Software AG-Finanzchef: "Offenbar handelte es sich um eine Falschmeldung"
Das zweitgrößte deutsche Softwarehaus, die Software AG, spürt trotz konjunkturellen Gegenwinds keine Eintrübung ihres Geschäfts und sieht sich inzwischen auch für eine Großübernahme gut gerüstet.
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von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag
Die Software AG hatte vor Jahresfrist mit massiven Problemen zu kämpfen. Der US-Vertrieb hatte den Darmstädtern das Geschäft vermasselt. Dazu litt der Konzern bei seiner Beratungstochter IDS Scheer unter rückläufigem Geschäft und wachsendem Margendruck. Die Situation war so angespannt, dass der Konzern innerhalb kurzer Zeit zähneknirschend zwei Gewinnwarnungen ausgeben musste. Seither haben Vorstandschef Karl-Heinz Streibich und sein Finanzvorstand Arnd Zinnhardt ordentlich aufgeräumt. Das US-Management wurde ausgetauscht, IDS Scheer komplett neu ausgerichtet. Nun soll es wieder aufwärtsgehen. €uro am Sonntag sprach mit Finanzchef Arnd Zinnhardt über das Umfeld, mögliche Akquisitionen und den Ausblick auf das kommende Jahr.
Herr Zinnhardt, weltweit trübt sich die Konjunktur ein. Gehen die Unternehmen bei IT-Investitionen allmählich auf die Bremse?
Arnd Zinnhardt: Wir sehen zurzeit keine Verlangsamung der Nachfrage nach unseren Produkten. Daher sind wir weiter positiv gestimmt und blicken optimistisch ins kommende Jahr.
Die Software AG macht rund ein Drittel des Umsatzes in den USA. Zahlreiche US-Unternehmen halten sich aus Furcht vor dem so genannten Fiscal Cliff, also dem möglichen Auslaufen von Steuerentlastungen und Ausgabenkürzungen zum Jahreswechsel, bei Investitionen zurück. Spüren Sie da was?
Nein. Im zweiten und dritten Quartal 2012 konnten wir ein sehr starkes Geschäft in den USA verzeichnen. Die Produkte der Software AG sind darauf ausgerichtet, unsere Kunden effizienter und profitabler zu machen. Deshalb sehen wir auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein hohes Interesse an unseren Lösungen.
Angesichts massiver Probleme haben Sie dort die Führungsmannschaft ausgetauscht und den Vertrieb neu aufgestellt. Sind die Umbauarbeiten in den USA inzwischen abgeschlossen?
Unsere Neuausrichtung in den USA erfolgt schrittweise: im Frühjahr haben wir uns zunächst auf den Vertriebsausbau konzentriert. Wir haben unsere Projektpipeline vergrößert, um die Abhängigkeit von einzelnen Deals zu reduzieren und laufende Projekte effizienter abzuarbeiten. Die entsprechenden Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen haben wir bereits im zweiten und dritten Quartal 2012 gesehen. Unsere Pipeline ist inzwischen deutlich breiter als noch vor einem halben Jahr. Deshalb gehen wir auch weiter von einer positiven Entwicklung in den nächsten Monaten aus.
Das heißt?
Seit Jahrzehnten sind wir in den USA sehr stark an der Ostküste vertreten. Zukünftig wollen wir unseren Vertrieb vor allem an der Westküste verstärken. Die ersten Schritte dazu haben wir bereits initiiert. Insgesamt sind wir fest davon überzeugt, dass es auf dem US-Markt erhebliche Wachstumspotenziale für uns gibt. Deshalb bauen wir unsere Vertriebsmannschaft auch entsprechend auf.
Von welcher Größenordnung sprechen wir da?
In den USA beschäftigen wir derzeit knapp 740 Mitarbeiter, davon arbeiten rund 200 Personen im Vertrieb. Im nächsten und übernächsten Jahr planen wir mindestens 100 zusätzliche Mitarbeiter einzustellen.
Sie haben für das laufende Jahr beim Produktumsatz einen Zuwachs von drei bis sechs Prozent in Aussicht gestellt. Die operative Marge soll bei 23 bis 24 Prozent liegen. Nun sind Sie fürs Jahresendgeschäft optimistisch. Bleibt es also bei Ihrer Prognose?
