Interview

Marktexperte Wellershoff: „Buy and Hold macht keinen Sinn“

05.01.10 11:06 Uhr

Klaus Wellershoff, einst langjähriger Chef-Volkswirt bei der UBS, jetzt selbständiger Berater, äußert sich zu steigenden Zinsen und dem doch großem Enttäuschungspotenzial im Jahr 2010.

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von Martin Blümel, €uro am Sonntag

Einen Katzensprung vom Züricher Kunsthaus entfernt, hat Klaus Wellershoff sein Büro. eingerichtet. Innen Altbau mit holzgetäfelten Wänden und knarzenden Fußböden, außen frisch renoviert, perfekte Wärmedämmung. Die Basissation seiner Unternehmensberatung. „Es ist nicht unsere Aufgabe die Zukunft vorherzusagen, sondern uns auf sie vorzubereiten“, heißt es bei Perikles. Wellershoff hat sich den Satz zu eigen gemacht. Er will die Risiken der Märkte verstehen, um besser entscheiden zu können.

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€uro am Sonntag: Die vergangenen Jahre zeigen: Die Welt wandelt sich dramatisch. Da ist der wirtschaftliche Aufstieg Asiens und der relative Bedeutungsverlust der USA. Geht das so weiter?
Wellershoff: Der Trend, dass sich die Gewichte in der Weltwirtschaft verschieben, wird bestehen bleiben. China kann zwar auf Dauer nicht so schnell wachsen wie zuletzt. Dennoch wird das Land in den nächsten Jahren auch absolut gesehen in einem Umfang zulegen, mit dem die westlichen Industrienationen nicht mithalten können. Amerika wird dagegen im nächsten Jahrzehnt wohl nur noch mit im Schnitt zwei Prozent wachsen, schon allein wegen der Entwicklung wachstumsbestimmender Größen wie Demographie, Investitionen, technischer Fortschritt. Vor allem aber belasten die Folgen des Versuchs die Wirtschaftskrise zu begrenzen: Die expansive Geldpolitik, die zurückgeführt werden muss, die Zunahme der Staatsverschuldung, bei der zumindest die Nettoneuverschuldung gebremst werden muss. Präsident Obama wird in seiner ersten Amtszeit die Staatsverschuldung verdoppeln. Diesen Trend muss er brechen, sonst kann es zu einer Vertrauenskrise bezüglich Amerika insgesamt kommen.

€uro am Sonntag: Schafft er das?
Wellershoff: Zumindest verspricht die US-Regierung, dass die Nettoneuverschuldung bis zum nächsten Wahltermin halbiert wird. Das reicht aber nicht. So oder so nimmt die Verschuldung in Relation zum Volkseinkommen weiter rapide zu. Amerika wird wohl oder übel drastischere Maßnahmen ergreifen müssen. Andernfalls muss man damit rechnen, dass der Dollar als Leitwährung stärker gefährdet ist und die US-Zinsen zu stark steigen. Beides wäre schwer zu verdauen.

€uro am Sonntag: Der Dollar hat sich zuletzt ja stabilisiert.
Wellershoff: Richtig. Der Dollar ist auf einem sehr niedrigen Niveau angelangt. Um ihn aber weiter schwach zu halten, gibt es eigentlich nur den Weg über Inflation. Das wäre aber eher nicht zielführend. Sicherlich gäbe es Impulse für den Außenhandel, aber der ist für die große US-Volkswirtschaft relativ unwichtig – die Exporte machen nur 13 Prozent der Endnachfrage aus. Das verblasst also vor einem Hintergrund höherer Zinsen, die es bei steigender Inflation zwangsläufig gibt. Dies würde die hochverschuldete amerikanische Wirtschaft viel härter treffen.
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€uro am Sonntag: Von Inflation ist aber wenig zu sehen.
Wellershoff: Wir sind weit entfernt von der Kapazitätsauslastung, die wir vor der Krise hatten. Solange das der Fall ist, rechnen wir eine gewisse Zeit mit inflationsdämpfenden Tendenzen. Allerdings gibt es tiefrote Warnsignale, was die mittelfristige Inflationsentwicklung angeht. Expansive Geldpolitik, extrem niedrige Zinsen, ein hoch verschuldeter Staat, der ein Interesse daran hat, dass die Inflation schneller steigt als die Zinsen. Ein ungemütliches Bild, in dem man davon ausgehen muss, dass mittelfristig die Inflationsraten deutlich höher sein müssen. Eine Gefahr für die Weltwirtschaft insgesamt.

