Idee, weil sich das Feld so schnell entwickelt, dass wir diese Unternehmen in ihrem eigenen Ökosystem belassen müssen", sagte Guenter. "Denn wenn man sie in ihrem eigenen Ökosystem lässt, sind sie gezwungen, sich weiterzuentwickeln." Nur so könnten sie mit dem rasanten Fortschritt mithalten. "Wir erwarten mehr KI-Partnerschaften."
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz werde das Pharma-Geschäft, das Merck unter dem Titel Healthcare führt, strukturell verändern. "Ich denke, der größte 'Game Changer' wird im Bereich Forschung und Entwicklung stattfinden", schätzt Guenter. Mehr noch in der Forschung als in der Entwicklung.
Morgan Stanley schätzt in einer Studie aus dem Jahr 2022, dass in den nächsten zehn Jahren weltweit 50 Medikamente dank KI auf den Markt kommen werden. Und laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) befanden sich im vergangenen Jahr 67 KI-gestützte Medikamente in der klinischen Erprobung - ein starker Anstieg von 27 im Jahr 2021 und 40 im Jahr 2022.
Erst vor wenigen Tagen ist Merck eine Partnerschaft mit dem amerikanisch-israelischen Biotech-Unternehmen Biolojic Design eingegangen. Biolojic soll den Darmstädtern helfen, therapeutische Antikörper für die Behandlung von Krebs und immunologischen Erkrankungen zu entwickeln. Die vor zwei Monaten bekanntgegebene Partnerschaft mit dem US-Unternehmen Caris Life Sciences soll bei der Entdeckung neuer Krebs-Targets unterstützen und die Entwicklung bei neuen Antikörper-Wirkstoffkonjugaten beschleunigen.
Im vergangenen September waren zwei strategische Kooperationen in der KI-gestützten Wirkstoffforschung mit den britischen Unternehmen BenevolentAI und Exscentia vereinbart worden. Vielversprechende Wirkstoffkandidaten, so die Erwartung, lassen sich deutlich schneller identifizieren. BenevolentAI mit Sitz in London und Exscientia mit Sitz in Oxford kommen mit etwa 50 bis 60 Prozent der Zeit ans Ziel, die bei der Medikamentenentwicklung auf herkömmliche Weise benötigt wird, sagte Pharmachef Guenter. Letztlich soll die Zeit für die Entwicklung einer neuen Therapie bis zur Marktreife deutlich verkürzt werden.
Den Wissenschaftlern im Labor würden viele sich wiederholende und mühsame Aufgaben abgenommen. "Und dann können sich die Wissenschaftler wirklich auf das konzentrieren, was sie am besten können, nämlich Wissenschaft betreiben und diese Ergebnisse interpretieren." Der Mensch bleibe immer die oberste Kontrollinstanz, der von der KI unterstützt, aber nicht ersetzt werde.
Auch in der klinischen Entwicklung ließen sich Aufgaben zwar vereinfachen, aber nicht wesentlichen verkürzen. "Meiner Meinung nach gibt es heute noch nicht genügend Fortschritte bei der Beschleunigung klinischer Studien durch Künstliche Intelligenz", sagte Merck-Manager Guenter.
Er hofft jedoch, dass die mit Hilfe von KI ausgewählten Moleküle in der klinischen Entwicklung eine höhere Erfolgsquote haben werden als in der herkömmlichen Forschung. "Bei den meisten Produkten, an denen wir arbeiten, wissen wir, dass sie scheitern werden", sagte er.
Der Algorithmus des neuen US-Partners Caris könne "eine unvorstellbare Menge an Daten" verarbeiten, auch öffentlich zugängliche, und anschließend eine Art Prioritätenliste nach Erfolgswahrscheinlichkeit liefern. So werde die Forschung produktiver. Die Zusammenarbeit mit dem amerikanisch-israelischen Unternehmen Quris-AI soll überdies helfen, Moleküle von vornherein auszusortieren, die beispielsweise später die Leber schädigen. So könne KI auch das Risiko verringern, ein Produkt später wegen Nebenwirkungen vom Markt nehmen zu müssen.
Einsparungen durch KI erwartet Guenter hingegen weniger: Das Gros der Kosten für eine neue Arznei falle in der klinischen Entwicklung an und hier vor allem in der Spätphase. "Es geht weniger um massive Einsparungen, sondern vielmehr darum, die Fristen zu verkürzen und die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Und wenn man beides oder auch nur eines davon erreichen kann, hat man einen enormen Produktivitätsgewinn in der Forschung und Entwicklung."
Konzentrieren will sich Merck dabei auf seine drei Therapiegebiete Onkologie, Neurologie und Immunologie, um die Pipeline zu verbreiten und zu vertiefen. In den Hype um Abnehmmedikamente wie die Blockbuster Ozempic und Wegovy von Novo Nordisk will Merck nicht einsteigen. Der Markt für Adipositas-Medikamente sei "unglaublich überfüllt und hart umkämpft", viele große Unternehmen seien dort vertreten, so Guenter. Als größter der mittelgroßen Akteure habe sich Merck entschieden, nicht an dem Rennen teilzunehmen.
"Wenn man sich auf die Therapiegebiete konzentriert, die man kennt, hat man mehr Chancen, erfolgreich zu sein", sagte er.
Im XETRA-Handel am Freitag zeigt sich die Merck-Aktie zeitweise bei 171,95 Euro kaum verändert zum Vortag (+0,03 Prozent).
Von Stefanie Haxel und Helena Smolak
FRANKFURT (Dow Jones)
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Bildquellen: Merck KGaA
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