Ja, wobei wir gesagt haben, dass wir in unserem traditionellen ETS-Geschäft, also dem Geschäft mit Datenbanken für Großrechner, ein Minus von zwei bis vier Prozent erwarten, während der Produktumsatz aus BPE-Lösungen zur Integration unterschiedlicher Softwaremodule um 10 bis 13 Prozent wachsen soll. Daran halten wir fest.
Aber es gibt ja durchaus noch ein paar Probleme. Bei Ihrer Beratungstochter IDS Scheer ist der Umsatz im laufenden Jahr um gut ein Drittel weggebrochen. Unterm Strich haben Sie dort von Januar bis September rund zehn Millionen Euro versenkt. Dabei brummt’s derzeit bei SAP und IDS ist ein starker SAP-Partner. Wie kann das sein?
In Deutschland haben wir aufgrund des großen Erfolgs der SAP eine gewisse Marktsättigung bei klassischen SAP-Installationen erreicht. Entscheidender für uns ist ein anderer Aspekt: Als Softwarehaus konzentrieren wir uns zukünftig noch stärker auf Beratungsleistungen rund um unsere Produkte. Es geht darum Synergien zu heben und Cross-Selling-Potenziale zu nutzen. In Regionen, wo das nicht möglich war, wie beispielsweise in Osteuropa, haben wir uns zurückgezogen. Hinzu kommt, dass es IDS Scheer seinerzeit versäumt hat, in Niedriglohnländern wie Indien große Ressourcen aufzubauen. Deshalb treten wir heute nicht im Massengeschäft gegen Anbieter wie Tata, Wipro oder Infosys an.
Stattdessen konzentrieren Sie sich jetzt auf Ihre Stärken?
Im Bereich SAP Consulting werden wir uns zukünftig auf die hochwertigere SAP-Prozessberatung fokussieren. Denn das ist der Bereich, für den die IDS Scheer im Markt steht. Dieser Ansatz ist auch insofern strategisch, da wir in der Kombination mit unserem sehr erfolgreichen BPE-Geschäft unsere Kunden im Bereich der Integration und Prozessoptimierung bei heterogenen sowie SAP-zentrischen IT-Landschaften hervorragend bedienen können.
Was bedeutet die Umstrukturierung für die Mitarbeiter?
Gar nichts. Die Kapazitätsanpassungen sind bereits weitgehend abgeschlossen. Heute beschäftigen wir weltweit rund 2.700 Mitarbeiter im Bereich Consulting & Services.
Nach dem Verlust im laufenden Jahr wollen Sie im Consulting 2013 wieder operativ schwarze Zahlen. Klappt das?
Nächstes Jahr streben wir im Consultingbereich von IDS Scheer einen Umsatz auf dem diesjährigen Niveau an. Beim Ergebnis soll es eine schwarze Null werden. Das ist unser Ziel.
Sie könnten aber auch kurzen Prozess machen und IDS zum Verkauf stellen?
Diese Frage stellt sich für uns nicht.
Es gibt auch an anderer Stelle noch Herausforderungen. Im laufenden Jahr sind die Kosten in der Verwaltung um 10 Prozent gestiegen, in Marketing und Vertrieb um acht Prozent. Wieso?
Beim Anstieg der Aufwendungen für Marketing und Vertrieb spiegeln sich unsere Investitionen vor allem in das Wachstum unseres BPE-Geschäfts wider. Der Kostenanstieg in der Verwaltung ist auf unsere positive Aktienkursentwicklung zurückzuführen: unser Vergütungssystem ist so ausgelegt ist, dass nicht nur die Aktionäre eine schwache Aktienkursentwicklung zu spüren bekommen, sondern auch das Management. Dies gilt aber auch umgekehrt. In den vergangenen sechs Monaten haben wir den TecDax deutlich outperformt, was zu entsprechenden Aufwendungen geführt hat.
Den größten Anstieg hatten Sie mit einem Plus von 14 Prozent im laufenden Jahr bei den Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E). Gemessen am Produktumsatz liegt die F&E-Quote bei 14 Prozent. Soll das so bleiben?
Als Technologieunternehmen sind maßgebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung essentiell, um innovative Produkte und Lösungen zu entwickeln, die den Erfolg der Zukunft sichern. Die F&E-Quote fällt je nach Reifegrad der Märke unterschiedlich aus: Im gesättigten ETS-Geschäft werden wir zukünftig bei rund 7 bis 9 Prozent liegen, im wachstumsstarken BPE-Bereich dagegen bei gut 20 Prozent.
