Kämpferin für Anlegerrechte

Daniela Bergdolt: "Hab schon immer die Selbstständigkeit angestrebt"

18.07.21 16:22 Uhr

Daniela Bergdolt: "Hab schon immer die Selbstständigkeit angestrebt" | finanzen.net

Die Münchner Anwältin Daniela Bergdolt kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte von Aktionären - und machte dabei auch so manch skurrile Erfahrung.

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von Isabell Walter, Euro am Sonntag

Schon während ihres Jurastudiums hat sich Daniela Bergdolt dem Anlegerschutz verschrieben. Noch heute ärgert sie das Zockerimage, das Aktionären oft angehängt wird. "Vor allem in Deutschland hat der Aktionär einen fürchterlichen Ruf - und auch dagegen wehre ich mich", sagt sie. "Der Aktionär ist kein Spieler, sondern er ist beteiligt an der deutschen Wirtschaft."

Für die Rechte ebendieser privaten und institutionellen Anleger kämpft die gebürtige Münchnerin seit fast drei Jahrzehnten. Auf den Hauptversammlungen aller bayerischen DAX-Konzerne spricht Bergdolt Missstände an, liest den Vorständen die Leviten und macht ihrem Ruf als "Jeanne d’Arc der Aktionäre" alle Ehre. Bei Adidas, Allianz oder Siemens ist sie eine feste Instanz auf den Jahrestreffen. Sie habe sich "geschlechterblind" für diesen Beruf entschieden, der damals wie heute stark von Männern dominiert wird.

€uro am Sonntag: Ihr Vater war Vorstandschef der Löwenbräu AG. Wie hat das Ihre Laufbahn geprägt?

Daniela Bergdolt: Mein Vater war sehr aktienaffin und hat deshalb schon früh in Aktien investiert. Das war auch beim Mittagstisch der Familie immer ein Thema. Als ich etwa zehn Jahre alt war, wurde ich an die Börsenwelt herangeführt. Mein Vater sagte zu mir, ich solle mir überlegen, in welche Aktien ich investieren möchte, und dass wir diese dann von meinem Geld kaufen würden. Er hat mir verschiedene Papiere vorgestellt und wir haben sie besprochen. Ich habe mich schließlich für Mannesmann-Aktien entschieden und diese später mit einem sehr guten Gewinn verkauft. Darauf war ich als Kind sehr stolz. Diese Erfahrung hat den Grundstein für mein Interesse an Aktien gelegt.

Sie haben sich dann für ein Jurastudium entschieden. Wäre Betriebswirtschaft (BWL) nicht naheliegender gewesen?

Jura hat mir für meinen Weg ein breiteres Spektrum geboten. Damit kann man sich beispielsweise als Anwalt selbstständig machen oder als Berater arbeiten, man kann aber auch in die Wirtschaft oder zu Banken gehen. Mit einem BWL-Studium wäre ich sehr wahrscheinlich einfach in einem Unternehmen gelandet. Das wollte ich aber nicht, da ich schon immer die Selbstständigkeit angestrebt habe. Das war mir wahrscheinlich schon in die Wiege gelegt, da meine Mutter als Ärztin ihre eigene Praxis führte und mein Vater nach seiner Zeit bei Löwenbräu selbst als Anwalt und Berater tätig war.

Warum haben Sie nicht die klassische Anwaltslaufbahn eingeschlagen?

Als Studentin und Referendarin war ich unter anderem am Amtsgericht in München und habe bei Prozessen mitgearbeitet. Dort gab es eine Cafeteria, die war damals rauchverhangen. Hier saßen die Anwälte und haben die Verhandlungen besprochen und auf die nächsten Prozesse gewartet. Deren Tagesaufteilung war überwiegend so, dass sie am Vormittag bei Gericht waren, nachmittags ihre Mandanten gesehen haben, und abends wurde dann diktiert. Da wurde mir klar, dass ich das nicht machen möchte.

Wie kamen Sie stattdessen zur Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), wo Sie sich seit drei Jahrzehnten für Anlegerinteressen einsetzen?

Das passte einfach: sowohl vom Rechtsgebiet wie auch von der Art der Arbeit.

Gibt es Themen, die Sie schon über die ganze Zeit dort begleitet haben?

Auf jeden Fall. Die DSW vertritt die Rechte von privaten und institutionellen Anlegern gegenüber dem Unternehmen. Und als Vizepräsidentin der DSW versuche ich immer klarzustellen, dass der private Anleger kein Zocker ist. Vor allem in Deutschland hat der Aktionär einen fürchterlichen Ruf - und dagegen wehre ich mich. Der Aktionär ist kein Spieler, sondern er ist beteiligt an der deutschen Wirtschaft.

Sie haben in einer sehr von männlichen Kollegen geprägten Branche Fuß gefasst. Gab es Vorurteile?