€uro am Sonntag: Was können die Notenbanken tun?
Wellershoff: Die Wirtschaft ist ja relativ stabilisiert. Der Hauptgrund für die ausgeweitete Geldmenge ist damit hinfällig. Die Notenbanken sind aber nicht gerade aggressiv bei der Rücknahme ihrer Maßnahmen. Das mag daran liegen, dass den Notenbanken gar nicht mehr klar ist, was wirklich Geld ist und wie viel Geld tatsächlich im Wirtschaftssystem zirkuliert. Die Notenbanken fahren einen Supertanker durch den Nebel, und das Ruder wird wohl erst herumgeworfen, wenn Inflation klar zu erkennen ist. Aber wenn man den Eisberg schon sieht, ist es zu spät. Man sollte sich also darauf einstellen, dass die Inflation zurückkehrt.
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€uro am Sonntag: Wann könnte das der Fall sein?
Wellershoff: Normalerweise sagt man, dass solange die Kapazitäten in der Wirtschaft nicht ausgelastet sind, kann es keine wirkliche Inflation geben. Nun gibt es aber Faktoren, die einen zumindest nachdenklich stimmen. Wir haben Strukturen, in denen Kapazitäten, die einst geschaffen wurden, nie wieder zurückkehren. Im Autobereich, bei den Banken. Die aktuelle Unterauslastung ist daher wahrscheinlich kleiner als man denkt und wird schneller geschlossen werden. Zudem werden die inflationsdämpfenden Effekte der Globalisierung auslaufen. Wenn die Chinesen ihre Währung aufwerten sollen, wenn sie trotz Krise um acht, neun Prozent wachsen, dann sind sie in einer Situation, in der sie die tiefen Güterpreise, die sie uns bisher angeboten haben, nicht halten können. Die Preise werden steigen, und mit einer Aufwertung des Yuan wird es doppelt teuer. Dann ist nicht mehr Dämpfung sondern Inflationsbeschleunigung angesagt. Und ein dritter Punkt: In allen Industrienationen ist der Staat inzwischen ein wesentlicher Dienstleister. Die administrierten Preise werden wegen der Kassenlage der öffentlichen Hand deutlich schneller wachsen als die durchschnittliche Inflationsrate. Preise für den Nahverkehr, Mietnebenkosten, Abwasser, alle staatlichen Gebühren. Das gibt einen netten Schub. Das gefährliche daran: wir haben so tiefe Zinsen, dass schon ein kleiner Anstieg der Inflation und der Zinsen prozentual eine große Auswirkung auf die Preise der Vermögenswerte haben wird.

€uro am Sonntag: Und wie schlimm wird es?
Wellershoff: Das kann man kaum prognostizieren, weil wir und die Notenbanken wie gesagt nicht recht wissen, wie viel Geld im System ist. Angenommen wir rechneten wie früher, als noch klar war, wieviel Geld umgeht, dann müssten wir mit zweistelligen Inflationsraten in zwei bis drei Jahren rechnen. Aber das kann man aus besagten Gründen so nicht prognostizieren.
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€uro am Sonntag: Ein gewisses Maß an Inflation muss für die Aktienmärkte ja nicht schlecht sein.
Wellershoff: Es kommt darauf an. Kosten und Absatzpreise steigen mit der Inflation, die Gewinne sollten sich also halten. Dieser Aspekt ist unproblematisch. Problemtisch ist der Diskontfaktor, der Zins mit dem die zukünftigen Erträge bewertet werden. Bei tiefen Zinsen wie jetzt, ist der Diskonteffekt sehr groß. Aktien werden durch diesen Effekt schnell teurer als sie jetzt erscheinen.

€uro am Sonntag: Was macht man da als Anleger?
Wellershoff: Steigende Zinsen sind natürlich schlecht für Rentenpapiere. Bei Aktien wird man differenzieren müssen. Es gibt Bereiche, die weiterhin mit attraktiven Preisen rechnen können, etwa der Rohstoff- und Energie-Bereich, gerade wenn auch gute Dividendenrenditen drin sind. Banken dagegen sehen schlecht aus. Es ist also nicht alles verloren, aber vom Gesamtertrag her wird es bescheidener werden. Es könnte einige schwache Börsenjahre geben.

€uro am Sonntag: Was ist mit Gold oder mit Schwellenländern?
Wellershoff: Es gibt gute Gründe, warum Gold für viele Leute attraktiv ist. Der richtige Preis dafür ist aber nur schwer zu bestimmen, da Gold keinen laufenden Ertrag abwirft. Wenn man akzeptiert, dass die Zentralbanken zwar expansiv bleiben, aber sukzessive doch vorsichtiger im Expansionsgrad werden, dann besteht die Gefahr, dass die Liquidität, die den Goldpreis im vergangen Quartal getrieben hat, nach und nach wieder den Weg in die Realwirtschaft findet. Das macht Gold eher gefährlich. Die Schwellenländer wiederum, können sich nicht entkoppeln vom Wachstum in den Industrienationen. Was das Volkseinkommen angeht, werden sie natürlich schneller wachsen. Aber da wird viel schon erwartet. Und in einigen wichtigen Ländern wird das Potential überschätzt. China ist ein Musterbeispiel dafür. Da extrapolieren viele Leute und denken die Chinesen werden in den kommenden Jahren weiter mit acht, neun Prozent wachsen. Da schlummert großes Enttäuschungspotenzial. Schwellenländer-Investments sind so weniger gute strategische Anlagen, sie werden tendenziell eher taktische Möglichkeiten bieten. Es ist eine Zeit, in der Buy and Hold einfach keinen Sinn macht.

Bekannt wurde Wellershoff als Chefvolkswirt der Schweizer Bank UBS, für die er seit 1995 arbeitete. Im Herbst 2009 machte sich der 45jährige mit der Unternehmensberatung Wellershoff & Partners selbständig. Studiert hat der Vater von vier Söhnen an der bekannten Hochschule St. Gallen. Während der Promotion wurde er als Gastwissenschaftler an das Department of Economics der Universität Harvard berufen.

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