Die Software AG ist in den vergangenen Jahren auch mit Hilfe von Übernahmen stark gewachsen. Im laufenden Jahr ist die erwartete große Übernahme bislang aus geblieben. Gibt es keine attraktiven Kandidaten?
Selbstverständlich evaluieren wir den Markt kontinuierlich nach geeigneten Unternehmen, die zu uns passen könnten. Wichtiger als der Zeitpunkt, wann eine Übernahme stattfinden könnte, ist jedoch die Logik und Nachvollziehbarkeit einer Transaktion. Derzeit schauen wir uns verstärkt Unternehmen an, die eine Expertise bei der Analyse von großen Datenmengen, Big Data, haben oder im Bereich Cloud tätig sind, weil diese am besten zu uns passen würden. Wir schließen nicht aus, dass nächstes Jahr wieder eine Übernahme stattfinden könnte.
Von welchen Größenordnungen sprechen wir da?
Wir sind operativ und auch von der Bilanzstruktur so gut aufgestellt, dass wir theoretisch auch größere Übernahmen bis zu einer Milliarde Euro stemmen könnten. Aber wie gesagt: es kommt nicht auf den Zeitpunkt oder die Größe an, sondern vielmehr, wie gut ein Unternehmen zu unserem Geschäftsmodell und unserer Strategie passt.
Und Sie haben da konkrete Kandidaten im Visier?
Mir würde der eine oder andere Name einfallen, aber den behalte ich lieber für mich (lacht).
Zu Wochenanfang kursierten Berichte, wonach angeblich ein Paket von vier Millionen Aktien am Markt platziert werden soll. Stimmt das?
Hierbei scheint es sich offenbar um eine Falschmeldung gehandelt zu haben. Weder die Software AG Stiftung noch ein anderer Großaktionär hat unseres Wissens nach Anteile zum Verkauf angeboten. Vielleicht hat jemand vier Millionen Euro und vier Millionen Aktien durcheinander gebracht?
Die Software AG hat zwischen 2004 und 2011 pro Jahr ein Umsatzplus von durchschnittlich 15,6 Prozent geschafft, das Ergebnis je Aktie ging um 18,6 Prozent pro Jahr nach oben. Wann werden Sie wieder auf den alten Wachstumspfad zurückkehren?
In der Vergangenheit ist die Software AG auch durch Übernahmen gewachsen. Heute erzielt der Geschäftsbereich BPE organische Wachstumsraten in ähnlicher Dimension. Zurzeit richten wir die Software AG noch intensiver auf Wachstum aus. Das wird nächstes Jahr auch so bleiben. Wir sind fest davon überzeugt, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, denn mit unseren Investitionen legen wir das Fundament für weiteres nachhaltiges Wachstum.
Viele Unternehmen halten sich angesichts konjunktureller Fragezeichen mit Aussagen zum nächsten Jahr derzeit noch zurück. Wagen Sie schon mal einen Ausblick?
Für das nächste Jahr gehen wir im Stammgeschäft ETS von einem Rückgang im mittleren einstelligen Bereich aus. Bei BPE rechnen wir dagegen mit einem zweistelligen Prozentplus und bei unserer US-Tochter Terracotta mit einem Zuwachs von deutlich über 50 Prozent. Einen präzisen Ausblick für das Jahr 2013 werden wir im Januar zur Vorlage unserer vorläufigen Geschäftszahlen bekannt geben.
Die Software AG hat im Vorjahr eine Dividende von 0,46 Euro je Aktie gezahlt. Im laufenden Jahr dürfte das Netto-Ergebnis etwa auf Vorjahresniveau liegen. Können Aktionäre also mit einer vergleichbaren Dividende rechnen?
Lassen Sie uns erst einmal das vierte Quartal beenden und die Geschäftszahlen anschließend mit dem Aufsichtsrat besprechen. Aber eins kann ich sagen: wir haben unsere Dividende acht Jahre in Folge erhöht. Aktuell sehe ich keinen Grund, warum sich das ändern sollte. Gemeinsam mit dem Aufsichtsrat werden wir hierzu zum entsprechenden Zeitpunkt formal Stellung beziehen und einen Vorschlag unterbreiten.
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