Aktien-Rückkäufe: Wie Anleger das systematisch nutzen
DAX-Konzerne investieren immer größere Summen in ihre eigenen Aktien. Das soll die Kurse treiben, bringt aber auch Probleme.
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von Sven Parplies, Euro am Sonntag
Die Munich Re hat einen treuen Investor: Allein über die vergangenen zwölf Jahre hat er für mehr als elf Milliarden Euro Aktien des Versicherungsriesen gekauft. Sein Name - Munich Re. Der Konzern kauft sich selbst.
In den USA sind solche Aktionen längst eine Art Pflichtprogramm. Weil die Konzerngewinne in Übersee durch Steuersenkungen massiv gestiegen sind, pumpt Corporate America so viel Geld wie noch nie in den Kauf eigener Aktien. Im vergangenen Jahr haben die im breiten Aktienindex S & P 500 gelisteten Unternehmen Rückkäufe in einem Volumen von 800 Milliarden Dollar getätigt. Für diese Summe hätte man in der Theorie zwei Drittel des DAX aufkaufen können.
Auch in Deutschland kommen Aktienrückkäufe in Mode. Im DAX haben im vergangenen Jahr neben der Munich Re auch Adidas, Allianz, Covestro, Deutsche Börse, SAP und Siemens eigene Papiere gekauft. Unter den Nebenwerten sind unter anderem Lanxess, Osram und Qiagen aktiv.
Die Vermögensverwaltung Flossbach von Storch hat errechnet, dass die Unternehmen aus DAX und MDAX im vergangenen Jahr insgesamt 8,6 Milliarden Euro für eigene Papiere ausgegeben haben. Das ist im Vergleich zu den USA eine kleine Summe, für Deutschland aber der größte Betrag seit der Finanzkrise. 2008 steckten die Unternehmen fast 17 Milliarden Euro in eigene Aktien, also fast doppelt so viel wie 2018.
Als nächstes DAX-Mitglied hat jetzt Linde ein Programm angekündigt. Über die kommenden zwei Jahre sollen Papiere im Wert von bis zu sechs Milliarden Dollar eingesammelt werden. Das Geld dazu stammt aus dem Verkauf von Unternehmensteilen im Zuge der Fusion mit dem US-Konzern Praxair. Auch HeidelbergCement und Bayer ziehen Rückkäufe in Erwägung.
Kein Unternehmen in Deutschland aber sammelt so zielstrebig eigene Aktien ein wie die Munich Re. Seit 2006 hat der Konzern nur in einem Jahr stillgehalten. Die Münchner jagen die aufgekauften Papiere durch den Reißwolf und verringern damit die Zahl der ausstehenden Aktien. Das bringt einige Vorteile: So muss der Konzern für weniger Stücke Dividende ausschütten. Die Zahl der dividendenberechtigten Papiere der Munich Re ist über die Jahre von 220 Millionen auf weniger als 149 Millionen gesunken.
Die Rückkäufe stützen außerdem den Aktienkurs, weil der Konzern die Nachfrage künstlich erhöht und das Angebot verknappt. Bilanzkennziffern wie der bei angloamerikanischen Investoren stark beachtete Gewinn je Aktie werden aufpoliert, weil der Gewinn über weniger Papiere verteilt werden muss.
Doppelbonus der Allianz
Im Idealfall zwingen Rückkäufe , ähnlich wie die Dividende, das Unternehmen zur Disziplin. Ohne üppige Finanzreserven gerät der Vorstand nicht so leicht in Versuchung, Abenteuer einzugehen. Denn teure Zukäufe bringen zwar spektakuläre Schlagzeilen, erfüllen aber oft nicht die Erwartungen. In den meisten Fällen werden Rückkäufe als Ergänzung zur Dividende eingesetzt. Die Allianz hat so über die vergangenen beiden Jahre fast 13 Milliarden Euro an ihre Aktionäre weitergereicht - sechs Milliarden Euro über Rückkäufe, rund 6,8 Milliarden über die Dividende.
Natürlich hätte die Allianz die komplette Summe als Bargeld ausschütten können. Aktienrückkäufe aber geben mehr Flexibilität, weil sie sich relativ geräuschlos stoppen lassen. Eine Dividendenkürzung dagegen wird als Krisensignal interpretiert und setzt die Aktie meist unter Druck. Der Softwarekonzern SAP will im neuen Jahr auf Rückkäufe verzichten, da die Walldorfer nach teuren Übernahmen zunächst ihre Schulden reduzieren wollen - die Dividende dürfte laut Analystenschätzungen dagegen weiter leicht steigen.