Ja, absolut. Vor allem ganz am Anfang war ich als Frau ein absoluter Exot in der Branche. Es war für die Leute sehr erstaunlich, dass ich an dem Pult stehe und tatsächlich etwas sagen möchte. Und dass ich auch noch fundiert gesprochen habe und keinen Blödsinn gesagt habe, wurde besonders verwundert aufgenommen. Nach einer Rede kam einmal ein Aktionär zu mir und hat gesagt, dass er beim Zuhören die ganze Zeit meine blonden Locken angeschaut habe. Da habe ich mich schon gefragt, ob er mir nun zugehört hat oder nur Augen für meine Frisur hatte. Gerade in der Anfangszeit meiner Kanzlei haben mich Mandanten auch gefragt, ob ich mir diesen Job als junge Frau überhaupt zutraue. Bei jungen Männern wird dagegen eher erwartet, dass sie dynamisch sind und etwas erreichen wollen.

Erlebten Sie das auch bei Vorständen?

Leider ja. Ich war damals auf der Hauptversammlung einer familiengeführten Aktiengesellschaft, die meines Erachtens nie an die Börse gehört hätte. Für deren Gründer, Hauptaktionär und Aufsichtsratschef war schon allein die Existenz der Aktionäre eine reine Pflichtübung. Als ich dann auf einige Missstände hingewiesen habe, stand er auf, ging zum Pult und sagte: "Aktionärssprecherinnen, die die Mentalität einer Putzfrau haben und in unserem Unternehmen nur den Dreck sehen, können wir hier nicht gebrauchen." Das ist mir bis heute im Kopf geblieben

Hat sich das heute gebessert?

Das hat sich auf jeden Fall gebessert. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass ich mittlerweile seit sehr vielen Jahren in diesem Bereich tätig bin, aber ich würde schon sagen, dass es hier auch eine Weiterentwicklung gegeben hat. Leider habe ich trotzdem immer noch das Gefühl, dass sich viele Frauen von dem Berufsfeld abschrecken lassen. In größeren Anwaltskanzleien gibt es zwar einige Frauen, die sich mit dem Aktionärsrecht beschäftigen, aber wenige, die sich damit selbstständig machen.

Was würden Sie einer Frau raten, die in diesem Bereich durchstarten will?

Ich würde ihr raten, es genauso zu machen wie ich: Ich habe mich vollkommen "geschlechterblind" für diesen Beruf entschieden und bin meinen Weg gegangen. Man sollte sich auf keinen Fall davon abschrecken lassen, dass die Branche sehr von Männern dominiert wird. Außerdem würde ich immer zu einem neutralen, professionellen Aufzug raten. Weder ein kurzer Rock noch High Heels haben etwas mit der Kompetenz einer Frau zu tun. Trotzdem wird man auch heute noch sehr schnell in eine Schublade gesteckt.

Die Bundesregierung will dem Mangel an Frauen vor allem in den Vorständen größerer Unternehmen mit einer Frauenquote begegnen. Was halten Sie von dem Gesetzentwurf?

Hier habe ich meine Meinung geändert. Früher habe ich immer gesagt, dass wir keine Frauenquote brauchen. Ich habe befürchtet, dass Frauen dann in bestimmten Positionen eingesetzt werden, nur weil sie Frauen sind und nicht wegen ihrer Kompetenzen. Inzwischen bin ich allerdings der Meinung, dass wir die Quote in jeder Hinsicht brauchen. Sämtliche Zusicherungen, dass man sich bemühen würde, mehr Frauen in Vorstandspositionen zu bekommen, wurden enttäuscht. Wenn ich dann gezielt nachfrage, warum das so ist, bekomme ich immer dieselbe Antwort: Man habe ja versucht, eine Frau für den Posten zu finden, aber man finde einfach keine mit den nötigen Fähigkeiten. Und das stimmt einfach nicht. Ich denke deshalb, dass der Gesetzentwurf in jeder Hinsicht richtig und wichtig ist. Es gibt genügend kompetente Frauen, aber sie müssen den Fuß in die Tür bekommen. Und das gelingt meiner Ansicht nach nur mit einer Quote.

Woran machen Sie Ihren Erfolg fest?

Hartnäckigkeit, Disziplin und viel Arbeit. Es funktioniert einfach nicht, wenn man sich unter der Woche die Nächte um die Ohren schlägt. Das geht schon mal zwischendurch und muss auch mal sein, darf aber keine Gewohnheit werden. Ein disziplinierter Tagesablauf ist ein Muss für gute Leistungen.

Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Ich stehe um 5:30 Uhr auf, mache mich fertig, gehe in die Kanzlei und erledige meine Schreibtischarbeit. Auch mittags bleibe ich in der Kanzlei. Auswärts essen tue ich generell nicht, denn wir essen in der Kanzlei gemeinschaftlich in großer Runde. Im Anschluss kann ich dann das tun, was ich liebe und was mir auch viel Erholung bringt: Ich gehe mit meinen Hunden raus. Danach geht es zurück ins Büro und abends entweder nach Hause oder auf Veranstaltungen. Mein Abendritual ist dann der letzte Spaziergang des Tages mit den Hunden.

Bei den Hauptversammlungen bringen Sie die Probleme der Unternehmen auf den Tisch. Fällt Ihnen das heute leichter?

Das wird natürlich mit den Jahren einfacher. Vor allem greife ich niemanden persönlich an, sondern analysiere und kommentiere auf einer sachlichen Ebene. Ich versuche herauszuarbeiten, was nicht so gut gelaufen ist, und frage dann nach. Persönliche Angriffe versuche ich partout zu vermeiden. Die Sachlichkeit ist entscheidend.

Wie bereiten Sie sich vor?

Das ist ähnlich wie bei Schauspielern oder Kabarettisten: Der Auftritt soll spontan wirken, muss aber vorbereitet und geprobt werden. Vor dem Redenschreiben sehe ich mir alle Geschäftsberichte und Presse- und Analystenberichte an. Und ich gehe durch, was wir in den letzten Jahren gesagt haben.

Sind Sie nach all den Jahren noch aufgeregt vor Ihren Reden?

Ja, natürlich. Vor allem vor der Siemens-Hauptversammlung zu Beginn der Saison bin ich schon etwas nervös. Mir hilft dann die gute Vorbereitung - und die Tatsache, dass ich mich an mein Manuskript halten kann. Die Erfahrung, die ich mitbringe, beruhigt mich auch. Mir ist es außerdem sehr wichtig, dass ich die Aufgaben ohne Stress angehen kann. Ich komme deshalb gern schon sehr früh zu den Hauptversammlungen.

Wo finden Sie einen Ausgleich zu Ihren vielen beruflichen Aufgaben?

Gerade mit den Hunden bin ich sehr viel in der Natur - zu Spaziergängen oder auch Wanderungen rund um den Chiemsee. Ich liebe diese Gegend und bin dort gern mit den Hunden unterwegs. Außerdem mache ich Yoga. Meditation und Yoga geben mir einen großen Ausgleich. Ich lege mich aber auch gern in den Liegestuhl und lese. In Bücher kann ich mich richtig vertiefen.

Haben Sie ein Lieblingsbuch?

Besonders fasziniert haben mich die Bücher "Altes Land" von Dorte Hansen und "Die Erfindung der Flügel" von Sue Monk Kidd. Das letzte ist ein tolles Buch über die Emanzipation von Frauen in den USA zur Zeit des Bürgerkriegs.

Wie kommt es, dass Sie gleich drei Hunde haben?

Ich habe einen älteren Toypudel und zwei Zwergpudel, ein jüngeres Geschwisterpärchen. Einer der beiden Geschwister heißt Pinocchio. Das hat auch einen Grund: Mein Mann und ich wollten ursprünglich nur zwei Hunde. Als wir wegen des zweiten Hundes bei der Züchterin waren, hat sie mich gefragt, ob ich nicht den übrigen jungen Rüden auch mitnehmen und vermitteln könne, da sie den nächsten Wurf erwartete. Als mein Mann und ich dann gesehen haben, wie die Welpen unaufhörlich miteinander gespielt und geschmust haben, konnten wir ihn nicht mehr hergeben. Wir hatten uns selbst in die Tasche gelogen, dass wir ihn weitergeben könnten - daher der Name Pinocchio. Die Hunde haben auch in der Kanzlei einen festen Platz und arbeiten mit. Sie teilen mit mir und meinen Kollegen alle Erfolge und trösten auch, wenn mal etwas nicht so gut läuft.

Welchen Titel würden Sie einem Buch über Ihr Leben geben?

Ich denke, "Jeanne d’Arc der Aktionäre" wäre ein treffender Titel, da ich mich für die Aktionärsrechte einsetze.


Vita:
Vater lenkte Löwenbräu

Daniela Bergdolt ist gebürtige Münchnerin. Ihr Vater war Vorstandschef der Löwenbräu AG. Während ihres Jurastudiums wurde ihr klar, dass die klassische Anwaltslaufbahn nichts für sie ist. Nach dem Studium bewarb sich die frischgebackene Juristin bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Noch im selben Jahr besuchte sie für die DSW bereits die ersten Hauptversammlungen, darunter Siemens, und stieg rasch zur Landesgeschäftsführerin Bayern auf. Heute ist sie Vizepräsidentin der DSW.










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Bildquellen: Tobias Hase/DSW

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