Kritiker werfen den Rückkäufern jedoch fehlende Kreativität vor. "Ein Unternehmen sollte zuerst in produktives Kapital investieren - in neue Fabriken oder Übernahmen. Wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die Bilanz solide ist, werden Aktienrückkäufe zu einer sinnvollen Alternative", argumentiert Flossbach-Experte Philipp Immenkötter. "Gerade im Zeitalter der Digitalisierung sollte ein Unternehmen genug Möglichkeiten für sinnvolle Investitionen finden."
Anleger müssen auf die Details achten: In den USA wurde 2017 rund ein Drittel der Rückkäufe auf Kredit finanziert. Das kann, je nach Verschuldungsgrad eines Unternehmens, gefährlich werden. Im vergangenen Jahr sank die Quote auf 14 Prozent, also auf ein deutlich gesünderes Niveau. Wichtig ist auch, wofür die eingesammelten Aktien verwendet werden. Siemens beispielsweise will einen Teil der Papiere als Vergütung an Angestellte weiterreichen. Das verwässert die Wirkung des Programms. Ein besonderer Fall ist Beiersdorf: Der Kosmetikkonzern sitzt auf knapp zehn Prozent der eigenen Aktien, stampft die Papiere aber nicht ein.
Der Kurseffekt
Ein besonderes Problem bei Aktienrückkäufen ist die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Damit ein Unternehmen das nötige Geld hat, müssen die Geschäfte gut laufen. In solchen Phasen ist der Aktienkurs bereits stark gestiegen. In Krisenzeiten, wenn die Kurse im Keller sind, fehlen dagegen meist das Geld und der Mut. Anders als Insider, die gern in Krisenphasen kaufen, verhalten sich Unternehmen somit chronisch zyklisch. Legendär ist die Irrfahrt von Daimler: Der Konzern kaufte im Vorfeld der Finanzkrise eigene Aktien, brauchte dann aber frisches Geld und gab über eine Kapitalerhöhung neue Papiere zu niedrigeren Kursen aus.
Besser hat es die Munich Re gemacht: Der Versicherungskonzern kaufte zwar ebenfalls vor der Finanzkrise besonders viele Aktien, setzte sein Programm aber nach kurzer Pause bereits im Oktober 2009 fort und nutzte damit die auch zu diesem Zeitpunkt noch tiefen Kurse.
Wie aber genau wirken Aktienrückkäufe auf die Kurse? Oft steigen die Kurse am Tag der Ankündigung. Davon profitieren nur jene Anleger, die die Papiere bereits besitzen. Das prominenteste Barometer, um den langfristigen Effekt zu messen, ist der S & P 500 Buyback Index. Dort sind aus dem amerikanischen Aktienmarkt jene Unternehmen gebündelt, die besonders intensiv eigene Aktien einsammeln. Über die vergangenen zehn Jahre hat sich der Rückkaufindex deutlich besser entwickelt als der breite US-Markt.
Investor-Info
Munich Re
Mehr Dividende
Der Rückversicherer will seine Dividende weiter anheben. Für das vergangene Geschäftsjahr sollen 9,25 Euro pro Aktie ausgezahlt werden, 65 Cent mehr als ein Jahr zuvor. Zugleich stellte der Vorstand neue Aktienrückkäufe in Aussicht. Diese hätten "schon den Grad einer Tradition erreicht", so Finanzvorstand Christoph Jurecka. Die Entscheidung soll im März fallen, ein Volumen von einer Milliarde Euro ist realistisch. Die Aktie bleibt ein solides Langfristinvestment.
AMUNDI S & P 500 BUYBACK
Amerikas Rückkäufer
US-Konzerne investieren besonders gern in eigene Aktien. Der amerikanische Rückkaufindex besteht aus jenen 100 Unternehmen des Aktienindex S & P 500, die am stärksten auf Rückkäufe setzen. Gemessen wird das am Volumen der Rückkäufe über die vergangenen vier Quartale in Relation zur Marktkapitalisierung. Kostengünstig investieren können Privatanleger in diesen Spezialindex über Indexfonds wie den von Amundi.
AMUNDI Europe BUYBACK
Europas Rückkäufer
In Europa sind Aktienrückkäufe bei Weitem nicht so verbreitet wie in den USA. Dennoch können Anleger über Indexfonds auch in europäische Aktien mit hoher Rückkaufquote investieren. Der MSCI Europe Buyback setzt sich aus 66 Unternehmen zusammen, rund die Hälfte der Mitglieder kommt aus Großbritannien und Frankreich. Einen ETF auf den Index gibt es unter anderem von Amundi.
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